VwGH 2009/16/0098

VwGH2009/16/009827.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Dipl. Vw. K in I, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Bürgerstraße 19/1, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 23. Februar 2009, Zl. I-Präs- 00563e/2008, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1332;
BAO §308 Abs1;
LAO Tir 1984 §231 Abs1;
ABGB §1332;
BAO §308 Abs1;
LAO Tir 1984 §231 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Kommanditist der K GmbH & Co KG, deren Vermögen gem. § 142 UGB im Jahr 2008 durch die K GmbH übernommen wurde.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2008 zog der Stadtmagistrat Innsbruck den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der K GmbH (Rechtsnachfolgerin der K GmbH & Co KG) zur Haftung für näher bezeichnete Abgaben in der Höhe von insgesamt EUR 49.763,17 heran.

Dieser Bescheid wurde laut dem in den Akten einliegenden Rückschein am 17. Juli 2008 von einem Postbevollmächtigten für RSa-Briefe des Beschwerdeführers übernommen.

Mit Schriftsatz vom 30. September 2008 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welchen er mit der Berufung gegen den Haftungsbescheid verband. Er führte aus, am 24. Juli 2008 sei der Ausgleich über sein Vermögen (gemeint wohl: das Vermögen der K GmbH) eröffnet worden. Der Ausgleichsverwalter habe die Forderungsanmeldung der Stadt Innsbruck vom 25. Juli 2008 samt Rückstandsausweis erhalten. Sonst habe dieser keine weiteren Unterlagen erhalten. Der Haftungsbescheid vom 15. Juli 2008 sei an die Adresse des Beschwerdeführers zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe die Unterlagen des Ausgleichsverwalters mit seinen Unterlagen der K GmbH & Co KG irrtümlich mit dem Haftungsbescheid vom 15. Juli 2008 zusammengeheftet, "ohne zu realisieren, dass der Haftungsbescheid auf mich persönlich ausgestellt wurde". Erst bei der Ausgleichstagsatzung am 19. September 2008 habe er die gesamten Akten gesichtet und feststellen müssen, dass er den Haftungsbescheid mit den gesamten Unterlagen der K GmbH & Co KG abgelegt habe.

Mit Spruchpunkt I.) des Bescheides vom 17. Oktober 2008 wies der Stadtmagistrat der Stadt Innsbruck den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab. In Spruchpunkt II.) wies er die Berufung gegen den Haftungsbescheid vom 15. Juli 2008 als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Begründend führte der Stadtmagistrat aus, der Beschwerdeführer hätte aus dem Adressaten, dem Spruch und der eigenhändigen Zustellung als ordentlicher Kaufmann erkennen müssen, dass es sich um einen Bescheid handle, welcher ihn persönlich treffe und mit welchem er zur persönlichen Haftung für rechtskräftig vorgeschriebene Abgaben herangezogen werde. Aus dem Sachverhalt sei jedenfalls kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis iSd § 231 Abs. 1 TLAO abzuleiten.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid vom 17. Oktober 2008 Berufung, in der er ergänzend ausführte, dass in der Zeit bis zur Ausgleichseröffnung am 24. Juli 2008 in seinem Büro - neben dem laufenden Betrieb - ein zusätzlich hoher Arbeitsanfall und eine sich daraus ergebende ungewöhnliche Hektik geherrscht habe, weil der Ausgleichsverwalter u.a. eine Vielzahl von Unterlagen benötigt habe und viele Besprechungen stattgefunden hätten. In dieser Zeit sei die Zustellung des Haftungsbescheides mittels RSa-Briefes erfolgt. Die postbevollmächtigte Sekretärin habe diesen Brief übernommen. Der Bescheid sei irrtümlich mit den Unterlagen des Ausgleichsverwalters zusammengeheftet worden. Es sei dies eine einmalig entschuldbare Fehlleistung, zumal dem Beschwerdeführer und seinem Büro derartige Versäumnisse noch nie passiert seien. Man könne deshalb nicht von einem auffallend sorglosen Umgang mit Behördenschriftstücken sprechen, da in seinem Büro besonders sorgfältig mit Schriftstücken, die die Postbevollmächtigte annehme, umgegangen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe einerseits in seinem Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, dass er selbst den Haftungsbescheid mit verfahrensfremden Unterlagen zusammengeheftet habe, andererseits in seiner Berufung ausgeführt, dass der hohe Arbeitsanfall und die damit verbundene Hektik zum irrtümlichen Zusammenheften des Bescheides mit anderen Unterlagen geführt habe. Es sei somit nicht eindeutig erkennbar, wessen Fehlleistung zur Versäumung der gegenständlichen Frist geführt habe. Der Beschwerdeführer habe zudem keine tauglichen Bescheinigungsmittel beigebracht, um bei der Behörde die Überzeugung herzustellen, dass das behauptete Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes den Tatsachen entspreche. Die durch die Unachtsamkeit verschuldete Fristversäumung habe die Qualifikation als "minderen Grad des Versehens" iSd § 231 TLAO jedenfalls überschritten. Nach dem Erkenntnis (gemeint wohl: Beschluss) des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1992, 92/17/0079, werde die erforderliche, nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt schon dann außer Acht gelassen, wenn das Aneinanderkleben von zwei nicht zusammengehörigen Schriftstücken unbedingt hätte auffallen müssen und daher von einem nur minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden könne. Der unachtsame Umgang mit dem Haftungsbescheid sei nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren. Ein Haftungsbescheid, welcher klar als solcher erkennbar sei, an welchen gewichtige Rechtsfolgen knüpften und welcher mittels RSa-Formular zugestellt werde, hätte jedenfalls mit einer höheren Sorgfalt behandelt werden müssen. Darüber hinaus habe eine Partei, wenn sie sich im Verkehr mit den Behörden des Personals als Hilfsapparat bediene, alle Vorsorgen und Kontrollen zu treffen, welche die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleiste. Insoweit diese Maßnahmen nicht in der Art und in dem Maß getroffen worden seien, wie es nach den Umständen zu erwarten gewesen sei, komme ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Im Beschwerdefall habe der Beschwerdeführer kein substantiiertes Vorbringen erstattet oder taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht, welche bei der belangten Behörde die Überzeugung hergestellt hätten, dass lediglich ein minderer Grad des Versehens bestehe. Auch wenn die Behörde von einem Versehen des Büropersonals des Beschwerdeführers ausgehe, könne darin nicht das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes erkannt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Wiedereinsetzung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift verbunden mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 231 Abs. 1 der (im Beschwerdefall noch anzuwendenden) Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) ist einer Partei, die eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf ihren Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie an der Fristversäumnis kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden trifft.

Ein Ereignis ist dann "unvorhergesehen", wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Es ist "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. Ritz, BAO4, Tz 9ff zu § 308, und die dort angeführte hg. Rechtsprechung).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausgeführt, der Beschwerdeführer habe kein substantiiertes Vorbringen erstattet oder taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht, welche bei der belangten Behörde die Überzeugung hergestellt hätten, dass lediglich ein minderer Grad des Versehens bestehe. Es sei nicht ersichtlich, wessen Fehlleistung zur Fristversäumnis geführt habe. Das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes könne jedenfalls nicht erkannt werden.

Der Beschwerdeführer bringt nun vor, der Haftungsbescheid wäre aufgrund der besonderen Belastungssituation durch das Ausgleichsverfahren von der postbevollmächtigten Sekretärin falsch zugeordnet und abgelegt worden, zumal dieser Bescheid derart worden abgefasst sei, dass auch einen Sachkundigen, der "nicht äußerst genau" hinschaue, entgehen könne, dass es sich um einen Haftungsbescheid handle.

Abgesehen davon, dass es sich bei dem Vorbringen, die Fehlleistung sei der Sekretärin anzulasten, um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt, ist der Beschwerdeführer im Adressfeld des Haftungsbescheides eindeutig und leicht erkennbar als Bescheidadressat ausgewiesen. Auch aus dem Spruch ergibt sich eindeutig, dass dieser als Geschäftsführer der K GmbH zur Haftung für Abgaben in der Höhe von insgesamt EUR 49.763,17 herangezogen wird.

Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer gerade während des erhöhten Arbeits- und Verwaltungsaufwandes während des Ausgleichsverfahrens dafür zu sorgen gehabt hätte, dass durch konkrete Maßnahmen eine sorgfältige Behandlung neu eingegangener behördlicher Schriftstücke sichergestellt werde. Ob und auf welche Weise er solche Maßnahmen ergriffen hatte, hat er aber im Wiedereinsetzungsverfahren nicht vorgebracht. Dass eine Sekretärin solche behördlichen Schriftstücke offensichtlich eigenverantwortlich (d. h. ohne Rücksprache) bereits vorhandenen Unterlagen zuordnen durfte, steht der Annahme des Vorliegens solcher Maßnahmen entgegen. Dass die Sekretärin weisungswidrig gehandelt hätte, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach es dem Beschwerdeführer weder gelungen sei, das Vorliegen eines unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis glaubhaft zu machen, noch von keinem den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden auszugehen sei, ist daher nicht als rechtswidrig zu erachten.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. September 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte