VwGH 2011/23/0529

VwGH2011/23/052918.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Mag. Irene Haase, Rechtsanwältin in 1230 Wien, An der Au 9/1a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. März 2009, Zl. E1/87.443/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
SMG 1997 §27 Abs1 Z1;
SMG 1997 §27 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
SMG 1997 §27 Abs1 Z1;
SMG 1997 §27 Abs3;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, reiste am 27. Jänner 2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. September 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, weil er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Mai 2005 wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall des Suchtmittelgesetzes und § 15 StGB (gewerbsmäßiger Verkauf von Suchtgift in einer großen Menge) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden war.

Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. März 2006 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Guinea wurde für zulässig erklärt. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. September 2008, Zl. 2006/01/0376, abgelehnt.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 13. März 2009 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Einleitend stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel verfüge, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 125 Abs. 3 FPG als Rückkehrverbot gelte und dass die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG - vorbehaltlich des § 66 FPG -

gegeben seien.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - sei ledig und habe keine Sorgepflichten; berufliche oder familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, insulinpflichtiger Diabetiker zu sein und in Guinea nicht mit der erforderlichen ärztlichen Betreuung und Medikation versorgt werden zu können, führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe dies durch keine Unterlagen, wie etwa ärztliche Befunde, belegt. Zwar sei "von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen", dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten, zumal gegen den Beschwerdeführer ein Rückkehrverbot bestehe. Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im März 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass das mit Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Jänner 2003 eingeleitete Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen ist. Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde erstmals vor, am 27. Jänner 2009 einen (weiteren) Asylantrag eingebracht zu haben. Den vorgelegten Verwaltungsakten lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen. Vor diesem Hintergrund verstößt dieses Vorbringen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) und ist somit unbeachtlich. Darüber hinaus behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal, dass ihm bei Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder ein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zugekommen sei. Die behördliche Annahme, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, begegnet somit keinen Bedenken.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.2.) - § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und auf die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass sich dem angefochtenen Bescheid keine Erwägungen zur Interessenabwägung nach § 66 FPG entnehmen ließen, insbesondere werde nicht auf die von ihm "vorgebrachten Gefahren" (offenbar gemeint: hinsichtlich seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung) eingegangen. In diesem Zusammenhang werden auch Ermittlungsmängel der belangten Behörde gerügt. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar schon mehrfach ausgesprochen, bei der Abwägung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme komme auch dem Umstand Bedeutung zu, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird. Wenn für den Fremden keine Aussicht besteht, sich in seinem Heimatstaat oder in einem anderen Land - sollte ein solches als Zielort überhaupt in Betracht kommen - außerhalb Österreichs der für ihn notwendigen Behandlung unterziehen zu können, kann das - abhängig von den dann zu erwartenden Folgen - eine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen an einem (unter Umständen auch nur vorübergehenden) Verbleib in Österreich darstellen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0282, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang aber ebenfalls ausgesprochen, dass es dem Fremden obliege, substanziiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könne. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse iSd Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0310, mwN).

Diesem Erfordernis ist der Beschwerdeführer mit seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen, insulinpflichtiger Diabetiker zu sein und in Guinea nicht mit der erforderlichen Betreuung und Medikation versorgt werden zu können, aber nicht nachgekommen, zumal auch die diesbezüglich in Aussicht gestellten ärztlichen Befundberichte in weiterer Folge (auch mit der Beschwerde) nicht vorgelegt wurden. Vor diesem Hintergrund liegt weder ein relevanter Ermittlungsmangel noch ein Feststellungsmangel vor, sodass es nicht rechtswidrig war, der behaupteten Erkrankung bei der Interessenabwägung kein wesentliches Gewicht beizumessen.

Die belangte Behörde betonte zutreffend den hohen Stellenwert der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und ging zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer dieses öffentliche Interesse durch seinen (nach Wegfall der asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung) unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gravierend missachtet habe. Dazu kommt die dem Rückkehrverbot zugrundeliegende gravierende Straftat und die daraus abzuleitende Gefahr der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgifthandel, die sich im Übrigen durch den einschlägigen Rückfall des Beschwerdeführers eindrucksvoll verwirklicht hat (siehe das im Verwaltungsakt befindliche Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Juli 2008, mit dem der Beschwerdeführer u.a. wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtmitteln nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG sowie nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt wurde). Der behördlichen Feststellung, der Beschwerdeführer habe keine beruflichen oder familiären Bindungen im Bundesgebiet geltend gemacht, wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde im Ergebnis dem persönlichen Interesse des im Bescheiderlassungszeitpunkt erst etwa sechs Jahre in Österreich aufhältigen Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet kein höheres Gewicht beimaß als dem öffentlichen Interesse an der Erlassung der Ausweisung.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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