Normen
AVG §7 Abs1 Z3;
AVG §7 Abs1 Z3;
Spruch:
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft W. vom 15. Dezember 2009 wurde der Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe zumindest am 10. März 2008 gegen 15.00 Uhr und einige Tage zuvor im Ortsgebiet von K. auf einem näher genannten Grundstück Giftköder ohne jegliche Abdeckung ausgelegt und das Vorhandensein dieser Köder geduldet, obwohl er durch diese Tätigkeit versucht habe, einem Tier (Katze) gemäß § 5 Abs. 1 Tierschutzgesetz ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden (Tod) zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen (mit Aufnahme dieses Stoffes - Köder - hätte die Katze gequält werden und sterben können).
Er habe dadurch § 5 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Z. 11 und § 38 Abs. 1 Z. 1 Tierschutzgesetz (TSchG) verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000.- (Ersatzfreiheitsstrafe: 96 Std.) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. Juli 2010 wurde der Berufung keine Folge gegeben, der Spruch des Straferkenntnisses jedoch dahin geändert, dass
- die Tatumschreibung wie folgt zu lauten habe: "Sie haben dadurch, dass Sie am 10. März 2008 gegen 15.00 Uhr auf dem Grundstück …. (Anschrift des Grundstücks) Giftköder ohne jegliche Abdeckung ausgelegt (gehabt) und damit Tieren vorgesetzt haben, versucht, einem Tier (Katze der Frau P.) dadurch ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden und Schäden (Tod) zuzufügen bzw. das Tier in schwere Angst zu versetzen (mit der Aufnahme der Köder hätte die Katze gequält werden und sterben können)."
- die Übertretungsnorm habe zu lauten: §§ 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 11, 38 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 5 TSchG.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, die Behörde erster Instanz habe sich auf die Anzeige des Amtstierarztes der Bezirkshauptmannschaft W. vom 13. März 2008 gestützt. Dieser zufolge habe Frau P. am 10. März 2008 angerufen und gefragt, ob von Gegenständen, die unmittelbar an ihrer Grundgrenze gelegen seien, eine Gefahr für ihre Katze ausgehen könne. Sie befürchte, dass es sich dabei um Rattengift handle. Gegen 15.00 Uhr habe der Amtstierarzt die Örtlichkeit aufgesucht und vom Nachbargrundstück "massenhaft rosa und blau, also in typischen Warnfarben gefärbte Gegenstände", bei denen es sich offensichtlich um Giftköder gehandelt habe, wahrgenommen. Diese seien in keiner Weise gegen Aufnahme durch andere Tiere als Ratten und Mäuse geschützt gewesen. Das Grundstück der Familie P. sei sehr gepflegt, der Kompost in einer ordnungsgemäßen Kiste entsorgt gewesen. Auf dem Nachbargrundstück (jenem des Beschwerdeführers) seien größere Mengen von Grünschnitt unter Beimengung von Küchenabfällen auf einem Haufen gelegen.
Im Zuge einer telefonischen Kontaktaufnahme habe der Beschwerdeführer angegeben, die Köder ausgelegt zu haben. Er sei zur Entfernung derselben aufgefordert worden, habe den Amtstierarzt am Telefon beschimpft und immer wieder von der "blöden Katze der P." gesprochen. Er habe sich darüber beklagt, dass "die blöde Katze der P. das Gift nicht angerührt" habe. Handschriftlich ergänzt sei seitens der Bezirkshauptmannschaft worden, dass "kübelweise Rattengift" ausgebracht worden sei.
Die belangte Behörde sehe es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer dem Amtstierarzt anlässlich eines Telefonates am darauf folgenden Tag sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht habe, dass die Katze der Nachbarn das Gift nicht angenommen habe. Diese Angabe trage die Annahme, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten (die Ausbringung des Giftes in großer Menge und entgegen den einschlägigen Sicherheitsvorschriften) nicht nur Ratten und Mäuse habe bekämpfen, sondern auch das Tier der Nachbarn habe schädigen wollen.
Sowohl der Beschwerdeführer als auch der Zeuge Dr. M. hätten geschildert, dass das Gift für Haustiere völlig unbedenklich sei; dem stehe zunächst das Wissen des Beschwerdeführers entgegen, dass die gegenständlichen Gifte bei Nagetieren zum Tod führen könnten. Zum anderen habe der Beschwerdeführer selbst die entsprechenden Packungen vorgelegt, aus denen sich auch die Wirkweise der gegenständlichen Gifte bzw. der Hinweis ergebe, diese Gifte für Haustiere und Kinder unerreichbar aufzubewahren.
Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Handlung des Beschwerdeführers ein entsprechender Vorsatz i.S.d. § 5 TSchG zugrunde liege.
Als Tathandlung im Sinne des § 5 Abs. 1 TSchG komme grundsätzlich jede objektiv sorgfaltswidrige Handlung, namentlich eine solche, die in Abs. 2 ausdrücklich genannt werde, in Betracht. Als eine solche umschreibe Z. 11 das Versetzen von Nahrung oder Stoffen, mit deren Aufnahme für das Tier offensichtlich Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst verbunden seien. Angesichts der Art und Weise der Ausbringung könne der Erstbehörde auch insoweit nicht entgegengetreten werden, als sie beim Ausbringen von einer Ausführungshandlung ausgegangen sei, sodass im Ergebnis von einem beendeten Versuch auszugehen sei.
Zur Strafzumessung sei festzustellen, es sei bei der Festsetzung der Strafe zu berücksichtigen, dass durch die gegenständliche Tathandlung Tierschutzinteressen massiv beeinträchtigt werden könnten. Angesichts der Wirkungsweise der verfahrensgegenständlichen Gifte (langsame innere Verblutung der Tiere) könne der Erstbehörde auch dahingehend nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einer (versuchten) schweren Tierquälerei im Sinne des § 38 Abs. 2 TSchG ausgehe. Im Hinblick darauf, dass die für diesen Fall vorgesehene Mindeststrafe verhängt worden sei, könne diese auch nicht als unangemessen betrachtet werden.
Mildernd sei dabei zu werten, dass es beim Versuch geblieben sei (§ 34 Abs. 1 Z. 13 StGB), und erschwerend sei nichts zu werten gewesen. Eine Herabsetzung der Strafe sei gleichwohl nicht in Betracht gekommen, zumal der in concreto verwirklichte Tatunwert (angesichts der unsachgemäßen Ausbringung erheblicher Giftmengen) als höher anzusehen sei, als dies von der Erstbehörde getan worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet, der Beschwerdeführer sei zur mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2010 etwa 10 Minuten vor deren Beginn erschienen. Die Tür zum Verhandlungssaal sei geschlossen gewesen. Im Verhandlungssaal habe sich bereits der Verhandlungsleiter Mag. Dr. W., die veterinärmedizinische Amtssachverständige Dr. R. und die Behördenvertreterin (der Bezirkshauptmannschaft W.) befunden.
Unmittelbar nach dem Beschwerdeführer sei der Zeuge DDr. H. (Meldungsleger), etwa 2-3 Minuten später der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gekommen. Der Zeuge DDr. H. sei ohne Aufruf in den Verhandlungssaal gegangen. Kurz darauf seien der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sowie der Beschwerdeführer auch hineingegangen. Als sie hineingekommen seien, habe DDr. H. bereits intensiv mit dem Verhandlungsleiter und der veterinärmedizinischen Amtssachverständigen gesprochen.
Der Verhandlungsleiter habe den Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertreter mit den Worten "Moment, warten sie draußen" hinausgeschickt. Der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter seien wieder hinausgegangen; der Zeuge DDr. H. sei drinnen geblieben.
Etwa fünf Minuten später sei die Sache aufgerufen worden. Als der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter den Verhandlungssaal betreten hätten, sei DDr. H. noch immer beim Verhandlungsleiter und der veterinärmedizinischen Amtssachverständigen gestanden.
In der Körpersprache des Verhandlungsleiters und der Amtssachverständigen sei eine vertraute Übereinstimmung mit dem Zeugen DDr. H. zu erkennen gewesen. Erst als sich alle niedergesetzt hätten, sei der Zeuge hinausgegangen. Als die Verhandlung begonnen habe, habe der Beschwerdeführer den Eindruck gehabt, dass deren Ergebnis bereits festgestanden sei.
In diesem Ablauf erblicke der Beschwerdeführer wichtige Gründe, die geeignet seien, die volle Unbefangenheit des Verhandlungsleiters und der Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 3 AVG haben Verwaltungsorgane sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
Nach § 53 Abs. 1 erster Satz AVG ist auf Amtssachverständige § 7 anzuwenden.
Nach § 24 VStG ist weder § 7 noch § 53 AVG von der Anwendung im Verwaltungsstrafverfahren ausgenommen.
Zum Vorliegen des Befangenheitsgrundes nach § 7 Abs. 1 Z. 3 AVG genügen Umstände, die die volle Unbefangenheit zweifelhaft erscheinen lassen können, die also eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Befangenheit begründen können (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 170, unter E 55 widergegebene hg. Judikatur zu den damals noch unter § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG geregelten sonstigen wichtigen Gründen).
Weder mit der vom Beschwerdeführer behaupteten "vertrauten Übereinstimmung" des Verhandlungsleiters und der Amtssachverständigen mit dem Zeugen DDr. H., noch mit dem nicht näher konkretisierten Eindruck, es sei das Ergebnis der Verhandlung bereits zu deren Beginn festgestanden, wird hinreichend konkret das Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes der Befangenheit des Verhandlungsleiters bzw. der genannten Amtssachverständigen im Sinne der vorgenannten Bestimmungen dargetan. Auch nach der Aktenlage ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass eine Befangenheit des Verhandlungsleiters oder der genannten Amtssachverständigen vorlag.
In der Beschwerde wird ferner ausgeführt, im Straferkenntnis vom 15. Dezember 2009 sei über den Beschwerdeführer gemäß § 38 Abs. 1 und Abs. 2 TSchG wegen (versuchter) schwerer Tierquälerei eine Strafe von EUR 2.000.-verhängt worden, wobei dies die bei schwerer Tierquälerei vorgesehene Mindeststrafe sei.
Im angefochtenen Bescheid sei der Spruch dahin abgeändert worden, dass § 38 Abs. 2 TSchG (schwere Tierquälerei) weggefallen und stattdessen die Bestimmung des § 38 Abs. 5 TSchG (Versuch) aufgenommen worden sei. Es sei sohin ein Erschwernistatbestand "durch einen Milderungstatbestand" ersetzt worden, die Strafhöhe sei jedoch trotzdem gleichgeblieben. Der Strafrahmen liege bei Tierquälerei bei einer Geldstrafe bis EUR 7.500.--, eine Untergrenze sei nicht festgesetzt worden, weil eine solche nur bei schwerer Tierquälerei mit EUR 2.000.-festgelegt worden sei.
Wie die belangte Behörde richtig festgestellt habe, lägen keine erschwerenden Umstände vor. Als Milderungsgrund sei zutreffend angeführt worden, dass es beim Versuch geblieben sei. In Widerspruch dazu, dass der Beschwerdeführer gar nicht wegen schwerer Tierquälerei verurteilt worden sei, habe die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides u.a. ausgeführt, es könne der Erstbehörde auch dahingehend nicht entgegengetreten werden, wenn sie von einer (versuchten) schweren Tierquälerei im Sinne des § 38 Abs. 2 TSchG ausgehe. Im Hinblick darauf, dass die für diesen Fall vorgesehene Mindeststrafe verhängt worden sei, könne diese auch nicht als unangemessen betrachtet werden.
Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 TSchG begeht derjenige, der einem Tier entgegen § 5 Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15.000 Euro zu bestrafen.
Nach § 38 Abs. 2 TSchG ist in schweren Fällen der Tierquälerei eine Strafe von mindestens 2.000 Euro zu verhängen.
Gemäß § 38 Abs. 5 TSchG ist der Versuch strafbar.
Der Beschwerdeführer zeigt mit seinem Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde erkennbar bei der Strafbemessung von der Notwendigkeit der Beibehaltung der in erster Instanz verhängten Strafe wegen Vorliegens einer "schweren" Tierquälerei und der damit verbunden Mindeststrafe in Höhe von EUR 2.000.- ausging. Durch den Entfall der Unterstellung der Tat unter § 38 Abs. 2 TSchG infolge Spruchänderung durch die belangte Behörde, liegt jedoch keine schwere Tierquälerei mehr vor, weshalb auch die dafür vorgesehene Mindeststrafe nicht mehr verhängt werden kann.
Damit liegt ein nicht auflösbarer Widerspruch der Begründung des angefochtenen Bescheides betreffend die Bemessung der verhängten Geldstrafe zur Änderung des Spruches durch Wegfall des § 38 Abs. 2 TSchG vor, weshalb sich der Ausspruch über die verhängte Strafe und damit zusammenhängend auch über die Festsetzung der Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG als inhaltlich rechtswidrig erweist.
Daran vermag auch die allgemein gehaltene weitere Begründung des angefochtenen Bescheides nichts zu ändern, dass die belangte Behörde aufgrund der unsachgemäßen Ausbringung "erheblicher Giftmengen" im Gegensatz zu der Behörde erster Instanz von einem höheren Tatunwert ausgeht.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 23. März 2012
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