VwGH 2011/01/0222

VwGH2011/01/022219.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des S O in I, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Mai 2011, Zl. Ia-22.101/31-2011, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610.60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. September 2004 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 Abs. 1 iVm. 19 Abs. 2 StbG 1985 idgF. und § 1 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsverordnung 1985, BGBl. Nr. 329/1985 idgF. sowie gem. § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG 1985 idgF." ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer sei auf Grund seines Antrages vom 27. September 2004 mit Bescheid vom 18. Februar 2005 gemäß § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (idF. BGBl. I Nr. 124/1998) die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 1. März 2005 verliehen worden.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. März 2009 sei das Verleihungsverfahren (des Beschwerdeführers) gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 3 AVG wegen Erschleichung des Verleihungsbescheides von Amts wegen wieder aufgenommen worden. Der (nunmehr) angefochtene Bescheid vom 12. Mai 2011 werde im wieder aufgenommenen Verleihungsverfahren erlassen. Der Beschwerdeführer sei am 1. März 2000 in das Bundesgebiet eingereist. Seine Identität (S K O aus U/Nigeria oder S K aus M/Uganda) könne nicht festgestellt werden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. November 2007 (Zl. 35 Hv 189/2007z) sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes (§ 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall iVm Abs. 2 SMG) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, verurteilt worden. Der unbedingte Teil dieser Freiheitsstrafe sei am 30. November 2007 vollzogen worden. Die Tilgung der "Freiheitsstrafe" (gemeint: Verurteilung) werde fünf Jahre nach dem Vollzug, sohin am 30. November 2012 eintreten.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, ein Zusicherungsbescheid sei im gegenständlichen Verfahren nicht erlassen worden. Im wieder aufgenommenen Verfahren sei daher gemäß § 64a Abs. 4 StbG 1985 die im Entscheidungszeitpunkt geltende Rechtslage anzuwenden. Der Beschwerdeführer sei wegen einer Vorsatztat (§ 27 SMG sei kein Fahrlässigkeitsdelikt) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Tilgung (dieser Verurteilung) werde im gegenständlichen Fall (erst) am 30. November 2012 eintreten. Diese Verurteilung sei nicht eine solche, die in Strafregisterauskünften an die Behörde nicht aufgenommen werden dürfte (und gemäß § 10 Abs. 1a StbG unbeachtlich wäre). Das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG 1985 liege daher vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 12. Mai 2011, mit dem im wieder aufgenommenen Verleihungsverfahren über den Verleihungsantrag des Beschwerdeführers vom 27. September 2004 entschieden wurde.

Den Bescheid vom 4. März 2009, mit dem die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 3 AVG verfügte (bewilligte), hat der Beschwerdeführer nicht (mit Beschwerde) vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft. Dieser Bescheid - mit dem die Bewilligung der Wiederaufnahme durch die oberste Instanz erfolgte -

war ein letztinstanzlicher Wiederaufnahmebescheid; der Beschwerdeführer hätte diesen Bescheid mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpfen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 98/01/0241; den hg. Beschluss vom 10. Dezember 2008, Zl. 2008/22/0874; sowie Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, Seite 323f; und Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage, Seite 384, Rz 597 mwN).

Insoweit der Beschwerdeführer in seiner vorliegenden Beschwerde (gegen den Bescheid vom 12. Mai 2011) sich erstmals mit der verfügten Wiederaufnahme auseinandersetzt, ist darauf vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen (vgl. das genannte Erkenntnis Zl. 98/01/0241).

Unbestritten ist, dass im gegenständlichen Verfahren ein Zusicherungsbescheid nach § 20 Abs. 1 StbG vor dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 nicht erlassen wurde (vgl. § 64a Abs. 4 StbG). Aus welchem Grund ein solcher Bescheid nicht erlassen wurde, ist dafür, nach welchen Bestimmungen des StbG das Verfahren zu Ende zu führen ist, nicht maßgeblich. Daher kann dahinstehen, ob - wie der Beschwerdeführer behauptet - dies nur deshalb erfolgte "weil ein ex-lege Verlust der nigerianischen Staatsbürgerschaft" eingetreten sei.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auch keine Entziehung der Staatsbürgerschaft (vgl. zu dieser §§ 33 bis 36 StbG) ausgesprochen. Der Verlust der zunächst durch Verleihung erworbenen österreichischen Staatsbürgerschaft ist vielmehr infolge der unbekämpft gebliebenen Verfügung der Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens eingetreten, die den Wegfall des ursprünglichen Verleihungsbescheides bewirkt hat (vgl. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, Seite 322 mwN). Die belangte Behörde hatte daher nur mehr über den - infolge der Wiederaufnahme wieder unerledigten - Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abzusprechen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er nicht durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Gemäß § 10 Abs. 1a StbG liegt eine gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf.

Nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG steht jede wegen einer Vorsatztat erfolgte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegen. Auf das Ausmaß der Freiheitsstrafe kommt es dabei - im Gegensatz zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 - nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2011, Zl. 2009/01/0035, und die darin angegebene Judikatur).

Der Beschwerdeführer wurde - nach den getroffenen Feststellungen - wegen eines Vorsatzdeliktes (nach § 27 SMG) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dass diese Verurteilung (bereits) getilgt wäre, behauptet er nicht.

In seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer gegen das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG kein Vorbringen erstattet.

Da die Beschwerde sich schon im Hinblick auf dieses Verleihungshindernis als unbegründet erweist, war sie - ohne dass auf weitere von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführte Versagungsgründe eingegangen werden muss - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 19. April 2012

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