VwGH 2011/15/0096

VwGH2011/15/009618.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der D GmbH in S, vertreten durch Mag. Karl Pichler, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 27. April 2011, Zl. RV/0169-G/08, betreffend Investitionszuwachsprämie 2004, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §863;
BAO §24 Abs1 litd;
ABGB §863;
BAO §24 Abs1 litd;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH machte für eine "geleaste Druckmaschine" mit Anschaffungskosten von ca. 1,5 Mio. EUR Investitionszuwachsprämie 2004 geltend.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung stellte der Prüfer fest, dass für diese Maschine sowohl die Leasinggeberin als auch die Beschwerdeführerin Investitionszuwachsprämie geltend gemacht haben. Die Leasinggeberin habe die Prämie sogar bei der Berechnung der Leasingraten berücksichtigt. Nach Ansicht des Prüfers sei die Leasinggeberin zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Maschine. Der Verkauf des Leasinggegenstandes von der Leasinggeberin an die Beschwerdeführerin sei nicht vereinbart gewesen, wenn auch - unter der Voraussetzung eines Rückkaufes - der Rückkaufpreis in Höhe der letzten Rate (ca. 18.000 EUR) sehr wohl zugesichert gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe sich im Zug der Erstellung des Jahresabschlusses für 2004 entschlossen, die Prämie geltend zu machen. Sie habe dies im Wissen getan, nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Maschine zu sein.

Gegen den Bescheid vom 30. Jänner 2007, mit dem das Finanzamt die Investitionszuwachsprämie mit Null festsetzte, erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte vor, zur Finanzierung der Maschine sei ein Kaufpreisleasing gewählt worden. Die Leasinggeberin habe einen Vertrag mit siebenjähriger Laufzeit und einer Abschlagszahlung in Höhe einer weiteren Monatsrate angeboten. Die Leasingvereinbarung sei so gewählt worden, dass diese Abschlagszahlung nach dem Ende der Laufzeit eine eindeutige Zurechnung des Leasinggutes an den Leasingnehmer "erfordert". Die Nutzungsdauer der Maschine betrage 7,5 Jahre bei einer Leasingdauer von 7 Jahren und 1 Monat. Im Übrigen handle es sich um "Spezialleasing". Die Maschine sei nach den Wünschen der Beschwerdeführerin speziell produziert worden und es seien Ergänzungsinvestitionen (Raumcontainer, um das Betriebsgebäude zu vergrößern; Installationsarbeiten) erforderlich gewesen. Eine Verwertung wäre ohne erheblichen Wertverlust nicht möglich. Der Betriebsprüfer habe die Zurechnung allein auf die Aussagen der Leasinggeberin gestützt, die klarerweise ein Interesse daran habe, dass das Leasinggut ihr zugerechnet werde.

Der Prüfer führte in einer Stellungnahme zur Berufung aus, die Beschwerdeführerin habe behauptet, dass der Leasinggegenstand nach Ablauf der Leasingdauer in ihr Eigentum übergehe. Aus einer Vorhaltsbeantwortung der Leasinggeberin vom 16. November 2006 gehe aber hervor, dass der Beschwerdeführerin die Option zum Kauf der Maschine vertraglich nicht eingeräumt sei, "wenn auch im konkreten Fall dies trotzdem gemacht werden wird, was jedoch im Ermessen der Leasingfirma freiwillig und nicht aufgrund der Vereinbarung erfolgt bzw. erfolgen wird".

In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin vor, die Zurechnung des Leasinggutes an die Beschwerdeführerin sei schon deshalb vorzunehmen, weil sie laut Leasingvertrag mit der letzten Rate Eigentümerin der Maschine werde.

Der Masseverwalter Mag. P - über das Vermögen der Beschwerdeführerin war mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 8. Februar 2011 der Konkurs eröffnet worden - wandte ein, dass ihm anlässlich der Verhandlungen mit der Leasinggeberin von dieser zugesichert worden sei, dass mit Bezahlung der letzten Leasingrate das zivilrechtliche Eigentum an der Maschine auf die Beschwerdeführerin übergehe.

Das Finanzamt wandte in der Berufungsverhandlung ein, dass die Nutzungsdauer der Maschine 15 Jahre betrage.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nur der wirtschaftliche Eigentümer eines Wirtschaftsgutes könne Investitionszuwachsprämie beantragen. Über die streitgegenständliche Maschine sei ein Leasingvertrag abgeschlossen worden. Wem beim Leasing ein Wirtschaftsgut ertragsteuerlich zuzurechnen sei, richte sich nach den vertraglichen Vereinbarungen des Einzelfalles.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (im Erkenntnis vom 5. Dezember 1972, 2391/71) sprächen folgende Kriterien für einen Kauf und damit eine Zurechnung des Wirtschaftsgutes zum Leasingnehmer:

1. Optionsrecht des Leasingnehmers auf späteren Kauf oder spätere Miete zu einem wirtschaftlich unbedeutenden Entgelt,

  1. 2. Mietdauer im Ausmaß der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer,
  2. 3. Anfertigung des Leasinggegenstandes nach den speziellen Bedürfnissen des Mieters, die eine anderweitige Verwendung nach Ablauf der Vertragsdauer wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheinen lassen.

    Im vorliegenden Fall sei keiner dieser drei Punkte erfüllt:

    1. Dem Leasingvertrag sei kein Recht der Beschwerdeführerin zu entnehmen, das Wirtschaftsgut nach Ablauf der Vertragsdauer weiter als Mieter um einen wirtschaftlich nicht mehr ausschlaggebenden Mietpreis zu nutzen oder um einen bestimmten, einer bloßen Anerkennung gleichkommenden Kaufpreis zu erwerben. Der Leasingvertrag sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden (mit Kündigungsverzicht für 7 Jahre), wobei keine Abmachungen bezüglich "der weiteren Verwendung nach Ablauf des Kündigungsverzichts (günstigere Miete oder allfälliger Kauf)" getroffen worden seien. Jede rechtliche oder faktische Verfügung des Leasingnehmers über das Leasinggut bedürfe der Zustimmung der Leasinggeberin. Unter "5. Sonstiges" sei im Vertrag ausdrücklich festgehalten, dass keine mündlichen Nebenabreden getroffen worden seien. Soweit daher der Vertreter der Beschwerdeführerin vorbringe, sie werde mit Bezahlung der letzten Rate zivilrechtliche Eigentümerin der Maschine, stelle er damit eine Behauptung auf, die keinen Eingang in den Vertrag gefunden habe, sodass der Beschwerdeführerin keine (durchsetzbare) Rechtsposition eingeräumt worden sei.

    2. Die unbefristete Mietdauer entspreche nicht der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 15 Jahren. Selbst wenn man die Zeit des Kündigungsverzichtes (7 Jahre) mit der von der tatsächlichen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Maschine von 15 Jahren vergleiche, ergebe sich keine andere Beurteilung.

    3. Das vermietete Wirtschaftsgut sei nicht so auf die individuellen Bedürfnisse der Beschwerdeführerin zugeschnitten, dass seine anderweitige Verwendung nach Ablauf der Vertragsdauer nicht sinnvoll wäre. Die Beschwerdeführerin habe nicht aufzeigen können, dass die Maschine nicht auch durch andere Fabriken genützt werden könnte. Nach Ansicht der belangten Behörde sei das Wirtschaftsgut aufgrund der Sonderausstattungen für andere Leasingnehmer oder Käufer sogar besonders interessant. Dass die Veräußerung einer derart kostspieligen Maschine nicht so rasch und einfach möglich sei wie der Verkauf eines geleasten KFZ, spiele für die Frage, ob eine anderweitige Verwertung möglich sei, keine Rolle. Wesentlich sei, dass die Maschine auch in anderen Fabriken ohne übertriebenen Aufwand einsetzbar sei.

    Die belangte Behörde gelange daher zur Auffassung, dass die Maschine auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht der Beschwerdeführerin zuzurechnen sei. Daher stehe ihr die beantragte Investitionszuwachsprämie nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Lösung der Frage, ob Leasinggüter dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zuzurechnen sind, entscheidend darauf an, ob die entgeltliche Überlassung des Leasinggutes an den Leasingnehmer gleich einer "echten" Vermietung als bloße Nutzungsüberlassung zu werten ist oder ob sich die Überlassung wirtschaftlich als Kauf (Ratenkauf) darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 2008, 2005/15/0086). Es geht darum, ob der Leasingnehmer mit der Überlassung des Leasinggutes dessen wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2011, 2008/15/0320).

Im hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2011, 2008/15/0320, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass das wirtschaftliche Eigentum dem Leasingnehmer u.a. dann zukommt, wenn neben dem Leasingvertrag eine Vereinbarung zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer getroffen worden ist, dass der Leasingnehmer den Leasinggegenstand am Ende der Vertragslaufzeit um einen bereits bestimmten Kaufpreis erwirbt. Durch den zum Leasingvertrag hinzutretenden Abschluss der Vereinbarung über den Kauf des Wirtschaftsgutes kommen dem Leasingnehmer nicht bloß die Nutzungsmöglichkeit, sondern auch das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung zu.

Im gegenständlichen Fall ist im Leasingvertrag vom 14./18. August 2004 zur "Gefahrtragung" vereinbart, dass die Pflicht zur Bezahlung des vollen Leasingentgeltes von 84 Monatsraten (von je ca. 18.000 EUR) auch durch eine eingeschränkte oder unmögliche Verwendung des Leasinggegenstandes, selbst im Falle von höherer Gewalt, nicht berührt wird. Bei der im Beschwerdefall gegebenen Gestaltung ist es von entscheidender Bedeutung, ob (im Jahr 2004) tatsächlich eine solche Vereinbarung zwischen der Leasinggeberin und der Beschwerdeführerin getroffen worden ist, wie dies von ihr behauptet wird. Ihrem Vorbringen zufolge sei vereinbart gewesen, dass die Maschine nach Ablauf von 7 Jahren (84 monatliche Leasingraten) zum Kaufpreis einer weiteren Rate von ca. 18.000 EUR gekauft sei und damit das Eigentum übergehe (§ 428 ABGB).

Sollte im Jahr 2004 eine solche Vereinbarung getroffen worden sein, käme das wirtschaftliche Eigentum in der Tat der Beschwerdeführerin zu, weil dann nicht nur die Nutzungsmöglichkeit, sondern auch das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung bei ihr gelegen wären.

Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 10. Jänner 2007 führt der Prüfer aus, dass zwischen der Leasinggeberin und der Beschwerdeführerin ein "Rückkaufpreis" für die Maschine in Höhe der letzten Rate "sehr wohl fixiert war". In welcher Weise diese Vereinbarung getroffen worden ist, lässt der Prüfer dabei offen. Im schriftlichen Leasingvertrag findet sich die Vereinbarung jedenfalls nicht.

In seiner Stellungnahme zur Berufung führt der Prüfer sodann eine - in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht enthaltene - Vorhaltsbeantwortung der Leasinggeberin vom 16. November 2006 an. Darin bringe die Leasinggeberin zum Ausdruck, dass sie zwar keine Kaufoption eingeräumt habe, aber dennoch "freiwillig" den Verkauf an die Beschwerdeführerin durchführen werde. Aufgrund welcher Überlegungen aber eine kaufmännisch agierende Leasinggeberin nach zweijähriger Mietdauer meint, sie werde fünf Jahre später eine Maschine mit betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer von 15 Jahren und Anschaffungskosten von 1,5 Mio. EUR um einen Preis von ca. 18.000 EUR "freiwillig" an die Beschwerdeführerin verkaufen, wird nicht erläutert.

Schließlich haben in der Berufungsverhandlung sowohl der Masseverwalter als auch der steuerliche Vertreter den bereits vereinbarten Kauf um den Preis einer weiteren Leasing-Monatsrate eingewendet.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid erkennbar die Feststellung getroffen, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Vereinbarung tatsächlich nicht getroffen worden sei. Sie stützt sich dabei auf den Umstand, dass der schriftliche Leasingvertrag eine derartige Vereinbarung nicht enthält. Diese Beweiswürdigung hält der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand. Schon dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung ist zu entnehmen, dass ein Kaufpreis in Höhe eines bestimmten Betrages vereinbart worden ist, also offenkundig über den schriftlichen Leasingvertrag hinaus Absprachen getroffen worden sind. Schon deshalb vermag der schriftliche Leasingvertrag für sich allein keinen Nachweis für das Fehlen der von der Beschwerdeführerin behaupteten Absprache zu erbringen. Daran ändert die Klausel in Punkt 5. des Leasingvertrages nichts, wonach keine mündlichen Nebenabreden getroffen worden seien, kann doch von einem solchen Formvorbehalt jederzeit einverständlich, auch ohne Einhaltung der Schriftform und nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent, abgegangen werden (vgl. etwa OGH vom 25. April 2012, 7 Ob 54/12k, siehe zu vorausgehenden oder gleichzeitigen Nebenabreden auch RIS-Justiz RS0014378).

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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