VwGH 2010/11/0024

VwGH2010/11/002418.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des DL in W, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom 9. Dezember 2009, Zl. P912445/3-PersC/2009, betreffend Rückerstattung von Monatsprämien nach dem HGG 2001, zu Recht erkannt:

Normen

HGG 2001 §2;
HGG 2001 §55;
HGG 2001 §6 Abs4;
HGG 2001 §6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 2001 §30 Abs1;
WehrG 2001 §30 Abs3;
WehrG 2001 §30 Abs4;
HGG 2001 §2;
HGG 2001 §55;
HGG 2001 §6 Abs4;
HGG 2001 §6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WehrG 2001 §30 Abs1;
WehrG 2001 §30 Abs3;
WehrG 2001 §30 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Leistungsbescheid" des Heerespersonalamtes vom 10. November 2009 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, wegen vorzeitiger Beendigung seines Ausbildungsdienstes dem Bund einen Erstattungsbetrag in Höhe von EUR 2.274,80 zu leisten. Als Rechtsgrundlage wurden die §§ 2 und 55 Heeresgebührengesetz 2001 (HGG 2001), BGBl. I Nr. 31/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2009, angeführt.

In der Begründung wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer am 6. Juli 2009 den Ausbildungsdienst in der Dauer von zwölf Monaten angetreten habe und aus diesem mit Ablauf des 23. Oktober 2009 entlassen worden sei. Für diesen Zeitraum habe er Monatsprämien (32,99 vH des Bezugsansatzes pro Monat) gemäß § 6 HGG 2001 erhalten. Aufgrund seiner Entlassung aus dem Ausbildungsdienst habe er gemäß § 6 Abs. 4 Z. 1 HGG 2001 für jeden Monat dieses Zeitraumes einen Erstattungsbeitrag (28,58 vH des Bezugsansatzes pro Monat) zu leisten, der wie ein Übergenuss hereinzubringen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, er habe den Ausbildungsdienst nicht freiwillig beendet, sondern aufgrund gesundheitlicher Probleme (Schulterluxation beidseits), die am 23. Oktober 2009 vom Heeresspital festgestellt worden seien. Da ihm die Schulter erst einmal im Jahr 2006 luxiert sei und seither keine weiteren Luxationen gefolgt seien, könne nicht von einer Folgeerkrankung ausgegangen werden. Da er den einjährigen Ausbildungsdienst abschließen wolle, sei die vorzeitige Entlassung nicht einvernehmlich und ohne sein Verschulden erfolgt, sodass der angefochtene Leistungsbescheid zu Unrecht ergangen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Diese Entscheidung stützte die belangte Behörde auf § 6 Abs. 4 und 5 sowie § 55 Abs. 2 HGG 2001 und auf § 30 Abs. 1 bis 3 WG 2001, die sie in der Begründung zitierte.

In ihren Erwägungen führte die belangte Behörde aus, die vorzeitige Entlassung des Beschwerdeführers aus der "Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung" sei gemäß § 30 Abs. 1 WG 2001 erfolgt, weil der Beschwerdeführer "aufgrund der vor dem Wehrdienst erlittenen Schulterluxation" für den Ausbildungsdienst nicht geeignet gewesen sei und die Heilungsdauer von mehr als 24 Tagen eine weitere militärische Ausbildung bzw. die Heranziehung zu einer anderen Dienstleistung im Wehrdienst nicht zulassen würde. Da somit kein Fall der Dienstunfähigkeit gemäß § 30 Abs. 3 WG 2001 vorliege, könne nicht von einem Entfall der Rückerstattungspflicht gemäß § 6 Abs. 5 HGG 2001 ausgegangen werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde unter anderem vor, zu der im Heeresspital am 23. Oktober 2009 festgestellten rezidivierenden Schulterluxation sei es plötzlich gekommen. Noch bei der Stellung sei die körperliche Tauglichkeit des Beschwerdeführers festgestellt worden, der Beschwerdeführer sei völlig gesund gewesen. Zwar sei im Jahr 2006 eine Luxation vorgelegen, doch sei diese repositioniert worden, beim Röntgen sei keine Absonderlichkeit festgestellt worden. Es liege somit keinesfalls eine Vorerkrankung vor, die Erkrankung sei "direkt beim Dienst entstanden", die Rückerstattungspflicht sei nicht gegeben.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Heeresgebührengesetzes 2001, BGBl. I Nr. 31/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2009, lauten:

"Ansprüche

§ 2. (1) Die Ansprüche nach diesem Bundesgesetz bestehen, soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nur für Zeiten, die in die Dienstzeit der Anspruchsberechtigten einzurechnen sind.

Besoldung länger dienender Soldaten

§ 6. (1) Eine Monatsprämie in der Höhe von 32,99 vH des Bezugsansatzes gebührt

1. Personen im Ausbildungsdienst und

(4) Endet der Ausbildungsdienst eines Wehrpflichtigen vorzeitig, so gilt Folgendes:

1. Bei einer Beendigung vor Ablauf des sechsten Monates einer Wehrdienstleistung hat der Wehrpflichtige dem Bund einen Betrag zu erstatten in der Höhe von 28,58 vH des Bezugsansatzes für jede vollständig angefallene Monatsprämie nach Abs. 1, die in den ersten sechs Monaten einer Wehrdienstleistung dieses Wehrpflichtigen angefallen ist. Für nur teilweise angefallene Monatsprämien gilt dies nur für den jeweils verhältnismäßigen Teil dieser Geldleistung.

2. Bei einer Beendigung zu einem späteren Zeitpunkt hat der Wehrpflichtige dem Bund einen Betrag zu erstatten wie folgt:

3. Der Erstattungsbetrag nach den Z 1 und 2 ist wie ein Übergenuss hereinzubringen.

(5) Abs. 4 gilt nicht bei einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsdienstes wegen

1. Dienstunfähigkeit nach § 30 Abs. 3 WG 2001 oder

§ 55. (1) Zu Unrecht empfangene Beträge (Übergenüsse) sind, soweit sie nicht im guten Glauben empfangen worden sind, dem Bund zu ersetzen. Sie sind vom Heerespersonalamt hereinzubringen.

(2) Die rückforderbaren Übergenüsse sind durch Abzug von den nach diesem Bundesgesetz gebührenden Beträgen hereinzubringen. Hiebei können Raten festgesetzt werden. Bei der Festsetzung der Raten ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ersatzpflichtigen Rücksicht zu nehmen. Ist die Hereinbringung durch Abzug nicht möglich, so ist der Ersatzpflichtige zum Ersatz zu verhalten. Leistet der Ersatzpflichtige nicht Ersatz, so sind die rückforderbaren Übergenüsse nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG), BGBl. Nr. 53, hereinzubringen. …"

Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2009, lauten:

"Vorzeitige Entlassung wegen Dienstunfähigkeit

§ 30. (1) Wird die Dienstunfähigkeit eines Soldaten, der Präsenz- oder Ausbildungsdienst leistet, vom Militärarzt festgestellt, so gilt der Soldat als vorzeitig aus diesem Wehrdienst entlassen. ….

(2) Eine Dienstunfähigkeit liegt vor, wenn der Soldat auf Grund einer Gesundheitsschädigung weder zu einer militärischen Ausbildung noch zu einer anderen Dienstleistung im jeweiligen Wehrdienst nach Abs. 1 herangezogen werden kann und die Herstellung der Dienstfähigkeit innerhalb von 24 Tagen, sofern aber der Wehrdienst früher endet, bis zu diesem Zeitpunkt, nicht zu erwarten ist.

(3) Die vorzeitige Entlassung wegen Dienstunfähigkeit wird nur mit Zustimmung des betroffenen Soldaten wirksam, wenn

1. die Dienstunfähigkeit auf eine Gesundheitsschädigung nach Abs. 4 zurückzuführen ist oder

2. die Gesundheitsschädigung, welche die Dienstunfähigkeit verursacht hat, sonst in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Wehrdienstleistung nach Abs. 1 steht.

Stimmt der Soldat der vorzeitigen Entlassung nicht zu, so gilt er erst nach Ablauf eines Jahres ab Wirksamkeit der Feststellung der Dienstunfähigkeit als aus dem Wehrdienst entlassen, sofern er seine Dienstfähigkeit nicht vorher wiedererlangt oder der Wehrdienst nicht vorher endet.

(4) Als Gesundheitsschädigungen im Sinne des Abs. 3 Z 1 gelten solche, die der Soldat erlitten hat

1. infolge des Wehrdienstes einschließlich einer allfälligen beruflichen Bildung oder

  1. 2. auf dem Weg zum Antritt des Wehrdienstes oder
  2. 3. im Falle einer Dienstfreistellung auf dem Weg vom Ort der militärischen Dienstleistung zum Ort des bewilligten Aufenthaltes oder auf dem Rückweg oder

    4. bei einem Ausgang auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung und dem Ort der militärischen Dienstleistung oder

    5. auf dem Hin- oder Rückweg zwischen der Wohnung oder dem Ort der militärischen Dienstleistung und einem Geldinstitut zum Zweck der Behebung von Geldleistungen nach dem Heeresgebührengesetz 2001 (HGG 2001), BGBl. I Nr. 31, oder

    6. auf einem Weg nach Z 2 bis 5 im Rahmen einer Fahrtgemeinschaft.

    Solche Gesundheitsschädigungen müssen zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Wehrdienstleistung eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen sein. Bei Gesundheitsschädigungen, die mit Hilflosigkeit oder Blindheit verbunden sind, genügt ein ursächlicher Anteil dieses Ereignisses oder dieser Verhältnisse. Sofern die Beschaffung von Urkunden oder amtlichen Beweismitteln auf Grund besonderer Umstände zum Nachweis der Ursächlichkeit ausgeschlossen ist, reicht die Glaubhaftmachung eines ursächlichen Zusammenhanges durch hiezu geeignete Beweismittel aus.

(5) Einer Zustimmung des Soldaten zur vorzeitigen Entlassung nach Abs. 3 bedarf es nicht, wenn zumindest mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Gesundheitsschädigung

1. vom Soldaten herbeigeführt wurde

  1. a) vorsätzlich oder
  2. b) durch eine gerichtlich strafbare, mit Vorsatz begangene und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Handlung oder

    c) infolge der Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit durch den Missbrauch von Alkohol oder eines Suchtmittels oder

    2. in den Fällen des Abs. 4 Z 2 bis 6 auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Soldaten zurückzuführen ist.

    Ausbildungsdienst

§ 37. (1) Frauen und Wehrpflichtige können auf Grund freiwilliger Meldung nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen einen Ausbildungsdienst in der Dauer von insgesamt zwölf Monaten leisten. Nach Maßgabe zwingender militärischer Interessen darf eine Verlängerung des Ausbildungsdienstes mit schriftlicher Zustimmung der Betroffenen um bis zu sechs Monate verfügt werden. Eine freiwillige Meldung zum Ausbildungsdienst ist beim Heerespersonalamt einzubringen und bedarf der Annahme (Annahmebescheid). Dabei ist auch die Eignung der Betroffenen zum Ausbildungsdienst zu prüfen (Eignungsprüfung). …"

Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde nicht, dass die im Jahr 2009 diagnostizierte Schulterluxation eine Dienstunfähigkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 WG 2001 darstellt.

Er bringt vielmehr vor, dass diese Schulterluxation keine Vorerkrankung darstelle, sondern beim Wehrdienst entstanden sei. Dieser Einwand ist entscheidend, weil die Erstattungspflicht hinsichtlich der angefallenen Monatsprämien gemäß § 6 Abs. 4 HGG 2001 nicht besteht, wenn (wie sich aus Abs. 5 leg. cit. ergibt) die vorzeitige Beendigung des Ausbildungsdienstes wegen einer Dienstunfähigkeit nach § 30 Abs. 3 WG 2001 erfolgte. Eine solche Dienstunfähigkeit liegt dann vor, wenn sie auf eine Gesundheitsschädigung nach § 30 Abs. 4 WG 2001 zurückzuführen ist (darunter fallen insbesondere Gesundheitsschädigungen infolge des Wehrdienstes) oder sonst in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Wehrdienstleistung nach § 30 Abs. 1 WG 2001 steht.

Die entscheidende Frage, ob beim Beschwerdeführer eine Dienstunfähigkeit nach § 30 Abs. 3 WG 2001 vorliegt, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zwar verneint. Eine nachvollziehbare Begründung dafür fehlt jedoch, weshalb sie den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet hat. Eine schlüssige Beantwortung der Frage, ob es sich bei der gegenständlichen Gesundheitsschädigung um eine Dienstunfähigkeit im Sinne des § 30 Abs. 3 WG 2001 handelt, wäre umso mehr erforderlich gewesen, als der Beschwerdeführer bereits in der Berufung bestritten hat, dass die gegenständliche Schulterluxation eine Folgeerkrankung der Luxation des Jahres 2006 gewesen sei, womit er auf § 30 Abs. 3 WG 2001 hingedeutet hat (ähnlich bereits das hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, Zl. 2003/11/0164).

Am genannten Verfahrensmangel ändert nichts, dass sich im Akt (S. 18) die (nur teilweise lesbare) Kopie des Protokolls einer amtsärztlichen Untersuchung befindet, in dem eine "Habituelle Schulterluxation bds." mit dem Zusatz "(bereits vor Beginn Ausbildungsdienst)" vermerkt ist. Dieses Protokoll wurde nach der Aktenlage weder dem Parteiengehör unterzogen noch ist es in der Begründung des angefochtenen Bescheides als Entscheidungsgrundlage erwähnt. Im Übrigen ist auch dem genannten Protokoll eine nachvollziehbare Begründung, weshalb die in Rede stehende - im Oktober 2009 diagnostizierte - Schulterluxation (zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer bereits mehrere Wochen im Ausbildungsdienst) aus der (ersten) Luxation des Jahres 2006 herrühren sollte.

Der angefochtene Bescheid war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. September 2012

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