VwGH 2011/04/0180

VwGH2011/04/01802.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. August 2011, Zl. IIa-53006-11/1, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
ASVG §111;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Bodenleger gemäß § 94 Z 7 GewO 1994, eingeschränkt auf Estrichverlegung" gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994.

Zur Begründung führte sie aus, gegen den Beschwerdeführer lägen insgesamt zehn - nach Datum der Entscheidungen, Aktenzahlen und verletzten Verwaltungsvorschriften näher bezeichnete - rechtskräftige Straferkenntnisse vor. Vier (richtig: fünf) Straferkenntnisse beträfen Verstöße gegen § 111 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG); fünf Straferkenntnisse hätten Verstöße gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 (lit. a) Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zum Inhalt. Diese Verstöße seien als "schwerwiegend" im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 zu beurteilen. Bei dem Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG hiezu nicht berechtigten Arbeitnehmern handle es sich um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm, deren Einhaltung der Gesetzgeber ein besonders großes Gewicht beigemessen habe. Dies ergebe sich schon aus den für die diesbezüglichen Übertretungen vorgesehenen relativ hohen (Mindest-)Strafdrohungen. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers bedürfe es bei der Prüfung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erfüllt sei, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers, weil sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes aus der zwingenden Rechtsvermutung der in dieser Bestimmung genannten schwerwiegenden Verstöße ergebe. Zu den Versuchen des Beschwerdeführers, diese Verstöße zu rechtfertigen, führte die belangte Behörde aus, sie sei diesbezüglich an die rechtskräftigen Straferkenntnisse gebunden. Auch mit dem Vorbringen, ein Gewerbeentzug gefährde seine eigene bzw. die wirtschaftliche Existenz seiner Familie und seiner Arbeitnehmer, sei für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil diese Gesichtspunkte im Entziehungsverfahren keine rechtliche Relevanz hätten. Sofern der Beschwerdeführer eine befristete Entziehung der Gewerbeberechtigung beantrage, werde von ihm nicht dargelegt, dass abweichend von den Annahmen der ersten Instanz besondere Gründe gegeben wären, die erwarten ließen, dass eine bloß befristete Maßnahme ausreiche, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Beschwerdeführers zu sichern. Nur der Vollständigkeit halber sei zu erwähnen, dass durch die darüber hinaus begangenen Verwaltungsübertretungen nach dem ASVG das öffentliche Interesse an der fristgerechten Anmeldung von Arbeitnehmern beim zuständigen Träger der Krankenversicherung und an der damit verbundenen sozialen Absicherung der betreffenden Arbeitskraft in erheblichem Maße geschädigt worden sei. Der objektive Unrechtsgehalt dieser Übertretungen sei selbst beim Ausbleiben sonstiger nachteiliger Folgen nicht unerheblich. Da im konkreten Fall jedenfalls von schwerwiegenden Verstößen gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen auszugehen sei, sei die geforderte Zuverlässigkeit des Beschwerdeführers nicht (mehr) gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Gemäß § 87 Abs. 1 letzter Absatz GewO 1994 sind Schutzinteressen gemäß Z. 3 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.

2. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 vor allem aufgrund mehrerer (fünf) rechtskräftiger Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a (iVm § 3 Abs. 1) AuslBG als erwiesen angenommen.

Der Beschwerdeführer bestreitet seine rechtskräftige Bestrafung wegen dieser Delikte nicht. Soweit er in der vorliegenden Beschwerde Einwände gegen die Erfüllung der diesen Straferkenntnissen zugrunde liegenden Tatbestände, die angebliche Verjährung einzelner Delikte und behauptete Verfahrensmängel im Verwaltungsstrafverfahren geltend macht, ist ihm entgegen zu halten, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung in Bindung an die rechtskräftigen Straferkenntnisse zu treffen hatte. Damit hatte sie auch nicht in Frage zu stellen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen schuldhaft begangen hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2010, Zl. 2009/04/0303, mwN). Insofern ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde diesbezüglich kein weiteres Ermittlungsverfahren geführt hat.

3. In der Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer geltend, die Gewerbebehörde hätte nur dann mit Entziehung der Gewerbeberechtigung vorgehen dürfen, wenn das aus den begangenen Delikten zu gewinnende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers erwarten ließe, er werde auch in Zukunft bei Ausübung der gewerblichen Tätigkeit gegen die im Zusammenhang mit dem Gewerbe zu beachtenden öffentlichen Interessen verstoßen. Fallbezogen sei dies zu verneinen. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Übertretungen beträfen jeweils M. A., einen Asylwerber aus A, den der Beschwerdeführer im Jahr 2006 kennengelernt und dem er zu helfen versucht habe. Seit 17. Februar 2010 habe der Beschwerdeführer keinen Kontakt mehr zu M. A.; über einen anderen Asylwerber habe er erfahren, dass M. A. Österreich verlassen habe. Mit dem Abbruch des Kontaktes zu M. A. und dessen Ausreise aus Österreich seien weitere Übertretungen des AuslBG und des ASVG durch den Beschwerdeführer auszuschließen. Neben M. A. sei noch E.

G. am 14. Februar 2007 beim Beschwerdeführer als Schwarzarbeiter nach dem AuslBG betreten worden. Dabei handle es sich um einen Kollegen des M. A., der diesen damals begleitet habe und der dem Beschwerdeführer völlig unbekannt gewesen sei. Bei M-K. G. (der am 11. März 2008 betreten worden sei) handle es sich um einen Verwandten, der einen Zugang zum Arbeitsmarkt habe, den der Beschwerdeführer jedoch versehentlich nicht angemeldet habe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine inhaltliche Rechtswidrigkeit auf:

Ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers um "schwerwiegende Verstöße" im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 handelt, ist danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich wiederholt mit Entziehungen von Gewerbeberechtigungen im Gefolge von Verstößen gegen das AuslBG zu beschäftigen gehabt. Zuletzt hat er in seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2007/04/0222, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt, dass der Einhaltung von Normen zur Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung vom Gesetzgeber großes Gewicht beigemessen wird. Daraus ergibt sich, dass bei den in Rede stehenden Übertretungen des AuslBG die "Art der verletzten Schutzinteressen" für ein Vorliegen schwerwiegender Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 spricht. Ob auch unter dem Gesichtspunkt der "Schwere" der Verletzung dieser Schutzinteressen von der Erfüllung des letztgenannten Tatbestandes auszugehen ist, ist anhand der rechtskräftigen Straferkenntnisse zu beurteilen. Schwere Verletzungen in diesem Sinn wurden etwa dann angenommen, wenn die Verstöße trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich zwar insofern als mangelhaft, als er keine näheren Feststellungen zu den der Bestrafung zugrunde liegenden Tathandlungen, insbesondere auch zu den Tatzeitpunkten, enthält. Die Beschwerde zieht aber nicht in Zweifel, dass den Bestrafungen wiederholte Übertretungen des AuslBG zugrunde lagen. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe durch die illegale Beschäftigung seinem Bekannten lediglich helfen wollen, ändert an der Schwere des Verstoßes im Übrigen nichts. Es kann der belangten Behörde daher im Ergebnis nicht entgegen getreten werden, wenn sie fallbezogen von "schwerwiegenden Verstößen" im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ausging, die eine Entziehung der Gewerbeberechtigung rechtfertigen.

Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als Rechtsvermutung aus den - unstrittig nicht getilgten -

schwerwiegenden Verstößen ergibt, bedarf es bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erfüllt ist, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/04/0137, und das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2009/04/0303). Deshalb ist es auch irrelevant, ob vom Beschwerdeführer fallbezogen zu erwarten ist, dass er in Zukunft gleichartige Delikte begehen wird.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten wirtschaftlichen Folgen der Entziehung seiner Gewerbeberechtigung sind für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit nach § 87 Abs. 1 GewO 1994 nicht maßgeblich (siehe auch dazu etwa das zitierte Erkenntnis Zl. 2009/04/0303, mwN).

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am 2. Februar 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte