VwGH 2009/22/0126

VwGH2009/22/012626.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf-Starhemberg-Gasse 6/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 16. Oktober 2008, Zl. 114.099/20-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §25;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3 lita;
NAG 2005 §47 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §25;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3 lita;
NAG 2005 §47 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, am 30. Juni 2008 eingebrachten (Zweckänderungs-)Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe zuletzt über eine bis 8. Juli 2008 gültige Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schüler" verfügt. Am 30. Juni 2008 habe er einen Verlängerungsantrag gestellt, den er mit dem hier gegenständlichen Zweckänderungsantrag verbunden habe. Sein Vater sei österreichischer Staatsbürger. Dieser sei als Zusammenführender anzusehen.

Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a oder lit. b NAG, wonach der Fremde vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen oder mit diesem bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen haben müsse, lägen allerdings nicht vor.

Der Beschwerdeführer halte sich bereits seit dem Jahr 2002 bei seinem Vater in Österreich auf und habe über Aufenthaltstitel für den Aufenthaltszweck "Schüler" verfügt. Der Vater des Beschwerdeführers sei bereits im Jahr 1989 - damals war dieser noch türkischer Staatsangehöriger - nach Österreich gekommen. Er habe lediglich einmal im Jahr für etwa vier Wochen seine Familie in der Türkei besucht.

Der Vater habe zwar den Beschwerdeführer in den letzten Jahren in Österreich finanziell unterstützt, jedoch schließe dies aus, dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren vor der hier gegenständlichen Antragstellung von seinem Vater im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen oder mit diesem in zeitlichem Zusammenhang mit dem Antrag bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt und Unterhalt bezogen hätte. Es reiche aber auch nicht aus, dass der Vater vor dem Jahr 2002 (auch) für den Beschwerdeführer regelmäßig Geld zu der Familie in die Türkei geschickt habe und somit "allenfalls" etwa sechs Jahre vor der gegenständlichen Antragstellung in der Türkei für den Unterhalt des damals minderjährigen Beschwerdeführers aufgekommen sei. Dadurch würden die Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG gleichfalls nicht erfüllt.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht auch keine ausreichenden Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG vorlägen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass für die Beurteilung des gegenständlichen Falles das NAG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung des BGBl I Nr. 4/2008 maßgeblich ist.

Der - mit Blick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers hier allein relevante - § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG lautet:

"§ 47. …

(3) Angehörigen von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 kann auf Antrag eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben;

b) ...

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

..."

Die belangte Behörde geht davon aus, dass der in der Vergangenheit liegende Unterhaltsbezug durch den Beschwerdeführer vor seinem Zuzug nach Österreich in keinem zeitlichen Zusammenhang mit seinem nunmehrigen Begehren auf Erteilung des Aufenthaltstitels zur Familienzusammenführung stehe, sodass die Voraussetzung des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG nicht gegeben sei.

Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG hinsichtlich der Unterhaltsleistungen im Herkunftsstaat nur auf die zuletzt vor Verlassen des Heimatlandes gegebenen Verhältnisse ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0357). Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung auch festgehalten, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 47 Abs. 3 NAG beabsichtigt hat, nur jenen Angehörigen die Möglichkeit des Familiennachzuges einzuräumen, bei denen ein - in den Fällen des § 47 Abs. 3 NAG näher definiertes, aber nicht zwingend finanzielles - Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zusammenführenden und Nachziehenden gegeben ist. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in den Fällen des Familiennachzuges des § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG nicht bloß auf (irgend)eine in der Vergangenheit liegende Unterhaltsleistung ohne jeglichen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des in Aussicht genommenen Nachzuges, sohin also regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels, abstellen wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. März 2011, Zl. 2010/22/0217).

Der Vater leistete dem Beschwerdeführer - wovon die belangte Behörde erkennbar, aber ohne dies ausdrücklich festzustellen, im Einklang mit dem Vorbringen ausging - während des Kindesalters, in dem er sich im Heimatland befand, bis zu seinem Nachzug zum Vater nach Österreich Unterhalt. Dies setzte der Vater danach in Österreich fort. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage kann nun aber nicht gesagt werden, der von § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG geforderte - oben dargestellte - Zusammenhang wäre im vorliegenden Fall nicht gegeben. Daran ändert auch nichts, dass dem Beschwerdeführer zwischenzeitig Aufenthaltstitel zum Zweck des Schulbesuches erteilt wurden. Anders als in dem Fall, der dem angeführten hg. Erkenntnis vom 3. März 2011 zu Grunde lag, in dem zwischen den früheren Unterhaltsleistungen durch den Zusammenführenden und der - wieder neu zu begründenden - Familieneinheit kein Zusammenhang mehr gegeben war, kann dies im vorliegenden Fall nicht verneint werden. Somit hat die belangte Behörde die Erfüllung des in § 47 Abs. 3 Z 3 lit. a NAG enthaltenen Tatbestandes zu Unrecht in Abrede gestellt.

Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber auch das Vorliegen ausreichender Unterhaltsmittel in Frage stellt, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG handelt. Bei Fehlen allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen ist aber - wie hier - im Fall eines (auch) die Verlängerung des Aufenthaltsrechts anstrebenden Zweckänderungsantrages nach § 25 NAG vorzugehen (vgl. zur hier maßgeblichen Rechtslage ausführlich das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2008/21/0249, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Da der angefochtene Bescheid schon nach dem oben Gesagten an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes leidet, war er aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde insbesondere aber auch zu beachten haben, dass der Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger - die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigt, weshalb sie auch zu prüfen haben wird, ob ihm die im Assoziationsrecht EU-Türkei enthaltenen Stillhalteklauseln zugutekommen.

Die Kostenentscheidung - hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes im begehrten Ausmaß - gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 26. Juni 2012

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