Normen
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Pakistan, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 5. September 2001 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am 7. September 2001 habe er einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug abgewiesen worden sei. Mit Schreiben vom 27. Februar 2002 sei dem Beschwerdeführer von der Behörde erster Instanz zur Kenntnis gebracht worden, dass beabsichtigt sei, ihn infolge seines unrechtmäßigen Aufenthalts auszuweisen. Am 21. Oktober 2002 habe der Beschwerdeführer die um 24 Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin K geheiratet. In der Folge habe er bei der (damals nach dem Fremdengesetz 1997 - FrG zuständigen) Behörde erster Instanz einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner Ehefrau eingebracht.
Auf Grund eines bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten anonymen Hinweises, dass es sich bei der Ehe um eine Aufenthaltsehe handeln solle, seien Erhebungen eingeleitet worden. Letztlich sei dem Beschwerdeführer aber der beantragte Aufenthaltstitel erteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 21. April 2005 habe der Beschwerdeführer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt. Unter einem habe er bekannt gegeben, dass seine Ehe am 5. April 2005 vom Bezirksgericht Donaustadt geschieden worden sei.
Am 6. Juni 2005 sei die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers von der Behörde erster Instanz vernommen worden. Im Weiteren gab die belangte Behörde den Inhalt dieser Vernehmung wieder. Demnach habe die frühere Ehefrau - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - angegeben, sie habe den Beschwerdeführer gegen ein Entgelt von EUR 5.000,-- geheiratet. Außerdem sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, ihr pro Monat EUR 300,-- zu zahlen, was er anfangs auch gemacht habe. Die Ehe sei von MI-K, den sie nur unter dem Namen "O" gekannt habe, und CI-K vermittelt worden. Die Ehescheidung sei deswegen erfolgt, weil der Beschwerdeführer aufgehört habe, ihr die monatlichen Zahlungen von EUR 300,-- zu leisten. Eine eheliche Gemeinschaft habe nie bestanden.
Anschließend gab die belangte Behörde Auszüge aus der mit CI-K angefertigten Niederschrift vom 2. Dezember 2005 wieder. Daraus ergibt sich - wiederum auf das hier Relevante zusammengefasst -, dass diese eingestanden hat, die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und K zwecks Eingehens der Aufenthaltsehe angebahnt zu haben. Es sei ausgemacht gewesen, dass K vom Beschwerdeführer für die Eheschließung EUR 5.000,-- und in weiterer Folge monatlich EUR 200,-- erhalten sollte. CI-K bestritt allerdings, für ihre Tätigkeit Geld erhalten zu haben.
Des Weiteren führte die belangte Behörde ins Treffen, dass am 5. Juni 2007 MI wegen des Vergehens der Vermittlung von Scheinehen nach § 106 Abs. 1 FrG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Aus dem ihn betreffenden, in Rechtskraft erwachsenen Urteil ergebe sich (u.a.), dass MI gemeinsam durch näher beschriebene Handlungen mit den abgesondert verfolgten MI-K und CI-K die am 21. Oktober 2002 zwischen dem Beschwerdeführer und K (später A) geschlossene Ehe vermittelt habe, wobei MI dafür EUR 10.000,-- erhalten habe, wovon er wiederum EUR 4.000,-- an K weitergeleitet habe.
In ihren beweiswürdigenden Überlegungen führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers aus, dieser habe bestritten, seiner Ehefrau Geldbeträge übergeben zu haben, und behauptet, sie aus Liebe geheiratet zu haben. Es sei "daher unter Bedachtnahme auf die Aussagen", insbesondere die Aussagen von K und CI-K, "sowie der Erhebungen und der Feststellungen des oben angeführten Gerichtsurteils" davon auszugehen, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Es bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit der Aussagen der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers zu zweifeln. Sie könnte "weder aus dem Fortbestand der Ehe noch aus einer allfälligen Scheidung bzw. Nichtigerklärung" Nutzen ziehen. Hingegen habe der Beschwerdeführer ein massives Interesse, das Eingehen einer Aufenthaltsehe zu bestreiten. Schließlich sichere "ihm die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin das weitere Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, sowie den freien Zugang zum Arbeitsmarkt". Ein "Indiz für das Vorliegen einer sogenannten Scheinehe" stelle insbesondere dar, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ausführlich dargelegt habe, wie "das gesamte Procedere bis hin zur Heirat abgelaufen" sei. Auf Grund der Angaben der Ehefrau stehe sohin fest, dass ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt worden sei. Ein Hinweis darauf, dass die Aussage der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers auf Grund "ihres Geisteszustandes" nicht glaubwürdig erschienen wäre, sei nicht zutage getreten. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, insbesondere jene in seiner Berufung, seien als bloße Schutzbehauptungen zu werten.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach durch das Verhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige, vorliege, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zulässig und aus welchen Gründen es für die festgelegte Dauer zu befristen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. März 2008, B 351/08-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich in erster Linie gegen die Verfahrensführung der belangten Behörde. Er macht geltend, er habe bereits im Verwaltungsverfahren Widersprüche in den Aussagen jener Personen, deren Angaben die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zu Grunde legte, aufgezeigt. Dies sei aber von der belangten Behörde nicht beachtet worden. Darüber hinaus habe er mehrere Beweisanträge, wie die Vernehmung diverser Zeugen, die Vornahme einer Gegenüberstellung und die Beischaffung des seine frühere Ehefrau betreffenden Pflegschaftsaktes beantragt. Seine Beweisanträge habe die belangte Behörde aber übergangen. Dieses Vorbringen ist berechtigt.
Nach ständiger hg. Rechtsprechung dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne zulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist. Es ist nicht zulässig, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2008/18/0634, mwN).
Bereits im Verwaltungsverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, es seien ihm die Namen MI-K und CI-K gänzlich unbekannt. Selbst nach Vorhalt eines Fotos von MI-K könne er ausschließen, jemals mit diesem Kontakt gehabt zu haben. Es müsse daher eine Verwechslung, die möglicherweise auf einer Namensähnlichkeit beruhe, vorliegen. Zum Beweis für dieses Vorbringen beantragte der Beschwerdeführer neben der Vernehmung dieser Zeugen auch die Vornahme einer Gegenüberstellung. Des Weiteren führte der Beschwerdeführer zur Gestaltung des Ehelebens konkrete Lebenssachverhalte, wie etwa das Tätigen von Einkäufen in einem namentlich genannten Einkaufszentrum und die Art der Aufteilung der Haushaltsarbeiten an. Nach einem Jahr - so das weitere Vorbringen - des "ungestörten Zusammenlebens" hätte sich dann ein Bekannter seiner früheren Ehefrau namens "W" zwischen die Ehepartner gedrängt. Die "Besuchstätigkeiten" von "W" bei seiner Ehefrau hätten zugenommen, was letztlich auch zur Ehescheidung geführt hätte. Der Beschwerdeführer hätte eine "Ehe zu dritt" nicht dulden wollen. Dies wäre auch der Grund gewesen, weshalb er im August 2004 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen sei. Zum Beweis für sein Vorbringen beantrage er die Vernehmung von MI-K, CI-K und auch seiner früheren Ehefrau. Diese Beweisanträge hielt der Beschwerdeführer auch in seiner Berufung mit näherer Begründung aufrecht. In einer weiteren Stellungnahme führte er ergänzend aus, dass jener "W", der für das Scheitern seiner Ehe verantwortlich wäre, auch in "verleumderischer Weise" gegen ihn vorgegangen wäre. Er hätte sich aber den Erpressungsversuchen des "W" nicht gebeugt und die von diesem geforderten Geldbeträge nicht gezahlt. Aus diesem Grund hätte "W" seine frühere Ehefrau zu der für den Beschwerdeführer "abträglichen Aussage" gezwungen. In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme nahm der Beschwerdeführer auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 5. Juni 2007 Bezug und brachte vor, dass "die Herrschaften" I-K und auch MI seine Ehe von sich aus "ins Spiel gebracht" hätten und "offensichtlich bloß der Versuch gestartet" worden wäre, im Rahmen tätiger Reue Strafausschließungs- bzw. Strafaufhebungsgründe zu erlangen. Der Beschwerdeführer selbst wäre im Strafverfahren nicht vernommen worden. Auch wurde vorgebracht, dass die Angaben seiner ehemaligen Ehefrau, abgesehen vom schon bisher erstatteten Vorbringen, auch deshalb "mit besonderer Vorsicht zu genießen" wären, weil sie besachwaltet sei. Zum Nachweis dafür beantragte er die Beischaffung des seine Ehefrau betreffenden Pflegschaftsaktes. Im Weiteren wies der Beschwerdeführer nochmals auf Widersprüche in den Angaben seiner früheren Ehefrau hin.
Die belangte Behörde kam nun weder den Beweisanträgen des Beschwerdeführers nach noch legte sie dar, weshalb es gesetzlich nicht geboten gewesen wäre, diesen entsprechen zu müssen. Vielmehr ist der belangten Behörde zum Vorwurf zu machen, dass sie ausschließlich den Beschwerdeführer belastende Beweisergebnisse berücksichtigte, jenem Vorbringen und jenen Beweisanträgen, die er zu seiner Entlastung darbot, aber überhaupt keine Beachtung schenkte. Angesichts des oben - und sogar zusammengefasst auch im angefochtenen Bescheid - wiedergegebenen Vorbringens des Beschwerdeführers kann dem aber die Relevanz für den Verfahrensausgang nicht abgesprochen werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde nach Vernehmung der Zeugen und Durchführung ergänzender Erhebungen im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 24. Jänner 2012
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