VwGH 2009/16/0067

VwGH2009/16/006727.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch die Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 26. März 2009, Zl. ABK - 27/09, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens i. A. der Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Normen

11997E234 EG Art234;
12010E267 AEUV Art267;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
LAO Wr 1962 §235 Abs1 litb;
LAO Wr 1962 §235 Abs3;
11997E234 EG Art234;
12010E267 AEUV Art267;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
LAO Wr 1962 §235 Abs1 litb;
LAO Wr 1962 §235 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb im Abgabenzeitraum im Bereich der Bundeshauptstadt Wien ein Kaffeehaus.

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2001 schrieb der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (in der Folge: Magistrat) dem Beschwerdeführer für diesen Gastgewerbebetrieb u.a. Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke und Speiseeis für 1995 bis 1999 vor.

Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung änderte der Magistrat der Bundeshauptstadt Wien mit Berufungsvorentscheidung vom 11. November 2004 den Bescheid vom 2. Oktober 2001

u. a. dahingehend ab, dass für die Jahre 1998 und 1999 auch Getränkesteuer für alkoholische Getränke vorgeschrieben wurde. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2005 änderte die belangte Behörde den Bescheid vom 2. Oktober 2001 u.a. dahingehend ab, dass für die Jahre 1998 und 1999 auch Getränkesteuer für alkoholische Getränke vorgeschrieben wurde. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe lediglich für die Jahre 1995 bis 1997 vor dem 9. März 2000 einen Rechtsbehelf eingebracht, nicht aber für die späteren Abgabenzeiträume.

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verfügte die belangte Behörde die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 25. Februar 2005 rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenfestsetzungsverfahrens für die Jahre 1995 bis 1997.

Mit Spruchpunkt II. behob die belangte Behörde den Bescheid vom 25. Februar 2005 für die Jahre 1995 bis 1997 gem. § 239 Abs. 1 WAO.

Mit Spruchpunkt III. änderte die belangte Behörde den Bescheid des Magistrats vom 2. Oktober 2001 dahingehend ab, dass für die Jahre 1995 bis 1997 auch Getränkesteuer für alkoholische Getränke vorgeschrieben wurde. Im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab.

Begründend führte belangte Behörde zur Wiederaufnahme des Verfahrens aus, mit dem Urteil des EuGH vom 10. März 2005, Rs C- 491/03 , seien neue Tatsachen hervorgekommen, welche eine Wiederaufnahme des Getränkesteuerverfahrens nach dem "Neuerungstatbestand" rechtfertigten. Zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei die Wiederaufnahme zu verfügen gewesen, zumal die steuerlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme nicht geringfügig seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich u.a. in seinem Recht darauf, dass das rechtskräftig abgeschlossene Abgabenfestsetzungsverfahren nicht wiederaufgenommen werde, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 235 Abs. 3 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Wiener Abgabenordnung (WAO) ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen u.a. in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens auf den Neuerungstatbestand des § 235 Abs. 3 WAO gestützt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. September 2009, 2008/16/0148, auf dessen Gründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, dient die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht dazu, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offen gelegten Sachverhaltes zu beseitigen. Das spätere Erlassen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vermittelt keine Berechtigung zur Wiederaufnahme von (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren nach dem Neuerungstatbestand.

Im Urteil des EuGH vom 10. März 2005 ("Hermann") kann daher kein Wiederaufnahmegrund nach § 235 Abs. 3 WAO erblickt werden. Die belangte Behörde konnte somit den Wiederaufnahmebescheid nicht auf diesen Wiederaufnahmetatbestand stützen.

Die sich somit ergebende Rechtswidrigkeit der Wiederaufnahme führt auch zur Rechtswidrigkeit der die Wiederaufnahme voraussetzenden (neuen) Abgabenfestsetzung (vgl. wieder das hg. Erkenntnis vom 21. September 2009, 2008/16/0148).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. September 2012

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