VwGH 2009/10/0178

VwGH2009/10/017821.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. der EP in P und 2. der P GmbH in W, beide vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Gaalerstraße 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Juni 2009, Zl. FA13C-56 E-14/2009-46, betreffend Zurückweisung eines Antrages nach dem Stmk. NSchG 1976 wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §25 Abs5;
NatSchG Stmk 1976 §25;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §25 Abs5;
NatSchG Stmk 1976 §25;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Juni 2009 wurde ein bei der belangten Behörde am 28. Mai 2009 eingelangter Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 25 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 1976 (im Folgenden: Stmk. NSchG 1976) für im Europaschutzgebiet Nr. 38 gelegene Grundstücke gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführenden Parteien hätten bereits mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 einen Antrag auf Entschädigung für die im Europaschutzgebiet Nr. 38 näher genannten Grundstücke gestellt, der mit Bescheid ebenfalls der belangten Behörde vom 5. Jänner 2009 abgewiesen worden sei. Nunmehr sei mit Eingabe vom 28. Mai 2009 neuerlich um Zuerkennung eines Entschädigungsbetrages für dieselben Grundstücke angesucht worden. Da über dieselbe Sache bereits eine Entscheidung "- nunmehr gerichtsanhängig -" getroffen worden sei, sei dieser Antrag zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Stmk. NSchG 1976 (idF des LGBl. Nr. 71/2007) haben den folgenden Wortlaut:

"§ 13

Kohärentes europäisches ökologisches Netz 'NATURA 2000'

Artenschutz

Begriffsbestimmungen

(1) Die §§ 13a und 13b dienen dem Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der europäischen Vogelschutzgebiete. Das sind Gebiete, die von der Europäischen Kommission als Teil des kohärenten europäischen ökologischen Netzes mit der Bezeichnung 'NATURA 2000' festgelegt worden sind.

(…)

§ 13a

Europaschutzgebiete

(1) Gebiete gemäß § 13 Abs. 1 sind durch Verordnung der Landesregierung zu besonderen Schutzgebieten mit der Bezeichnung 'Europaschutzgebiet' zu erklären. In diesen Verordnungen sind die flächenmäßige Begrenzung des Schutzgebietes, der Schutzgegenstand, insbesondere prioritäre Lebensräume und prioritäre Arten, der Schutzzweck sowie erforderlichenfalls Ge- oder Verbote festzulegen. Weiter gehende Schutzvorschriften nach diesem Gesetz bleiben unberührt.

(…)

§ 25

Entschädigung

(1) Wer durch Auswirkungen einer Verordnung oder eines Bescheides nach den §§ 5, 6, 11 und 13a

a) gehindert wird, sein Grundstück oder seine Anlage auf die Art und in dem Umfang zu nutzen, wie er zur Zeit der Einleitung des Verfahrens berechtigt ist und dadurch eine erhebliche Minderung des Ertrages oder eine nachhaltige Erschwernis der Wirtschaftsführung oder einen sonstigen erheblichen Vermögensnachteil erleidet oder

b) zu wirtschaftlich nicht zumutbaren Aufwendungen verpflichtet wird, hat gegenüber dem Land Anspruch auf angemessene Entschädigung.

(…)

(3) Die Landesregierung hat über

  1. a) das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls
  2. b) Art und Ausmaß der Entschädigung

    nach Anhörung wenigstens eines Sachverständigen mit Bescheid zu entscheiden.

(4) Falls zwischen dem Land und dem Grundeigentümer, Anlagenbetreiber oder Einforstungsberechtigten keine gütliche Vereinbarung über Art und Ausmaß der Entschädigung zustande kommt, ist der Antrag auf Entschädigung bei sonstigem Anspruchsverlust vom Grundeigentümer, Anlagenbetreiber oder Einforstungsberechtigten innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung bzw. nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides bei der Landesregierung einzubringen.

(5) Jede Partei kann innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides (Abs. 3) die Festsetzung der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel das Grundstück oder die Anlage liegt. Mit dem Einlangen des Antrages bei Gericht tritt der Bescheid außer Kraft. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die im Bescheid festgesetzte Entschädigung als vereinbart. Eine erneute Anrufung des Gerichtes in dieser Sache ist unzulässig.

(…)"

Mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Mai 2006 über die Erklärung des Gebietes "Niedere Tauern" (AT 2209000) zum Europaschutzgebiet Nr. 38, LGBl. Nr. 83/2006 (in der hier maßgeblichen Fassung des LGBl. Nr. 35/2008) wurde ein darin näher umschriebenes Gebiet zum Europaschutzgebiet erklärt und als Europaschutzgebiet Nr. 38 bezeichnet (§ 1 der Verordnung).

Gemäß § 2 Abs. 1 dieser Verordnung liegt der Schutzzweck des Gebietes in der Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes von Schutzgütern nach der Vogelschutz-Richtlinie, wobei auf die Anlage A der Verordnung verwiesen wird, in der die geschützten Vogelarten einzeln angeführt sind.

Die beschwerdeführenden Parteien bringen im Wesentlichen vor, sie hätten tatsächlich mit Eingabe vom 22. Dezember 2008 eine entsprechende Entschädigung beantragt. Aufgrund des abweisenden Bescheides der belangten Behörde vom 5. Jänner 2009 sei derzeit vor dem Bezirksgericht Judenburg ein "Entschädigungsfestsetzungsverfahren insbesondere gemäß § 25 Stmk. NSchG verbunden mit einem Antrag auf Feststellung zukünftiger Haftung anhängig".

Während im Antrag vom 22. Dezember 2008 Entschädigungsansprüche für "jegliche Beeinträchtigungen" angemeldet worden seien, die sich "aus der Ausweisung von Liegenschaften als Natura 2000 Gebiet nach der EU Fauna und Flora Richtlinie sowie nach der EU Vogelschutzrichtlinie ergeben mögen", stütze sich der "aus Vorsichtsgründen" nochmals gestellte Antrag "ausdrücklich auch auf die eingetretene Verkehrswertminderung"; der Antrag vom 28. Mai 2009 sei daher jedenfalls weitergehend als der früher gestellte Antrag.

Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ist der vorliegende Verfahrensverlauf ersichtlich:

Mit Schreiben der beschwerdeführenden Parteien vom 22. Dezember 2008 wurden unter Bezugnahme auf die zitierte Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Mai 2006 betreffend das Europaschutzgebiet Nr. 38 "Entschädigungsansprüche" angemeldet, "welche sich künftig aus der Ausweisung von Liegenschaften als Natura 2000 Gebiet nach der EU Fauna & Flora Richtlinie sowie nach der EU Vogelschutzrichtlinie ergeben mögen".

Nach Abweisung dieses Antrages durch Bescheid der belangten Behörde vom 5. Jänner 2009 beantragten die beschwerdeführenden Parteien beim Bezirksgericht Judenburg am 14. April 2009 gemäß § 25 Abs. 5 Stmk. NSchG 1976 die Zuerkennung einer Entschädigung nach § 25 Stmk. NSchG 1976 sowie die Feststellung der zukünftigen Haftung des Landes Steiermark für aus der Einbeziehung der im Antrag genannten Grundstücke in das Europaschutzgebiet Nr. 38 entstehende Schäden; dabei wiesen die beschwerdeführenden Parteien ausdrücklich auf den abweisenden Bescheid vom 5. Jänner 2009 hin und legten diesen vor.

Der bei Gericht eingebrachte Antrag stimmt mit dem mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesenen Antrag vom 28. Mai 2009 im Wesentlichen überein; die Abweichungen betreffen lediglich den jeweiligen Adressaten der Anträge und für die vorliegende Entscheidung nicht relevante Details (etwa die ziffernmäßige Gliederung des Vorbringens, Bezeichnung des zu bestellenden Sachverständigen und das Kostenersatzbegehren im gerichtlichen Verfahren).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten - darauf hin, dass das zivilgerichtliche Verfahren über den Entschädigungsantrag nach wie vor anhängig sei.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 68 Abs. 1 AVG gestützt. Nach dieser Bestimmung sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, - wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung nach § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt allerdings das Vorliegen eines - bereits in formelle Rechtskraft erwachsenen - Bescheides voraus (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 5, mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).

Mit dem Einlangen des angeführten Entschädigungsantrages bei Gericht am 14. April 2009 trat allerdings der Bescheid der belangten Behörde vom 5. Jänner 2009 gemäß § 25 Abs. 5 zweiter Satz Stmk. NSchG 1976 außer Kraft; diese Bestimmung begründet somit eine - verfassungsrechtlich zulässige - sukzessive Zuständigkeit (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1989, Zl. B 1874/88 = VfSlg 12.073, sowie die weiteren Nachweise bei Mayer, B-VG4 Art. 94 Anm. I.b).

Die belangte Behörde konnte daher die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung des Antrages vom 28. Mai 2009 mangels Vorliegen eines "der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides" nicht auf § 68 Abs. 1 AVG stützen; die durch § 68 Abs. 1 AVG normierte Rechtswirkung der Unwiederholbarkeit ("ne bis in idem") endet gerade mit der Beseitigung des Bescheides

(vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 Rz 464).

Allerdings sind die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt:

Infolge der nach § 25 Abs. 5 Stmk. NSchG 1976 (mit Einbringung des gerichtlichen Antrages am 14. April 2009) begründeten sukzessiven Kompetenz des Gerichtes war die belangte Behörde zu einer Sachentscheidung über den bei ihr am 28. Mai 2009 gestellten (inhaltlich mit dem an das Bezirksgericht Judenburg gerichtenen Antrag im Wesentlichen identen) Antrag nicht mehr zuständig, weshalb sie den Antrag aus diesem Grund hätte zurückweisen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 2001, Zl. 98/10/0333, sowie vom 3. September 2001, Zl. 2001/10/0023).

Dass sich aus dem von der belangten Behörde zum Anlass für die Zurückweisung des Antrages genommenen rechtlichen Grund der entschiedenen Sache gegenüber dem - nach dem Gesagten - zutreffenden Grund der sachlichen Unzuständigkeit unterschiedliche Rechtsfolgen für die beschwerdeführenden Parteien ergeben könnten, die zur Folge hätten, dass diese durch die verfehlte Wahl des rechtlichen Zurückweisungsgrundes in ihrer Rechtsstellung verletzt wären (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 2000/07/0102, mwN), ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Mai 2012

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