VwGH 2011/23/0326

VwGH2011/23/032631.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. April 2009, Zl. E1/134930/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, reiste am 1. Februar 2003 illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am 3. Februar 2003 die Gewährung von Asyl beantragte.

Mit Bescheid vom 10. März 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Volksrepublik China gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Seine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2008 gemäß §§ 7, 8 AsylG als unbegründet ab.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. April 2009 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie zusammengefasst aus, dass der Beschwerdeführer am 21. November 2003 bei einer nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unerlaubten Tätigkeit als Koch in einem Chinarestaurant angetroffen worden sei. Das deshalb über ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. November 2003 verhängte, auf fünf Jahre befristete Aufenthaltsverbot habe jedoch wegen der ihm nach dem Asylgesetz zugekommenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nicht effektuiert werden können. In der Folge sei der Beschwerdeführer noch mehrmals bei der Ausübung verschiedener - im angefochtenen Bescheid näher dargestellter - nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unrechtmäßiger Erwerbstätigkeiten betreten worden.

Der Beschwerdeführer halte sich seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich auf, weshalb er - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 FPG - gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden könne.

Im Rahmen der Interessenabwägung, so führte die belangte Behörde weiter aus, seien im Sinne des § 66 Abs. 2 FPG dem mehr als sechs Jahre andauernden Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit sein bereits mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich, seine mangelnden (legalen) beruflichen und familiären Bindungen sowie die wegen fehlender Deutschkenntnisse geringe Integration entgegen zu halten. Umstände für eine besondere Schutzwürdigkeit seines Privatlebens lägen nicht vor; die wiederholte unrechtmäßige Beschäftigung spreche ebenfalls nicht zu seinen Gunsten.

Die belangte Behörde kam danach zum Ergebnis, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers wegen des sehr hohen Stellenwerts, der der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zur geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukomme, nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Besondere Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung zugelassen hätten, seien nicht erkennbar gewesen. Ebenso wenig seien "humanitäre Gründe" zu erkennen gewesen, wobei eine Antragstellung auf Erteilung eines "humanitären Aufenthaltstitels" nicht einmal behauptet worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Mai 2009) geltende Fassung.

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer gesteht zu, dass sein Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet ist und ihm kein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, erweist sich daher nicht als rechtswidrig.

Dem in diesem Zusammenhang erstatteten Beschwerdevorbringen, "dass bei einer entsprechenden Antragstellung dem Beschwerdeführer ein humanitärer Aufenthaltstitel zuerkannt werden würde", und er beabsichtige, einen "Antrag auf Erteilung des humanitären Bleiberechts" einzubringen, ist zu entgegnen, dass selbst eine bereits erfolgte dahingehende Antragstellung nicht dazu geführt hätte, dass von einer Ausweisung Abstand zu nehmen gewesen wäre (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293).

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2009/21/0156, mwN).

Wenn der Beschwerdeführer dazu ausführt, dass "in Wahrheit" keine Interessenabwägung vorgenommen worden und sein Aufenthalt "als finanziell abgesichert anzusehen" sei, und er auf seinen "langjährigen" Aufenthalt im Bundesgebiet sowie seine strafrechtliche Unbescholtenheit verweist, zeigt er damit keinen relevanten Begründungsmangel auf. Die belangte Behörde hat die genannten integrationsbegründenden Umstände ohnehin zugrunde gelegt und in ihre Interessenabwägung einbezogen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde daraus aber nicht ableiten müssen, seine Ausweisung aus Österreich sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig. Diese - nur das Privat- und nicht auch das Familienleben des Beschwerdeführers betreffenden - Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer (bis zum maßgeblichen Bescheiderlassungszeitpunkt) von etwas mehr als sechs Jahren insgesamt nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden und hätte akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinne des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich verbleiben können. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer einer unrechtmäßigen Beschäftigung nachging, was dazu führte, dass gegen ihn ein befristetes (seit 1. Jänner 2006 als Rückkehrverbot geltendes) Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Dessen ungeachtet setzte der Beschwerdeführer seine "Schwarzarbeit" fort. Zu Recht sah die belangte Behörde das Gewicht der erlangten Integration auch durch die fehlenden Deutschkenntnisse als gemindert an.

Es ist daher jedenfalls nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher einschätzte als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des seit Dezember 2008 unrechtmäßigen Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers.

Soweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben seiner Einvernahme durch die belangte Behörde als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt, fehlt dem schon die Relevanz, zeigt er doch keine, in die Beurteilung durch die belangte Behörde noch nicht einbezogenen und maßgeblichen Umstände auf, die dadurch hervorgekommen wären. Darüber hinaus besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine (mündliche) Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf, mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. August 2011, Zl. 2009/21/0204, mwN).

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. Mai 2012

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