Normen
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs1 litc;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art5 Abs1 lita;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art5;
61981CJ0270 Felicitas Rickmers-Linie VORAB;
61988CJ0103 Fratelli Costanzo Spa VORAB;
61989CJ0249 Trave-Schiffahrtsgesellschaft VORAB;
EURallg;
KVG 1934 §7 Abs1 Z1 lita idF 1994/629;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs1 litc;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art5 Abs1 lita;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art5;
61981CJ0270 Felicitas Rickmers-Linie VORAB;
61988CJ0103 Fratelli Costanzo Spa VORAB;
61989CJ0249 Trave-Schiffahrtsgesellschaft VORAB;
EURallg;
KVG 1934 §7 Abs1 Z1 lita idF 1994/629;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage erfolgte am 2. Juli 2007 bei der mitbeteiligten Aktiengesellschaft eine Kapitalerhöhung um EUR 16,800.000,--. Von diesem Betrag wurde die Gesellschaftsteuer in der Höhe von 1 % berechnet und EUR 168.000,-- entrichtet.
Mit Schriftsatz vom 5. August 2008 (am 7. August 2008 beim beschwerdeführenden Finanzamt eingelangt) beantragte die mitbeteiligte Gesellschaft die Rückerstattung von EUR 20.337,11 an zu viel entrichteter Gesellschaftsteuer mit der wesentlichen Begründung, die Kosten des im Zuge der Kapitalerhöhung durchgeführten Börsenganges in der Höhe von EUR 2,033.711,-- hätten von der Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer abgezogen werden müssen, weil es sich dabei um Aufwendungen der Gesellschaft gehandelt habe.
Mit Bescheid vom 6. November 2008 hat das beschwerdeführende Finanzamt diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, die von der mitbeteiligten Partei getragenen Kosten der Kapitalerhöhung einschließlich der Kosten für den Börsengang stellten keine Last bzw. Verbindlichkeit im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 lit. a) der Kapitalansammlungsrichtlinie 69/335 EWG dar und könnten daher bei der Bildung der Besteuerungsgrundlage nicht abgezogen werden.
Der gegen diesen Bescheid von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge und sprach aus, dass in Entsprechung des Antrages vom 7. August 2008 die selbstberechnete Gesellschaftsteuer im beantragten Ausmaß von EUR 20.337,11 zu erstatten sei.
Nach der wesentlichen Begründung sei das Kapitalverkehrsteuergesetz (KVG) im Sinne der Kapitalansammlungsrichtlinie 69/335/EWG auszulegen, in deren Umsetzung das KVG erlassen worden sei. In der anzuwendenden Bestimmung des KVG finde sich keine der Bestimmung in der Kapitalansammlungsrichtlinie entsprechende Anordnung, die Bemessungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer "abzüglich der Verbindlichkeiten und Lasten, die der Gesellschaft jeweils aus der Einlage erwachsen", zu bilden. In Ergänzung der in diesen Punkten unzulänglich umgesetzten nationalen Rechtslage sei daher die insofern klare gemeinschaftsrechtliche Bestimmung anzuwenden. Die Kosten des Börsenganges seien als solche Lasten anzusehen, weshalb sie vom eingebrachten Kapital abzuziehen gewesen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Gesellschaft hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die dem Grunde und der Höhe nach nicht in Frage gestellten Aufwendungen für den im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung durchgeführten Börsengang in der Höhe von EUR 2,033.711,-- von der für die Berechnung der Gesellschaftsteuer zu bildenden Bemessungsgrundlage abzuziehen sind.
Die im Beschwerdefall maßgebende Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG) - in der Folge als Richtlinie bezeichnet -
enthält in ihrem Artikel 1 die Anordnung, dass die Mitgliedstaaten eine gemäß den Bestimmungen der Artikel 2 bis 9 harmonisierte Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften erheben, die nachfolgend als Gesellschaftsteuer bezeichnet wird.
Folgende weitere Bestimmungen der Richtlinie sind im Beschwerdefall von Bedeutung:
"Artikel 4
(1) Der Gesellschaftsteuer unterliegen die nachstehenden Vorgänge:
…
c) die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art;
…
Artikel 5
(1) Die Steuer wird erhoben:
a) bei Gründung einer Kapitalgesellschaft, Erhöhung des Kapitals oder Erhöhung des Gesellschaftsvermögens gemäß Artikel 4 Abs. 1 Buchstaben a), c) und d): auf den tatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten oder zu leistenden Einlagen jeder Art abzüglich der Lasten und Verbindlichkeiten, die der Gesellschaft jeweils aus der Einlage erwachsen; den Mitgliedstaaten steht es frei, die Gesellschaftsteuer erst dann zu erheben, wenn die Einlagen tatsächlich geleistet werden.
…
(2) In den Fällen des Abs. 1 Buchstaben a) und b) können die Mitgliedstaaten für die Bestimmung des Betrages, auf den die Steuer zu erheben ist, den tatsächlichen Wert der jedem Gesellschafter zugeteilten oder gehörenden Gesellschaftsanteile zu Grunde legen; dies gilt nicht für Fälle, in denen ausschließlich Bareinlagen zu leisten sind. Der steuerpflichtige Betrag darf in keinem Fall unter dem Nennbetrag der jedem Gesellschafter zugeteilten oder gehörenden Gesellschaftsanteile liegen."
Nach der Rechtsprechung des EuGH sollen nur solche Vorgänge der Gesellschaftsteuer unterworfen werden, die eine Erhöhung des Gesellschaftsvermögens und eine Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsanteile bewirken, weil nach den Grundsätzen, auf denen die harmonisierte Gesellschaftsteuer beruht, dieser Steuer nur solche Vorgänge unterworfen sein sollen, die der rechtliche Ausdruck einer Ansammlung von Kapital sind, und zwar nur insoweit, als sie zur Stärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft beitragen. Das entscheidende Kriterium dafür, ob ein Vorgang der Kapitalansammlung der Gesellschaftsteuer unterworfen werden kann, besteht somit in der Stärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Februar 1991, Rs C- 249/89 ).
Die Richtlinie wurde in Österreich durch eine Novelle zum Kapitalverkehrsteuergesetz, BGBl. Nr. 629/1994 - in der Folge als KVG bezeichnet - umgesetzt.
Nach § 2 Z 1 KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 lit. a) KVG wird die Steuer beim Erwerb von Gesellschaftsrechten (§ 2 Z 1) berechnet, wenn eine Gegenleistung zu bewirken ist: vom Wert der Gegenleistung. Zur Gegenleistung gehören auch die von den Gesellschaftern übernommenen Kosten der Gesellschaftsgründung oder Kapitalerhöhung, dagegen nicht die Gesellschaftsteuer, die für den Erwerb der Gesellschaftsrechte zu entrichten ist.
Nach den Materialien zur Novelle des KVG BGBl. Nr. 629/1994 dient diese der Umsetzung der oben genannten Richtlinie mit dem inhaltlichen Schwerpunkt der Anpassung des österreichischen Gesellschaftsteuerrechtes an die Harmonisierungsvorschriften (GP XVIII RV 1713, S 12). Aus diesem Anlass sei im Interesse der Übersichtlichkeit diese Steuerrechtsmaterie zur Gänze neu formuliert worden. Zu § 7 KVG heißt es in den Materialien, dass die neue Fassung des bisherigen § 8 KVG Artikel 5 der Richtlinie berücksichtige, insbesondere dessen Abs. 2 letzter Satz, wonach der steuerpflichtige Betrag nicht unter dem Nennwert der dem Gesellschafter zugeteilten Anteil angesetzt werden dürfe (aaO, S 17).
Bei dem im Beschwerdefall in Rede stehenden Vorgang handelt es sich um eine Kapitalerhöhung bei der mitbeteiligten Partei durch die Ausgabe junger Aktien, womit Kosten eines Börsenganges von EUR 2,033.711,-- verbunden waren.
Die Richtlinie sieht in Artikel 5 Abs. 1 lit. a) vor, dass im Falle einer Kapitalerhöhung die Steuer auf der Grundlage des tatsächlichen Wertes der Einlagen "abzüglich der Lasten und Verbindlichkeiten, die der Gesellschaft jeweils aus der Einlage erwachsen" erhoben wird.
Den Abzug von Lasten und Verbindlichkeiten der Gesellschaft sieht der novellierte § 7 Abs. 1 Z 1 KVG, der die Bemessungsgrundlage zur Erhebung der Gesellschaftssteuer im Falle der Kapitalerhöhung regelt, nicht vor. Dort ist lediglich von der Bildung der Bemessungsgrundlage auf Basis der Leistungen des Gesellschafters die Rede. Ein Abzug von Aufwendungen der Gesellschaft ist nicht geregelt und kann auch nicht im Begriff "Wert der Gegenleistung" untergebracht werden, zumal dort eben nur jene Leistungen zu berücksichtigen sind, die der Gesellschafter selbst erbringt bzw. zu erbringen hat.
In diesem Punkt (Bildung der Bemessungsgrundlage) ist aber für die Umsetzung der Richtlinie kein Spielraum des nationalen Gesetzgebers vorgesehen, weil die Gesellschaftsteuer nicht nur hinsichtlich ihrer Sätze, sondern auch hinsichtlich ihrer Struktur harmonisiert wurde, was bedeutet, dass die Besteuerungsgrundlage in jedem einzelnen Mitgliedstaat auf der Grundlage objektiver Merkmale bestimmt wird, deren Tragweite innerhalb der Gemeinschaft einheitlich ist und die dem Einfluss des jeweiligen nationalen Rechts entzogen ist. Der Steuer sollen nur solche Vorgänge unterworfen sein, die der rechtliche Ausdruck einer Ansammlung von Kapital sind, und zwar nur insoweit, als sie zur Verstärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft beitragen (vgl. das Urteil des EuGH vom 15. Juli 1982, Rs 270/81).
Wurde die Anordnung, wonach Lasten und Verbindlichkeiten der Gesellschaft vom Wert der Einlage abzuziehen sind, nicht in nationales Recht umgesetzt, stellt sich die Frage, ob die entsprechende Bestimmung der Richtlinie unmittelbar anzuwenden ist, weil die Wirkungen einer Richtlinie den einzelnen auf dem Weg über die von dem betreffenden Mitgliedstaat ergriffenen Durchführungsmaßnahmen immer nur dann treffen, wenn sie ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Wurde eine Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt, kann sich der Einzelne in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen. In einem solchen Fall sind die Behörden verpflichtet, diese Bestimmungen anzuwenden (vgl. das Urteil des EuGH vom 22. Juni 1989, Rs 103/88).
Die Anordnung, Lasten und Verbindlichkeiten, die der Gesellschaft jeweils aus der Einlage erwachsen, wurde trotz des Fehlens eines entsprechenden Spielraumes nicht in nationales Recht umgesetzt. Sie ist jedoch auch im Lichte der oben wieder gegebenen Rechtsprechung, wonach nur der tatsächlich der Gesellschaft zugekommene Betrag zur Stärkung von deren Wirtschaftspotential dient, ausreichend bestimmt, weshalb einer unmittelbaren Anwendung dieser Anordnung nichts im Wege steht.
Nach dem vorliegenden unbestrittenen Sachverhalt sind der Gesellschaft durch den Börsengang, der zur Kapitalerhöhung und damit zur Leistung der mit dem Nennwert angesetzten Einlagen geführt hat, Kosten entstanden, die dem Begriff der Lasten und Verbindlichkeiten zuzuordnen sind. Damit ist der Tatbestand von
Artikel 5 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie erfüllt, weshalb die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum vom Abzug der Kosten des Börsenganges von der sonst gebildeten Bemessungsgrundlage ausgegangen ist und zutreffend dem Erstattungsantrag stattgegeben hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 555/2008.
Wien, am 27. September 2012
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