VwGH 2011/06/0134

VwGH2011/06/013412.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der N-GesmbH in X, vertreten durch die Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG in 7000 Eisenstadt, Blumengasse 5, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 11. Juli 2011, Zl. ND- 02-04-141-1-2011, betreffend die Abweisung eines Baugesuches (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Neusiedl/See, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12; weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
BauG Bgld 1997 §3 Z4;
AVG §52;
BauG Bgld 1997 §3 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 5. November 2007 langte bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde ein Ansuchen der Beschwerdeführerin (Bauwerberin) auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines hinterleuchteten Wechselwerbeträgers auf Betonfundament mit eigener Stromversorgung sowie eines zugehörigen Zählerplatzes ein. Laut Bauansuchen soll der Werbeträger an der Eisenstädter Straße errichtet werden; die Werbefläche soll 3,48 m breit x 2,64 m hoch und auf einem 2,60 m hohen Fuß montiert sein, der seinerseits in einem Betonfundament verankert ist.

In der mündlichen Verhandlung äußerte die Baubehörde Bedenken gegen das Bauvorhaben und begründete dies unter Vorlage eines Gutachtens der R C vom April 2008 damit, dass Dipl. Ing. S. darin zu dem Ergebnis gelangt sei, das gegenständliche Bauvorhaben stelle eine wesentliche Störung des Stadtbildes im Sinn des § 3 Z 4 Burgenländisches Baugesetz (Bgld. BauG) dar. Die Bauwerberin vertrat eine gegenteilige Ansicht und kündigte die Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme eines gerichtlich beeidigten Sachverständigen an.

Nach Übergang der Zuständigkeit aufgrund eines Devolutionsantrages der Bauwerberin vom 12. September 2008 versagte der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 23. März 2009 die Bewilligung für die Errichtung der gegenständlichen Plakatwechselanlage und stützte sich in der Begründung auf das Gutachten von Dipl. Ing. S. vom April 2008.

In der dagegen eingebrachten Vorstellung kritisierte die Bauwerberin das Gutachten von Dipl. Ing. S. und kündigte die Vorlage eines Gutachtens von Dr. F. innerhalb von vier Wochen an.

Mit Schreiben vom 20. Mai 2009 übermittelte die Bauwerberin das Gutachten von Dr. F. Darin führte dieser - unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 98/06/0163, - u. a. aus, ein Ortsbild (oder Ortsteilbild), das ein Mindestmaß an gemeinsamer Charakteristik (wenn auch nicht vollständiger Einheitlichkeit) aufweise, bilde den notwendigen Maßstab dafür, ob ein Bauvorhaben dieses Ortsbild beeinträchtige. Fehle ein solcher Zusammenhang, sodass ein Bauvorhaben geradezu beliebig in einem Belang als störend, in anderen Belangen jedoch als sich einfügend empfunden werden könne, sei mangels eines geeigneten Beurteilungsmaßstabes kein schützenswertes Ortsbild gegeben. Im Bereich des geplanten Standortes gebe es keine einheitliche Gestaltung, weder architektonischer noch landschaftlicher Natur, wie die von Dipl. Ing. S. erstellten Fotos zeigten. Von einer Beeinträchtigung des Landschaftscharakters sowie des Ortsbildcharakters könne daher nicht gesprochen werden.

Mit Schreiben vom 23. September 2009 hob die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (BH) den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 23. März 2009 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diesen, weil das Gutachten von Dipl. Ing. S. zu allgemein gehalten sei, sich vor allem auf die baulichen Voraussetzungen beziehe und sich seine Beurteilung der Ortsbildbeeinträchtigung auf unrichtige Daten stütze.

Dipl. Ing. S. erstattete sodann im Februar 2010 ein neues Gutachten zum Bauvorhaben "Plakatwechselanlage", in dem er wörtlich Folgendes ausführte:

"1 ANLASSFALL, AUFGABENSTELLUNG

Die Fa. N-GesmbH hat bei der Stadtgemeinde Neusiedl am See am 5.11.2007 um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer hinterleuchteten Plakatwechselanlage auf dem Grundstück Nr. 1509 (nächst Eisenstädter Straße ON 81) angesucht.

Da in weiterer Folge in der Stadtgemeinde Neusiedl am See mehrere Bauansuchen zur Errichtung von hinterleuchteten Plakatwechselanlagen eingebracht wurden, hat die Stadtgemeinde die Fa. R C ZT GmbH mit der Erstellung eines Stadtbildgutachtens beauftragt, mit dem die Wirkungen von Plakatwechselanlagen auf das Stadtbild und die Stadtgestalt im Allgemeinen (bezogen auf die Straßenzüge Wiener Straße, Eisenstädter Straße, Obere und Untere Hauptstraße, Hauptplatz und Seestraße im Generellen) geprüft und beurteilt werden sollen. Mit diesem Gutachten wurden die Plakatwechselanlagen entsprechend der beabsichtigen Größenordnung einerseits als nicht stadtbild- und landschaftsbildverträglich und andererseits als nicht zielkonform gegenüber den Festlegungen des Managementplan der UNESCO-Welterbezone 'Kulturlandschaft Fertö/Neusiedler See' beurteilt

Auf Grundlage dieses Gutachtens hat die Stadtgemeinde Neusiedl am See den o.a. Antrag auf Errichtung der Plakatwechselanlage abgelehnt.

Die Bauwerberin hat in weiterer Folge ein Privatgutachten vorgelegt, mit dem das Bauvorhaben als stadtbildverträglich beurteilt wurde.

Nunmehr soll im Auftrag der Stadtgemeinde Neusiedl am See mit dem ggst. Gutachten geprüft werden, ob für die eingereichte Plakatwechselanlage am konkreten Standort nächst Eisenstädter Straße ON 81 eine Verträglichkeit mit dem vorhandenen Stadt- und Landschaftsbild gegeben ist.

2 GRUNDLAGEN

3.1 Einreichprojekt

Die eingereichte Plakatwechselanlage verfügt über eine hinterleuchtete, beidseitig sichtbare Werbetafel von ca. 2,64 m x 3,48 m (Höhe x Breite), gefußt auf einer Stahlsäule mit einer Höhe von ca. 2,60 m. Demzufolge erreicht das Bauwerk eine Gesamthöhe von ca. 5,24 m. Die Plakatwechselanlage wird auf einem massiven Stahlbetonfundament inkl. Stützmauer und Geländer errichtet. Die Grundoberfläche des Fundaments erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 3,00 m x 3,50 m. Für den elektrischen Anschluss ist darüber hinaus die Errichtung eines Kabelkastens mit Zählerplatz erforderlich.

Die Positionierung der Plakatwechselanlage erfolgt quer zum Straßenverlauf.

3.2 Realbestand im Bereich des geplanten Standortes

Vom geplanten Aufstellungsstandort stadteinwärts betrachtet, endet derzeit die beidseitig entlang der Eisenstädter Straße verlaufende, großteils in geschlossener Bauweise ausgeführte, eingeschoßige Bebauung in einer Distanz von ca. 25 m. Die Traufenhöhe des nächstgelegenen Wohngebäudes liegt bei 4,40 m. Die stadtauswärts liegenden Giebelseiten der Gebäude werden für Werbezwecke beansprucht.

Vom geplanten Aufstellungsstandort stadtauswärts betrachtet, befindet sich in einer Distanz von ca. 31 m die Florianikapelle (Traufenhöhe: 4,60 m) mit begleitenden Baumbestand. Die Florianikapelle steht gemäß Verordnung des Bundesdenkmalamtes vom 28. November 2000 unter Denkmalschutz.

Der Straßenquerschnitt liegt im Bereich des geplanten Plakatwechselanlage bei ca. 16,40 m (gemessen von den äußeren Gehsteigkanten).

Der derzeit noch unbebaute Bereich um den geplanten Aufstellungsstandort ist gemäß dzt. geltenden Flächenwidmungsplan als 'Bauland - Dorfgebiet' (BD) und der Bereich vis-a-vis der Eisenstädter Straße ist als 'Bauland Wohngebiet' (BW) bzw. als 'Bauland - Gemischtes Baugebiet' (BM) gewidmet. Bei allen angeführten Widmungskategorien ist gemäß § 14 Bgld. Raumplanungsgesetz idgF die Wohnnutzung zulässig.

Im vis-a-vis-Bereich der Eisenstädter Straße befinden sich auf den derzeit unbebauten, jedoch für Einfamilienhausbebauung vorgesehenen Baugrundstücken drei großflächige Werbetafeln in Leichtbauweise.

4 BEURTEILUNG UND GUTACHTEN

4.1 Beurteilung des Bauwerks

Auf Grund der Tatsache, dass das Bauwerk eine Gesamthöhe von 5,24 m beträgt, liegt es somit deutlich über der Traufenhöhe eines eingeschossigen Wohngebäudes (4,40 m).

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Plakatwechselanlage aufgrund der massiven Stahlbetonfundierung und des erforderlichen elektrischen Anschlusses als ein Bauwerk mit längerfristigen Bestand einzustufen ist.

Sowohl durch die Maßstäblichkeit als auch durch die Positionierung der Werbeanlage quer zum Straßenverlauf ist eine deutliche Wahrnehmung im Straßenraum gegeben, welche im Gegensatz zu dem großteils längsverlaufenden Erscheinungsbildes im Bereich der Eisenstädter Straße steht und somit geeignet erscheint des vorhandene Stadtbild negativ zu beeinflussen.

4.2 Beurteilung im Hinblick auf das vorhandene Stadtbild im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Bgld. Baugesetzes

Bei der Bewertung des Orts- und Landschaftsbildes bzw. dessen Beeinträchtigung sind in der ggst. Beurteilung folgende wesentliche Tatsachen zu bewerten:

4.3 Beurteilung im Hinblick auf die UNESCO-Welterbe-Zielsetzungen

Parallel zum ggst. Gutachten wurde das Bauvorhaben auch entlang der 'Kriterien für das Bauen im Welterbe Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See' geprüft und beurteilt ('Bauen im Welterbe Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See, Projektbeurteilung Plakatwechselanlage, Neusiedl am See, Eisenstädter Straße"; Verfasser: R C ZT GmbH; im Auftrag der Stadtgemeinde Neusiedl am See, 12. Februar 2010).

Entsprechend dieser Prüfung wird das vorliegende Projekt als nicht im Einklang mit den Interessen des Welterbe beurteilt.

4.4 Beurteilung im Hinblick auf die Bestimmungen des Bgld. Raumplanungsgesetzes

Unabhängig von den beurteilten Wirkungen der Plakatwechselanlage auf das Stadtbild wird darauf hingewiesen, dass gemäß den im dzt. geltenden Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungskategorien im unmittelbaren Umfeldbereich der geplanten Plakatwechselanlage Wohnnutzung zulässig ist.

Demzufolge wird die mögliche visuell/optische Beeinträchtigung einer hinterleuchteten Plakatwechselanlage vor allem zu Nicht-Tageslichtzeiten in Hinblick auf eine am Standort zulässige Wohnnutzung als konfligierend beurteilt.

4.5 Zusammenfassende Beurteilung und Empfehlung

Zusammenfassend wird festgestellt, dass mit der geplanten Plakatwechselanlage in der beabsichtigten Größenordnung und Positionierung eine wesentliche Störung des Stadtbildes i.S. § 3 Zl. 4 Bgld. Baugesetz verursacht wird.

Die Projektabsicht kann zudem am Standort selbst wie auch in dessen Umfeld zu Nutzungskonflikten mit dem dzt. geltenden Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Neusiedl am See führen.

Unabhängig von den beurteilten Wirkungen der Plakatwechselanlage auf das Stadtbild wird darauf hingewiesen, dass gemäß den im dzt. geltenden Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungskategorien im unmittelbaren Umfeldbereich der geplanten Plakatwechselanlage Wohnnutzung zulässig ist. Die mögliche visuell/optische Beeinträchtigung einer hinterleuchteten Plakatwechselanlage vor allem zu Nicht-Tageslichtzeiten wird in Hinblick auf eine am Standort zulässige Wohnnutzung als konfligierend beurteilt.

Parallel dazu befindet sich der Siedlungsraum der Stadtgemeinde Neusiedl am See innerhalb der UNESCO-Welterbezone 'Kulturlandschaft Fertö/Neusiedler See'. Das geplanten Bauvorhaben wurde in einer gesonderten Prüfung ('Bauen im Welterbe Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See, Projektbeurteilung Plakatwechselanlage, Neusiedl am See, Eisenstädter Straße'; Verfasser: R C ZT GmbH; im Auftrag der Stadtgemeinde Neusiedl am See, 12. Februar 2010) entlang der 'Kriterien für das Bauen im Welterbe Kulturlandschaft Fertö-Neusiedler See' geprüft. Entsprechend dieser Prüfung wird das vorliegende Projekt als nicht im Einklang mit den Interessen des Welterbe beurteilt.

Aus den o.a. Erwägungsgründen wird die geplante Plakatwechselanlage am ggst. Standort als nicht stadtbildverträglich beurteilt.

Der Stadtgemeinde Neusiedl wird darüber hinaus empfohlen, für die Beurteilung des ggst. Bauansuchens den für das Welterbegebiet installierten Gestaltungsbeirat einzubeziehen."

In ihrer Stellungnahme vom 16. August 2010 stellte die Bauwerberin die Objektivität, Gewichtung, Erfahrung und Kompetenz von Dipl. Ing. S. in Frage und verwies auf das von ihr vorgelegte Gutachten von Dr. F. Sie warf Dipl. Ing. S. eine Voreingenommenheit gegen die beantragte Plakatwechselanlage und eine Vorwegnahme der Entscheidung hinsichtlich der Ortsbildverträglichkeit, welche der Behörde zustehe, vor.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. Dezember 2010 wurde der Antrag der Bauwerberin auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer hinterleuchteten Plakatwechselanlage gemäß § 3 Z 4 Bgld. BauG neuerlich abgewiesen. Begründet wurde dies mit dem Gutachten von Dipl. Ing. S. vom Februar 2010; auf das von der Bauwerberin vorgelegte Gutachten von Dr. F. sowie deren Stellungnahme vom 16. August 2010 ging die Behörde mit keinem Wort ein.

In ihrer Vorstellung vom 19. Jänner 2011 wiederholte die Bauwerberin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und verwies neuerlich auf das Gutachten von Dr. F.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Nach Ausführungen über die Rechtzeitigkeit des eingebrachten Rechtsmittels, die nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof sind, führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 3 Bgld. BauG und das Gutachten von Dipl. Ing. S. vom Februar 2010 aus, in diesem ergänzend eingeholten Gutachten sei schlüssig der Bestand in unmittelbarer Nähe zum geplanten Aufstellungsort beurteilt und gutachterlich gewürdigt worden. Im Hinblick auf die geplante Höhe der Plakatwechselanlage sowie deren Beleuchtung erscheine die Beurteilung anhand der umliegenden Wohngebäude schlüssig und nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der in der Natur bestehenden Objekte (vor allem eingeschossiger Gebäude sowie einfacher, niedrigerer und unbeleuchteter Plakatwände) stehe das geplante Vorhaben mit dem vorhandenen Bestand nicht im Einklang. Wenn der Gutachter der Beschwerdeführerin einwende, dass es in unmittelbarer Nähe auch mehrgeschossige Wohnhäuser gebe, werde auf die Fotos verwiesen, wonach es sich nicht um mehrgeschossige Häuser in unmittelbarer Nähe handle, sondern um bereits weiter entfernte Straßenzüge, deren Beurteilung für das Ortsbild in der Nähe des geplanten Aufstellungsortes nicht mehr ausschlaggebend sein könne; dabei sei vom unmittelbaren Umfeld auszugehen. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hätten auch die bereits vorhandenen Werbetafeln sowohl auf der Fotodokumentation als auch in der Beschreibung des Realbestandes ins Gutachten von Dipl. Ing. S. Eingang gefunden. Zusammenfassend werde somit festgestellt, dass die Errichtung der hinterleuchteten Plakatwechselanlage am geplanten Standort dem vorhandenen Ortsbild widerspreche und daher die Abweisung des gegenständlichen Antrages wegen Widerspruchs zu § 3 Bgld. BauG zu Recht erfolgt sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt - ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Bgld. Baugesetz, LGBl. Nr. 10/1998, in der Fassung LGBl. Nr. 53/2008 anzuwenden. Dessen § 3 lautet:

"§ 3

Zulässigkeit von Bauvorhaben

(Baupolizeiliche Interessen)

Bauvorhaben sind nur auf für die Bebauung geeigneten

Grundstücken zulässig, wenn sie

4. das Orts- oder Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigen,

…"

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst - wie schon im Verwaltungsverfahren - unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung und Literaturmeinungen, im gegenständlichen Fall liege kein schutzwürdiges Ortsbild vor, weil kein Mindestmaß an gemeinsamer Charakteristik gegeben sei, an dessen Maßstab eine mögliche Beeinträchtigung des Ortsbildes gemessen werden könne. Die dem Bauvorhaben unmittelbare Umgebung bilde weder eine baukulturelle Einheit noch ein einheitliches Erscheinungsbild, sondern sei vielmehr als stilistisch und gestalterisch heterogen zu bezeichnen. Der geplante Standort sei einerseits von einer Vielzahl von vorhandenen Werbetafeln und auch zu Werbezwecken genutzten Gebäudewänden, andererseits vom Wohngebiet mit ein- oder mehrgeschossigen Wohnhäusern geprägt. Die geforderte Einheitlichkeit des Bestandes liege nicht vor. Mangels Vorliegens eines schützenswerten Ortsbildes könne eine erhebliche Störung desselben nicht gegeben sein. Das von der Behörde eingeholte Sachverständigengutachten sei nicht geeignet, die erforderliche gemeinsame Charakteristik des den Standort umgebenden Bereiches darzulegen, sondern erschöpfe sich in der Aufzählung einzelner Charakteristika der Umgebung, ohne jedoch einen eine kulturelle Einheit darstellenden Bestand auszuweisen. Darüber hinaus habe sich die belangte Behörde im Rahmen des angefochtenen Bescheides auch nicht mit den vorliegenden divergierenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt. Ein wesentlicher Unterschied der vorliegenden Gutachten bestehe darin, dass Dr. F. zum Ergebnis gelangt sei, im Bereich des geplanten Standortes gebe es keine einheitliche Gestaltung, weder architektonischer noch landschaftlicher Natur. Mit diesem Einwand habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt, weshalb das der Entscheidung zugrunde liegende Verfahren mangelhaft sei.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Sachverständige Dipl. Ing. S. - trotz entsprechenden Vorbringens in Form des Gutachtens von Dr. F. - auch in seinem zweiten Gutachten vom Februar 2010 nicht nachvollziehbar dargelegte, inwieweit dem Ortsbild ein Mindestmaß an gemeinsamer Charakteristik (wenn auch nicht vollständiger Einheitlichkeit) eigen ist, woran zu messen ist, ob ein Bauvorhaben dieses Ortsbild erheblich beeinträchtigt, ob also ein der Bautradition entsprechender und eine kulturelle Einheit bildender Bestand gegeben ist (vgl. dazu die in Pallitsch/Pallitsch, Burgenländisches Baurecht, zweite Auflage, § 3 Bgld. BauG, E 11 ff zitierte hg. Judikatur). Auch wenn das Vorhandensein einzelner störender Objekte noch nicht dazu führen kann, dass ein weiterer Eingriff in das Ortsbild nicht mehr als störend angesehen werden kann (vgl. dazu die in Pallitsch/Pallitsch, a.a.O., § 3 Bgld. BauG, E 32b zitierte hg. Judikatur), bzw. auch eine nicht völlige Einheitlichkeit des gegebenen Stadtbildes der Behörde nicht die Möglichkeit verwehrt, einer mit der Bauführung verbundenen weiteren Störung desselben entgegenzutreten (vgl. dazu die in Pallitsch/Pallitsch, § 3 Bgld. BauG, E 21 zitierte hg. Judikatur), wurde im vorliegenden Fall vom Sachverständigen Dipl. Ing. S. nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ein schutzwürdiges Ortsbild vorhanden ist. Darauf wäre jedoch auf Grund der diesbezüglichen Ausführungen im Gutachten von Dr. F. einzugehen gewesen.

Aus den beiden Gutachten von Dipl. Ing. S. vom April 2008 und Februar 2010 geht auch nicht hervor, auf Grund welcher Kriterien und bis zu welcher Entfernung er die Straßenzüge Wiener Straße, Eisenstädter Straße, Obere und Untere Hauptstraße, Hauptplatz und Seestraße für die Beurteilung der Ortsüblichkeit als relevant heranzog. Unklar ist auch, in welcher Entfernung sich die in der Fotodokumentation des Gutachtens von Dr. F. abgebildeten mehrgeschossigen Wohnhäuser befinden. Dipl. Ing. S. führte in seinem Gutachten vom April 2008 zum Bereich Eisenstädter Straße selbst aus, dass die Gebäudehöhen in Zentrumsnähe bei durchschnittlich zwei Geschoßen lägen und sich in Richtung Ortsende auf ein Geschoß reduzierten. Da eine weitere Abgrenzung des Untersuchungsraumes durch Dipl. Ing. S. nicht vorgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass er die gesamte Eisenstädter Straße - und somit auch den Abschnitt mit durchschnittlich zweigeschossigen Gebäuden - als unmittelbare Umgebung des Bauvorhabens heranzog. Die belangte Behörde führt dazu lediglich aus, bei den im Gutachten von Dr. F. abgebildeten mehrgeschossigen Häusern handle es sich um solche in "weiter entfernte(n) Straßenzügen, deren Beurteilung für das Ortsbild in der Nähe geplanten Aufstellungsortes nicht mehr ausschlaggebend sein" könne. Um welche Entfernung es sich dabei handelt und aus welchen Gründen diese für die Beurteilung nicht ausschlaggebend seien, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor.

Es kommt bei der Frage der Störung des Ortsbildes nicht darauf an, wie viele andere Werbetafeln sich in der näheren Umgebung befinden. Zu beurteilen ist ausschließlich die von der konkreten Werbetafel ausgehende Störung im Verhältnis zum Gesamteindruck des - allenfalls vorhandenen - Orts- und Landschaftsbildes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 93/06/0229, ergangen zum Salzburger Ortsbildschutzgesetz). Die Beurteilung des gegenständlichen Bauvorhabens anhand des Managementplanes der "Welterbe Kulturlandschaft Fertö/Neusiedler See", wie von Dipl. Ing. S. ebenfalls vorgenommen, ist kein Kriterium des § 3 Z. 4 Bgld. BauG.

Das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. S. erscheint daher aus den oben genannten Gesichtspunkten ergänzungsbedürftig.

Da die belangte Behörde die Mängel des der Entscheidung der Baubehörde zugrunde gelegten Gutachtens verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien,am 12. November 2012

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