Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die drei Beschwerdeführer, der 1979 geborene Vater und seine beiden im November 2005 bzw. im November 2006 bereits in Österreich geborenen Kinder, sind türkische Staatsangehörige. Auch S., die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers (die Heirat hatte im September 2004 in Wien stattgefunden) und Mutter der beiden Kinder, ist türkische Staatsangehörige.
S. war bereits am 5. November 2000 nach Österreich eingereist. Hier stellte sie einen Asylantrag, der mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Oktober 2003 abgewiesen wurde; zugleich wurde festgestellt, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Die Behandlung der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit hg. Beschluss vom 22. Juli 2004, Zl. 2004/20/0097, abgelehnt. In der Folge erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, gleichfalls im Instanzenzug, mit Bescheid vom 1. September 2005 gegen S. eine Ausweisung. Die gegen diesen Ausweisungsbescheid eingebrachte Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Februar 2007, Zl. 2005/21/0371, als unbegründet ab.
Der Erstbeschwerdeführer war im Jänner 2001 nach Österreich eingereist. Auch er stellte einen Asylantrag, der mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. April 2001 abgewiesen wurde. Daraufhin stellte er im Juli 2001 einen zweiten Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 4. Oktober 2001 - verbunden mit der Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Erstbeschwerdeführers in die Türkei zulässig sei - abwies. Dagegen erhob der Erstbeschwerdeführer Berufung, über die erst im Dezember 2008 - abschlägig - entschieden wurde.
Mittlerweile hatten die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin unter Bezugnahme auf den Erstbeschwerdeführer Anträge auf Gewährung desselben Schutzes nach § 34 Asylgesetz 2005 gestellt. Auch S. hatte im November 2007 einen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Alle diese Anträge wurden letztlich gleichfalls - im Instanzenzug -
im Dezember 2008 vom Asylgerichtshof (gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005) abgewiesen. Die Behandlung der von S. und den drei Beschwerdeführern gegen die negativen Asylentscheidungen aus dem Dezember 2008 erhobenen Beschwerden lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 23. Februar 2009 ab. Daraufhin wies die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz die Beschwerdeführer mit Bescheiden je vom 22. Mai 2009 gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus. Den dagegen erhobenen Berufungen gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 20. Juli 2009 keine Folge. Sie begründete das zusammenfassend im Wesentlichen damit, dass sich S. und die Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen Abschluss der Asylverfahren unrechtmäßig in Österreich aufhielten. Die aus dem Aufenthalt (gemeint: des Erstbeschwerdeführers) seit Jänner 2001 ableitbare Integration sei in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass dieser Aufenthalt auf zwei zumindest im Ergebnis unberechtigte Asylanträge zurückzuführen und zuletzt im Ausmaß von etwa sechs Monaten unrechtmäßig sei. Dass der Unterhalt der Beschwerdeführer gesichert sei und sie nicht straffällig geworden seien, bewirke keine relevante Verstärkung ihrer persönlichen Interessen. Auch die guten Deutschkenntnisse (des Erstbeschwerdeführers) sowie ein großer Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bei gleichzeitigem Fehlen nennenswerter aufrechter Sozialkontakte im Herkunftsstaat könnten keine ausreichende Verstärkung dieser Interessen bewirken. Es sei kein Grund ersichtlich, der einem Familienleben der Beschwerdeführer, auch mit S., außerhalb des Bundesgebietes entgegenstehe. Die Eheschließung des Erstbeschwerdeführers mit S. im September 2004 sei (zudem) zu einem Zeitpunkt erfolgt, als beide nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich hätten rechnen dürfen. Was die beiden Kinder, die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin, anlange, so seien sie bislang vorwiegend "im Kern der Familie" aufgewachsen, ohne dass darüber hinaus soziale Kontakte in großem Ausmaß geknüpft worden seien. Nichtsdestotrotz - so die belangte Behörde im Ergebnis - stelle die Ausweisung der Beschwerdeführer einen Eingriff in ihr Privatleben dar. Dieser Eingriff sei aber aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses, dringend geboten. Die öffentliche Ordnung werde nämlich schwerwiegend beeinträchtigt, wenn Fremde nach Österreich einreisen und sich nach negativem Abschluss ihrer Asylverfahren - im Fall des Erstbeschwerdeführers sei es zu zwei negativen Entscheidungen gekommen - unerlaubt weiterhin in Österreich aufhalten. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund habe auch von dem der Behörde durch § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessen nicht zu Gunsten der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht werden können, zumal nicht ersichtlich sei, dass die Beschwerdeführer (und S.) bei ihrem "Verwandtenkreis" in der Türkei nicht wieder Anschluss finden könnten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführer halten sich seit rechtskräftiger Beendigung ihrer Asylverfahren unbestritten unrechtmäßig in Österreich auf. Der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem FrÄG 2011) ist daher erfüllt.
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG (in der genannten Fassung) nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (siehe unter vielen aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 2011, Zl. 2011/23/0465).
In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde zwar vorzuwerfen, dass sie die rechtlichen Konsequenzen nicht bedachte, die sich daraus ergaben, dass S. im November 2007 einen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. Nach der Aktenlage kam es nämlich zur Zulassung des Verfahrens, was gemäß § 13 AsylG 2005 ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht der S. zur Folge hatte. Das bewirkte aber weiter, dass die seinerzeit gegen S. erlassene Ausweisung gegenstandslos geworden ist (vgl. in diesem Sinn schon den hg. Beschluss vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/18/0473), weshalb sich die dem bekämpften Bescheid erkennbar zugrunde liegende Prämisse, auch gegen S. liege eine durchsetzbare Ausweisung vor, als verfehlt erweist.
Auch dieses Asylverfahren der S. ist indes im Dezember 2008 rechtskräftig negativ beendet worden. Dass ihr nunmehr kein Aufenthaltsrecht mehr zukommt, ist unstrittig, und es ergibt sich auch aus der Aktenlage nichts Anderes. Von daher kann aber ungeachtet des Vorgesagten im Ergebnis der behördlichen Auffassung nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, es sei - jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides -
der gesamten Familie (den drei Beschwerdeführern und S.) die Führung eines Familienlebens außerhalb des Bundesgebietes zumutbar. Das bewirkt eine maßgebliche Relativierung des mit der Ausweisung einhergehenden Eingriffs in das Familienleben der Beschwerdeführer. Die in der Beschwerde geltend gemachten Beziehungen zu in Wien lebenden Cousins des Erstbeschwerdeführers vermögen ein derartiges Familienleben von vornherein nicht zu begründen.
Was die weiteren von der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Parameter des § 66 Abs. 2 FPG angesprochenen Gesichtspunkte anlangt - im Besonderen den rund achteinhalbjährigen Aufenthalt des Erstbeschwerdeführers in Österreich, seinen weitreichenden "Freundes- und Nachbarnkreis", seine guten Deutschkenntnisse sowie seine strafgerichtliche Unbescholtenheit -, so hat diese die belangte Behörde ohnehin in ihrer Interessenabwägung einbezogen. Strittig ist in diesem Zusammenhang letztlich nur das Ausmaß der noch bestehenden Bindungen des Erstbeschwerdeführers zu seinem Heimatland. Dass dort aber noch seine Eltern und Geschwister leben, stellt auch die Beschwerde nicht in Abrede. Warum insoweit soziale Kontakte nicht wieder hergestellt werden und eine Hilfestellung bei der Neuansiedelung der Familie in der Türkei nicht geleistet werden könne, vermag sie nicht aufzuzeigen. Die behaupteten finanziellen Unterstützungen durch die schon erwähnten, in Wien wohnenden Cousins sind im Übrigen nicht erkennbar an einen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführer gebunden.
Bezugnehmend auf die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin wird noch ergänzend geltend gemacht, dass sich diese in einem "die Entwicklung ihrer Persönlichkeit besonders prägenden Alter" befinden. Die Richtigkeit der behördlichen Annahme, sie seien bisher "vorwiegend im Kern der Familie" aufgewachsen, wird damit allerdings nicht in Zweifel gezogen. Das relativiert - bei zu unterstellender gemeinsamer Rückkehr der gesamten Familie - bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt die Betroffenheit der Kinder, weil auch im Hinblick auf ihr Alter - sie befanden sich im vierten bzw. dritten Lebensjahr - die Annahme gerechtfertigt erscheint, sie werden sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Gegebenheiten anpassen können (vgl. zu dieser Überlegung zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zlen. 2010/21/0124 und 0182 bis 0185).
Der Integration der Beschwerdeführer hielt die belangte Behörde zutreffend entgegen, dass der ihr zugrunde liegende Aufenthalt lediglich auf unbegründeten Asylanträgen beruhte und seit Beendigung der Asylverfahren unrechtmäßig ist. Die während des Aufenthalts erlangten Gesichtspunkte der Integration wurden in einem Zeitraum erworben, als sich der Erstbeschwerdeführer (spätestens auf Grund der erstinstanzlichen Abweisung seines zweiten Asylantrages im Oktober 2001) der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er also nicht mit einem dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen durfte (vgl. § 66 Abs. 2 Z 8 FPG). Für die - hier nur mittelbar zu beurteilende - S. gilt das umso mehr, als ihr erster Asylantrag bereits 2003 rechtskräftig abgewiesen und gegen sie 2005 eine rechtskräftige Ausweisung verhängt worden war. Die genannten Aspekte müssen auch auf die Kinder durchschlagen, wenngleich ihnen ihr fremdenrechtliches Fehlverhalten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann (vgl. dazu abermals das zuletzt genannte Erkenntnis vom 26. Jänner 2012).
Die belangte Behörde ist im Recht, wenn sie im Weiterverbleib der Beschwerdeführer im Inland eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft nämlich zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen, gegen die die Beschwerdeführer verstoßen, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein sehr hoher Stellenwert zukommt (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom 26. Jänner 2012).
Demgegenüber reichen - wie dargestellt - die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Umstände nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von ihrer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen. Auch Ermessensgesichtspunkte, die zu diesem Ergebnis hätten führen müssen, sind nicht zu erkennen. Ihre Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 29. Februar 2012
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