Normen
AVG §6;
SHG Bgld 2000 §49 Abs2;
SHG Bgld 2000 §51 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §6;
SHG Bgld 2000 §49 Abs2;
SHG Bgld 2000 §51 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 5. November 2007 bei der Bezirkshauptmannschaft (im Folgenden: BH) Hartberg, Sozialhilfeverband, einen "Antrag auf Spitalskostenrückersatz gem. den Bestimmungen des Stmk. Sozialhilfegesetzes 1998" der für die tschechische Staatsbürgerin J. durch ihren stationären Aufenthalt vom 30. Juli 2007 bis 5. August 2007 im Landeskrankenhaus (LKH) Hartberg entstandenen Behandlungskosten (für eine Entbindung) in Höhe von EUR 3.283,70.
Die BH Hartberg ("für den Sozialhilfeverband Hartberg") leitete diesen Antrag am 9. November 2007 "zuständigkeitshalber" an die BH Güssing weiter, wo er am 12. November 2007 einlangte.
Am 31. Jänner 2008 gab die Beschwerdeführerin gegenüber der BH Güssing eine schriftliche Stellungnahme ab, in der sie ua. ausführte, dass der Antrag auf Spitalskostenrückersatz fristgerecht nach den Bestimmungen des Stmk. SHG erfolgt sei.
Die BH Güssing wies mit Bescheid vom 27. November 2008 den Antrag der Beschwerdeführerin "vom 31.01.2008" (richtig: vom 5. November 2007, bei der BH Güssing eingelangt am 12. November 2007) im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass gemäß § 49 Abs. 2 Burgenländisches Sozialhilfegesetz 2000 (Bgld. SHG 2000) nur solche Kosten ersatzfähig seien, die innerhalb von drei Monaten vor der Anzeige entstanden seien.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass - entgegen dem Berufungsvorbringen - die Zuständigkeit des Landes Burgenland als Sozialhilfeträger in gegenständlicher Angelegenheit gegeben sei. Frau J. sei seit dem 5. April 2007 mit Hauptwohnsitz in Güssing gemeldet; sie sei zu keinem Zeitpunkt in der Steiermark gemeldet gewesen. Gemäß § 49 Abs. 2 Bgld. SHG seien nur jene Kosten ersatzfähig, die innerhalb von drei Monaten vor der Anzeige entstanden seien. Im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sei die am 12. November 2007 bei der BH Güssing eingelangte Anzeige als verspätet zu qualifizieren, da die maßgeblichen Kosten von 30. Juli 2007 bis 5. August 2007 angefallen seien. Die "Wahrungsmeldung" der Beschwerdeführerin an die unzuständige BH Hartberg ersetze die fehlende Anzeige an den zuständigen Sozialhilfeträger - das Land Burgenland bzw. die örtlich zuständige BH Güssing - nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid infolge "Unzuständigkeit der belangten Behörde" bzw. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und die beantragten Kosten zuzusprechen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und die beantragten Kosten zuzusprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Burgenländischen Sozialhilfegesetzes 2000 LGBl. Nr. 5 idF. LGBl. Nr. 43/2006 (Bgld. SHG 2000), lauten (auszugsweise):
"§ 3
Leistungen
(1) Die Sozialhilfe umfasst:
1. Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (§§ 6 bis 14);
…
§ 4
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Voraussetzungen für eine Sozialhilfeleistung ist, dass der hilfsbedürftige Mensch
- 1. …
- 2. seinen Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen seinen Aufenthalt im Burgenland hat.
…
§ 6
Gegenstand
(1) Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes umfasst:
…
3. Krankenhilfe und Hilfe für werdende Mütter (§ 10);
…
§ 49
Ersatzansprüche Dritter gegenüber dem Sozialhilfeträger
(1) Musste einer hilfesuchenden Person zur Sicherung des Lebensbedarfes so dringend Hilfe gewährt werden, dass der Sozialhilfeträger nicht vorher benachrichtigt werden konnte, hat der Sozialhilfeträger diese Kosten zu ersetzen.
(2) Ersatzfähig sind nur die Kosten, die innerhalb von drei Monaten vor der Anzeige entstanden sind; nach der Anzeige aufgewendete Kosten sind nur insoweit ersatzfähig, als sie aufgewendet wurden, bevor der Sozialhilfeträger über die Gewährung von Hilfe entschieden hat.
…
(4) Über den Ersatz der Kosten ist im Verwaltungsweg zu entscheiden.
…
§ 51
Rechtsträger und Behörden
(1) Das Land hat als Träger der Sozialhilfe die Aufgaben nach diesem Gesetz zu besorgen.
(2) Behörden nach diesem Gesetz sind die Bezirksverwaltungsbehörden und die Landesregierung.
…"
1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LBGl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 27/2007 (Stmk. SHG), lauten:
"§ 17
Träger der Sozialhilfe
Träger der Sozialhilfe sind nach Maßgabe dieses Gesetzes das Land, die Sozialhilfeverbände, allfällige sonstige Gemeindeverbände (ISGS), die Stadt Graz als Stadt mit eigenem Statut und die Gemeinden (Sozialhilfeträger).
…
§ 21
Organisation der Sozialhilfeverbände
(1) Die Gemeinden des politischen Bezirkes bilden den Sozialhilfeverband.
(2) Die Sozialhilfeverbände führen den Namen der politischen Bezirke.
(3) …
(4) Geschäftsstelle des Sozialhilfeverbandes ist die Bezirkshauptmannschaft. …
…
§ 23
Vorläufige und endgültige Kostentragung
(1) a) Zur vorläufigen Tragung der Kosten ist jener Sozialhilfeverband (Stadt Graz) verpflichtet, in dessen örtlichem Wirkungsbereich sich der Hilfsbedürftige aufhält (Aufenthaltsverband).
b) Bei Hilfeleistungen in Anstalten, Kasernen, Heimen, betreuten Wohngemeinschaften und ähnlichen Einrichtungen ist jener Sozialhilfeverband (Stadt Graz) zur vorläufigen Tragung der Kosten verpflichtet, in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Hilfsbedürftige vor der Aufnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ist der gewöhnliche Aufenthalt nicht bekannt, so trifft den Aufenthaltsverband die Pflicht zur vorläufigen Kostentragung.
(2) Die endgültige Tragung der Kosten obliegt jenem Sozialhilfeverband (Stadt Graz), in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Hilfsbedürftige vor Antragstellung oder Einleitung des Verfahrens von Amts wegen in den letzten 180 Tagen an mindestens 91 Tagen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
(3) …
(4) Falls eine endgültige Verpflichtung nach Abs. 2 nicht festgestellt werden kann, trifft den nach Abs. 1 zuständigen Sozialhilfeverband (Stadt Graz) auch die Pflicht, die Kosten der Hilfe endgültig zu tragen.
…
§ 27
Rückersätze gegenüber anderen Bundesländern
Rückersätze gegenüber anderen Bundesländern richten sich nach
den zwischen den Ländern geschlossenen Übereinkommen.
…
§ 31
Rückersatzansprüche Dritter für Sozialhilfeleistungen
(1) Der Sozialhilfeträger hat demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:
- a) eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;
- b) die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;
c) der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.
(2) Der Rückersatz muss spätestens sechs Monate nach Beginn der Hilfeleistung bei sonstigem Anspruchsverlust beim örtlich zuständigen Sozialhilfeträger beantragt werden. Im Antrag ist die finanzielle Hilfsbedürftigkeit des Hilfeempfängers durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft machen.
…"
2. Die Beschwerdeführerin bestreitet - wie bereits in der Berufung - die Zuständigkeit des Landes Burgenland als Sozialhilfeträger in gegenständlicher Angelegenheit und bringt dazu vor, sie habe einen Antrag auf Kostenersatz gemäß den Bestimmungen des Stmk. SHG und nicht nach dem Bgld. SHG 2000 gestellt. Damit habe sie den Prozessgegenstand definiert. Die belangte Behörde maße sich durch die Entscheidung eine ihr nicht zustehende Kompetenz an, wodurch das Recht der Beschwerdeführerin "auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung" verletzt sei. Es entspreche der ständigen Spruchpraxis der Steiermärkischen Landesregierung, dass unter dem Begriff des Aufenthaltsverbandes gemäß § 23 Abs. 1 lit. a Stmk. SHG jener Sozialhilfeverband zu verstehen sei, in dessen örtlicher Zuständigkeit die Hilfeleistung erbracht worden sei. Zur Entscheidung über den Kostenersatzantrag der Beschwerdeführerin sei daher die BH Hartberg und nicht die BH Güssing bzw. in weiterer Folge die belangte Behörde zuständig gewesen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
3.1. Der von der Beschwerdeführerin bei der BH Hartberg eingebrachte Antrag vom 5. November 2007 war auf Durchsetzung des - ausdrücklich auf das Stmk. SHG gestützten - Anspruches auf Spitalskostenrückersatz gegenüber dem Sozialhilfeverband Hartberg gerichtet. Damit wurde der Gegenstand des bei der BH Hartberg eingeleiteten Verfahrens bestimmt; die Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Antrag lag bei der BH Hartberg.
3.2. Ausgehend von der Erwägung, dass die BH Hartberg zur Entscheidung in der Sache über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Spitalkostenrückersatz vom 5. November 2007 zuständig war, erweist sich die (am 9. November 2007 erfolgte) Weiterleitung an die BH Güssing gemäß § 6 AVG als nicht rechtens; gleichwohl wurde hiedurch die Entscheidungspflicht der BH Güssing begründet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2003, Zl. 2000/18/0031).
Da der BH Güssing jedoch keine Befugnis zukam, über den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruch gegenüber dem Sozialhilfeverband Hartberg zu entscheiden bzw. das Stmk. SHG zu vollziehen (vgl. auch § 51 Abs. 1 Bgld. SHG 2000, wonach das Land Bgld. als Sozialhilfeträger die Aufgaben "nach diesem Gesetz" zu besorgen hat; einen Antrag auf Rückersatz der gegenständlichen Spitalskosten auf Grundlage des Bgld. SHG 2000 hat die Beschwerdeführerin bei der BH Güssing indes nicht gestellt), war sie lediglich ermächtigt, ihre Unzuständigkeit auszusprechen; weiter reichte ihre durch die Abtretung des erwähnten Antrags begründete Zuständigkeit nicht.
3.3. War aber die Erstbehörde unzuständig, so ist die Berufungsbehörde allein dafür zuständig, diese Unzuständigkeit aufzugreifen. Greift die Berufungsbehörde die sich aus der Unzuständigkeit der Behörde, die in erster Instanz entschieden hat, ergebende Rechtswidrigkeit nicht auf, sondern entscheidet in der Sache selbst, begründet dies eine Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 2011, Zl. 2010/05/0065, mwN).
4. Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 27. November 2012
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)