VwGH 2011/23/0501

VwGH2011/23/050113.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Jänner 2009, Zl. E1/489.220/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, heiratete am 4. Februar 2004 in Serbien die österreichische Staatsbürgerin M und beantragte am 2. April 2004 unter Berufung auf diese Ehe bei der österreichischen Botschaft in Belgrad die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Im Hinblick darauf wurde ihm zunächst eine bis zum 26. April 2005 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt, die in der Folge mehrfach - zuletzt bis zum 29. April 2009 (als "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt") - verlängert wurde.

Laut eigenen Angaben reiste der Beschwerdeführer im Mai 2004 nach Österreich ein. In der Zeit vom 26. Mai 2004 bis 8. Juni 2006 war er an der Adresse seiner Ehefrau in 1220 Wien behördlich gemeldet.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 6. September 2006 wurde die Ehe des Beschwerdeführers rechtskräftig geschieden.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 2007 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wegen Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Dabei stützte sie sich zum einen auf eine (vom Juni 2007 stammende) Aussage des Hauswartes des Wohnhauses der vormals ehelichen Wohnung in 1220 Wien, der angegeben habe, dass M seit 2001 durchgehend mit ihrem Lebensgefährten V in der genannten Wohnung wohne und dass es nicht den Tatsachen entsprechen könne, dass der Beschwerdeführer und M zwischen 2004 und 2006 dort gemeinsam gelebt hätten. Zum anderen verwies die erstinstanzliche Behörde darauf, dass bei der getrennten Befragung des Beschwerdeführers und der M am 5. September 2007 (im Einzelnen dargestellte) Widersprüche aufgetreten seien, die u.a. besondere körperliche Merkmale des Beschwerdeführers, die erste Ehe des Beschwerdeführers und die Anzahl seiner Kinder, den Ablauf des Kennenlernens und des Hochzeitstages sowie die Wohnsituation in der vormals ehelichen Wohnung und deren Ausstattung betroffen hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Jänner 2009 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde zunächst auf die dargestellte Aussage des Hauswartes, der - obwohl er die vormalige Ehefrau des Beschwerdeführers und deren Lebensverhältnisse "offenbar gut kannte" - den Beschwerdeführer nicht gekannt, sondern vielmehr bekräftigt habe, dass M "stets mit einem anderen Mann" (nämlich V) zusammengelebt habe.

Hinsichtlich der Einvernahmen des Beschwerdeführers und von M, bei denen "es - neben auch übereinstimmenden Aussagen - zu einer Vielzahl von Widersprüchen und Ungereimtheiten" gekommen sei, erklärte die belangte Behörde die diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers und seiner ehemaligen Gattin seien - so die belangte Behörde - von grober Unkenntnis über die unmittelbaren persönlichen und familiären Lebensumstände des jeweils anderen gekennzeichnet gewesen. Auch habe der Beschwerdeführer kaum gleichlautende Angaben (wie seine ehemalige Gattin) über die "vormals angeblich ehelichen Wohnverhältnisse" machen können. All dies sei mit der Annahme eines gemeinsamen Ehe- und Familienlebens "im herkömmlichen Sinn" unvereinbar. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass M während aufrechter Ehe (nämlich am 10. November 2004) ein Kind (X) geboren habe, zumal die Vaterschaft des Beschwerdeführers (lediglich) auf Grund der Ehelichkeitsvermutung bestehe.

Zu beachten sei auch gewesen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Zeugen oder sonstige Beweismittel geltend gemacht habe, die die Annahme eines tatsächlichen Ehe- und Familienlebens rechtfertigen hätten können. Schließlich sei auch aktenkundig, dass der Beschwerdeführer mit einer anderen Frau ein - am 26. Juni 2006 geborenes (und sohin etwa ein Jahr vor der erfolgten Scheidung gezeugtes) - gemeinsames Kind habe.

Die belangte Behörde sah es somit als erwiesen an, dass der im § 60 Abs. 2 Z 9 FPG normierte Sachverhalt verwirklicht sei und die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 FPG - gegeben seien.

Zu den persönlichen und familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde fest, dass er Sorgepflichten für X sowie zwei weitere - 1992 und 2006 geborene - Töchter habe. Mit der 1992 geborenen Tochter S lebe er im gemeinsamen Haushalt. Diese befinde sich seit Dezember 2005 in Österreich, "nachdem sie - gestützt auf die Scheinehe ihres Vaters - ebenfalls eine Niederlassungsbewilligung erhalten" habe. Die belangte Behörde ging daher von einem erheblichen, mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aus. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Scheinehen) dringend geboten, zumal der Beschwerdeführer durch das Eingehen einer Scheinehe gegen diese öffentlichen Interessen gravierend verstoßen habe. Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Allerdings - so die belangte Behörde - sei zu bedenken, dass der gesamte Aufenthalt des Beschwerdeführers erst durch das dargestellte Fehlverhalten ermöglicht worden sei. Die familiären Bindungen zur "nachgeholten" Tochter (S) würden zweifelsfrei schwer wiegen. Die belangte Behörde ging aber davon aus, dass S "wohl das aufenthaltsrechtliche Schicksal des Vaters" teilen werde. Es sei auch nicht aktenkundig, dass einer allfälligen gemeinsamen Ausreise unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden. Den Kontakt zu den weiteren Familienangehörigen könne der Beschwerdeführer - wenn auch eingeschränkt - vom Ausland aus wahrnehmen; diese Einschränkung sei im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers würden somit keinesfalls schwerer wiegen als das in seinem Fehlverhalten gegründete öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe. Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah die belangte Behörde auch keinen Grund, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Jänner 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme iSd Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Scheinehe und wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Er verweist zum einen auf die Aussage seiner ehemaligen Gattin, dass es sich um eine "normale" Ehe gehandelt habe, und auf den Umstand, dass er mit M ein gemeinsames Kind habe, nämlich die am 10. November 2004 geborene X.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die belangte Behörde hat ihre Beweiswürdigung zunächst auf die - als glaubwürdig eingeschätzte - Aussage des Hauswartes gestützt, dass der Beschwerdeführer und seine ehemalige Gattin nie zusammen gewohnt hätten. Darüber hinaus hat sie ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass die vormaligen Ehegatten bei ihrer getrennten Einvernahme am 5. September 2007 widersprüchliche bzw. unterschiedliche Aussagen gemacht haben, wobei sie diesbezüglich auf die - zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erklärten - Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwies. Die Beschwerde geht weder konkret auf die Aussage des Hauswartes ein noch setzt sie sich mit der von der belangten Behörde aufgezeigten Unkenntnis der Ehegatten über die Lebensumstände des jeweils anderen bzw. mit den dargestellten widersprüchlichen Aussagen auseinander. Der Beschwerdeführer bringt auch keine konkreten Umstände oder Lebenssachverhalte vor, die für die Führung eines gemeinsamen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sprechen würden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde weder die Aussage der M (über das Vorliegen einer "normalen" Ehe) noch das Vorhandensein eines Kindes, als deren Vater der Beschwerdeführer kraft Ehelichkeitsvermutung anzusehen ist, als hinreichend angesehen hat, um allein daraus auf das Bestehen eines tatsächlichen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK zu schließen.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer und seine ehemalige Gattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hätten, begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, VwSlg. 11.894 A/1985) keinen Bedenken. Ausgehend von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG durfte die belangte Behörde auch die Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG bejahen.

Der Beschwerdeführer erachtet weiters die von der belangten Behörde durchgeführte Interessenabwägung nach § 66 FPG als rechtswidrig. Diesbezüglich verweist er auf seine drei - in Österreich lebenden - Töchter (die am 19. August 1992 geborene, nach Österreich nachgekommene S aus einer früheren Beziehung, die am 10. November 2004 geborene X, deren Mutter seine ehemalige Gattin ist, und die am 26. Juni 2006 geborene V), für die er unterhaltspflichtig sei. Er verfüge somit über "berücksichtigungswürdige Bindungen zu Österreich".

Auch mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (von knapp fünf Jahren) und auf die Bindungen zu seinen drei in Österreich lebenden Töchtern einen erheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben durch das Aufenthaltsverbot anerkannt. Sie durfte aber - im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa zuletzt das Erkenntnis vom 29. März 2012, Zl. 2011/23/0278) - davon ausgehen, dass die vom Beschwerdeführer erlangten Aspekte einer Integration dadurch relativiert werden, dass sie im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen sind. Hinsichtlich der - mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebenden und ebenfalls die serbische Staatsangehörigkeit besitzenden - ältesten Tochter (S) ist die Beschwerde der behördlichen Annahme, dass einer Ausreise des Beschwerdeführers mit S in den gemeinsamen Heimatstaat keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstünden, nicht entgegengetreten. Gleiches gilt für die Auffassung der belangten Behörde, dass S über einen von ihrem Vater abgeleiteten Aufenthaltstitel verfüge und somit ihr aufenthaltsrechtliches Schicksal von demjenigen ihres Vaters abhänge. Hinsichtlich der beiden anderen Töchter (deren alleinige Obsorge nach dem unbestritten gebliebenen Akteninhalt die jeweilige Mutter innehat) wird in der Beschwerde weder das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes noch das Vorliegen sonstiger enger persönlicher Bindungen geltend gemacht, sondern es wird lediglich auf die Unterhaltspflichten hingewiesen. Es besteht aber kein Grund zur Annahme, dass eine Erfüllung der Unterhaltspflichten vom Ausland aus unmöglich wäre. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertrat, dass allfällige, mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Einschränkungen im Kontakt zu diesen beiden Töchtern im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen seien. Im Ergebnis ist die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 13. September 2012

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