VwGH 2011/07/0230

VwGH2011/07/023026.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde

1. des JL und 2. des Ing. HL, beide in M, beide vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 24. August 2011, Zl. 20401-1/42116/7-2011, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §481;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §9 Abs2;
ABGB §481;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. Juni 2011 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Z (BH) den Beschwerdeführern einen wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959.

Den Beschwerdeführern wurde aufgetragen, jeweils die Quellfassungen nördlich und südlich vom sogenannten südlichen S.- Graben für Wasserbenutzungen und die beiden zur Ableitung des entnommenen Wassers (links- und rechtsufrig des südlichen S.- Grabens) "jeweils mit Kunststoffschlauch" und den in einer Entfernung von ca. 50 m von der Quellfassung aufgestellten Kunststoffbehälter (rechtsufrig des S.-Grabens) unverzüglich zu entfernen und den ursprünglichen gesetzlichen Zustand auf Grst. Nr. 361, KG F. wiederherzustellen.

Von der unverzüglichen Durchführung dieser Maßnahmen sei die BH bis spätestens 31. Juli 2011 schriftlich in Kenntnis zu setzen.

In der Begründung verwies die BH auf die am 19. Mai 2011 durchgeführte mündliche Verhandlung. Zudem hielt sie fest, "dass es für die bereits widerrechtlich errichteten Wasserbenutzungsanlagen keine wasserrechtliche Bewilligung/-en, keine Zustimmungserklärung bzw. kein privatrechtliches Abkommen mit … (Vertreter des Grundeigentümers) … gibt und laut Verhandlungsschrift vom 19.5.2011 auch in Zukunft nicht geben wird".

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde. Sie verweisen auf die von ihnen auf der S.-Alm durchgeführte Almbewirtschaftung, für die stets das Wasser aus den verfahrensgegenständlichen Quellen genützt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Bescheid der BH insoweit abgeändert, als sich der wasserpolizeiliche Auftrag nunmehr auf § 138 Abs. 2 WRG 1959 zu stützen habe. Neben dem bereits erteilten wasserpolizeilichen Auftrag wurde den Beschwerdeführern ermöglicht "um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen". Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass im gegenständlichen Verfahren "einzig und allein" zu klären sei, ob die im Bescheid der BH vom 6. Juni 2011 bezeichneten "Quellfassungen" bewilligungspflichtige Maßnahmen im Sinne der einschlägigen Regelungen des WRG 1959 darstellten, und ob gegebenenfalls eine solche wasserrechtliche Bewilligung bestehe.

Da es sich im konkreten Fall um eine Quelle, aus der Wasser auf einem Grundstück zutage trete, handle, liege ein Privatgewässer vor. Die Benutzung privater Tagwässer sei grundsätzlich dem Eigentümer vorbehalten, der jedoch die Ausübung des Gemeingebrauchs durch Dritte unentgeltlich so lange zu dulden habe, als dadurch weder öffentliche noch private Interessen verletzt würden.

Im Verfahren vor der BH sei vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen die Errichtung der Quellfassungen konkret als "wasserbautechnische Anlagen für Wassernutzungen" bezeichnet worden.

Die Fassung und Ableitung einer auf fremdem Grund entspringenden Quelle im Sinne eines "aus einem Grundstück zutage quellenden Wassers" bedürfe einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 9 Abs. 2 WRG 1959, wenn kein privatrechtlicher Titel hiefür vorliege.

Die beiden verfahrensgegenständlichen Quellfassungen (nördlich und südlich vom sogenannten S.-Graben) und die beiden Vorrichtungen zur Ableitung des entnommenen Wassers (Kunststoffschlauch) und der in einer Entfernung von ca. 50 m von der Quellfassung aufgestellte Kunststoffbehälter stellten zweifellos wasserrechtlich bewilligungspflichtige Maßnahmen dar. So befänden sich die beiden Quellfassungen auf einem den Beschwerdeführern "fremden Grundstück".

Im konkreten Fall sei von den Beschwerdeführern "durchaus aufwendig vorgebracht" worden, warum seit Jahrzehnten - ja vielleicht seit über einem Jahrhundert - das Wasser im gegenständlichen Gebiet für die Versorgung der Almwirtschaft verwendet werde. Das "durchaus seriös wirkende und schlüssige Gutachten", mit dem die Beschwerdeführer nachzuweisen versuchten, dass "seit dem Jahr 1963 Wasser von den Quellen im Bereich des südlichen S.-Grabens auf dem GN 361, KG F., für die Almwirtschaft abgeleitet" werde, könne jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Schlussfolgerung, es sei daher "davon auszugehen, dass eine rechtmäßige Nutzung dieser Quellen bereits ersessen" worden sei, einem massiven Rechtsirrtum unterlägen.

Das österreichische Verwaltungsrecht, also auch das Wasserrecht, kenne das Rechtsinstrument der Ersitzung nicht. Die einzige Möglichkeit, einen wasserpolizeilichen Auftrag der Behörde zu verhindern bzw. den bekämpften Auftrag zu beseitigen, wäre die Vorlage von wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden für die beiden Quellfassungen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 2 WRG 1959 bedarf die Benutzung der privaten Tagwässer sowie die Errichtung oder Änderung der hiezu dienenden Anlagen dann einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn hierdurch auf fremde Rechte oder infolge eines Zusammenhanges mit öffentlichen Gewässern oder fremden Privatgewässern auf das Gefälle, auf den Lauf oder die Beschaffenheit des Wassers, namentlich in gesundheitsschädlicher Weise, oder auf die Höhe des Wasserstandes in diesen Gewässern Einfluss geübt oder eine Gefährdung der Ufer, eine Überschwemmung oder Versumpfung fremder Grundstücke herbeigeführt werden kann.

Nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 hat in allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

Wie schon in der Berufung führen die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde aus, dass auf der verfahrensgegenständlichen Alm bereits "seit urdenklichen Zeiten" eine Almbewirtschaftung bestünde, die zumindest seit 1802 auch urkundlich nachgewiesen sei. Im Jahr 1852 habe sich die Alm, wie dem Grundbuch zu entnehmen sei, im Privateigentum befunden. Dies gelte im Besonderen auch für den "oberen Teil", auf dem sich die hier gegenständlichen Quellen befänden. Der nördliche Teil mit den Quellen sei am 16. Juli 1852 vom k.k. Ärar dem damaligen Eigentümer gleichsam "abgepresst" worden. Weder habe eine rechtmäßige Enteignung durch Bescheid noch sonst eine rechtsgültige Übertragung durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung stattgefunden. Für den "Eigentumserwerb" habe schon damals keinerlei gesetzliche Grundlage bestanden. Unter dem Vorwand von tatsächlich niemals bestehenden Grenzstreitigkeiten berufe sich die nunmehrige Eigentümerin darauf, dass damals ein "Vergleich" betreffend die hier gegenständlichen Grundstücke abgeschlossen worden sei. Tatsächlich habe sich die verfahrensgegenständliche Alm damals im Privateigentum befunden, was einerseits durch einen Kaufvertrag aus dem Jahr 1824 bewiesen sei und andererseits auch dem Grundbuch entnommen werden könne, zumal dort immer Privateigentümer eingetragen gewesen seien.

Da die Almwirtschaft weiterhin bestanden habe, müssten die verfahrensgegenständlichen Quellen auch seit dem Jahr 1852 für die Bewirtschaftung der Alm genutzt worden sein. Ein Nutzungsrecht habe somit bereits vor Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes bestanden. Auch habe eine Ersitzung stattgefunden, zumal im - den Verwaltungsakten zuliegenden - Protokoll des k.k. Ärar vom 16. Juli 1852 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass bestehende Rechte durch die "Eigentumsübertragung" nicht beeinträchtigt würden.

Jedenfalls im Jahr 1963 sei die Wasserversorgung der verfahrensgegenständlichen Alm mit einer Rohrverlegung erneuert worden. Dies könne durch Zeugenaussagen und durch einen Eintrag im Kassabuch des ehemaligen Eigentümers der verfahrensgegenständlichen Alm bewiesen werden. Ohne die gegenständlichen Quellen wäre die Bewirtschaftung der Alm auch zwischen 1852 und 1963 nicht möglich gewesen.

Die Beschwerdeführer behaupten somit über einen - durch Ersitzung erworbenen - Privatrechtstitel zur Nutzung der verfahrensgegenständlichen Quellen zu verfügen. Diese Behauptung erweist sich jedoch - entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde - nicht als für das vorliegende Verfahren zur Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages unerheblich.

Werden nämlich fremde Liegenschaften auf der rechtlichen Grundlage eines Privatrechtstitels benutzt, was die Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren behaupten, dann wurde auf fremde Rechte im Sinne des § 9 Abs. 2 WRG 1959 Einfluss nicht durch die Benutzung der privaten Tagwässer und die Errichtung der hierzu dienenden Anlagen, sondern lediglich durch diesen Privatrechtstitel geübt, was es nicht mehr rechtfertigte, eine Bewilligungsbedürftigkeit der verfahrensgegenständlichen Anlage auf Grund von § 9 Abs. 2 WRG 1959 zu erkennen. Der belangten Behörde oblag daher eine Prüfung des rechtmäßigen Bestandes dieses von den Beschwerdeführern behaupteten Privatrechtstitels, da die Bewilligungspflicht der gegenständlichen Anlage in dem nach § 138 WRG 1959 geführten Verfahren zu beurteilen war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juli 1994, Zl. 92/07/0085, vom 25. Oktober 1994, Zl. 92/07/0098, und vom 23. Mai 2002, Zl. 2002/07/0037).

Auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht hat die belangte Behörde diese Ermittlungen unterlassen.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf die von den beschwerdeführenden Parteien geltend gemachte Umsatzsteuer, deren Ersatz im pauschalierten Kostenersatz bereits enthalten ist.

Wien, am 26. Jänner 2012

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