VwGH 2008/04/0161

VwGH2008/04/016126.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X Dienstleistungs- & HandelsgesellschaftmbH in Y, vertreten durch Dr. Dieter Neger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Parkstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 5. August 2008, Zlen. UVS 443.7-3/2008-13 und UVS 453.7-4/2008- 11, betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages (mitbeteiligte Partei: Abfallwirtschaftsverband A in A, vertreten durch Dr. Werner Mecenovic, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wastiangasse 7, weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

62002CJ0230 Grossmann Air Service VORAB;
LVergRG Stmk 2007 §4;
62002CJ0230 Grossmann Air Service VORAB;
LVergRG Stmk 2007 §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages betreffend die Verwertung und Beseitigung von Siedlungsabfällen in mehreren Gemeinden des Bezirkes G. ausgeschrieben. Die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften erfolgte am 20. Juni 2008. Die Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge wurde zunächst mit 28. Juli 2008, 11 Uhr, festgesetzt und danach von der Auftraggeberin auf den 4. August 2008 erstreckt (Veröffentlichung der Fristerstreckung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 25. Juli 2008).

Am 21. Juli 2008 brachte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde persönlich einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung ein und führte begründend aus, die Ausschreibung sei diskriminierend und gleichheitswidrig, weil sie vom Bieter den Nachweis über einen Jahresumsatz von zumindest EUR 10 Millionen verlange. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2008 beantragte die Beschwerdeführerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die genannten Anträge als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Nachprüfungsantrag wäre gemäß § 5 Abs. 3 Z. 2 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz - StVergRG bis sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist einzubringen gewesen, weil im gegenständlichen Fall die Frist für die Einbringung von Teilnahmeanträgen mehr als 15 Tage betragen habe. Da die Frist für den Teilnahmeantrag für die Beschwerdeführerin am 28. Juli 2008, 11 Uhr, geendet habe (die Fristerstreckung auf den 4. August 2008 sei für die Beschwerdeführerin nicht maßgebend, weil im Zeitpunkt der Einbringung des Nachprüfungsantrages die Frist für den Teilnahmeantrag noch am 28. Juli 2008 geendet habe), habe die Frist für den Nachprüfungsantrag sieben Tage vor Ablauf des 28. Juli 2008 (der letztgenannte Tag sei dabei nicht mitzuzählen; Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2007, Zl. 2006/04/112), somit am 20. Juli 2008 geendet.

Allerdings sei der 20. Juli 2008 ein Sonntag gewesen, sodass § 33 Abs. 2 AVG zur Anwendung gelange. Da aber in einem Fall wie dem vorliegenden - so die belangte Behörde scheinbar unter Bezugnahme auf das zitierte hg. Erkenntnis -"der Lauf der Frist sozusagen 'umgekehrt' zu rechnen ist und der letzte Tag der Antragsfrist für einen Nachprüfungsantrag ein Sonntag war, war der 'nächste' Werktag nicht Montag, der 21.07.2008, sondern vielmehr Freitag, der 18.07.2008". Spätestens am 18. Juli 2008 hätte daher der Nachprüfungsantrag eingebracht werden müssen.

Der am 21. Juli 2008 eingebrachte Nachprüfungsantrag und der Antrag auf einstweilige Verfügung seien daher außerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG gestellt worden und somit verspätet.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 des Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetzes - StVergRG, LGBl. Nr. 154/2006, lautet:

"§ 5

Fristen für Nachprüfungsanträge

...

(3) Anträge auf Nachprüfung von Ausschreibungs- oder

Wettbewerbsunterlagen sind,

1. sofern die Angebotsfrist oder die Frist zur

Vorlage der Wettbewerbsarbeiten weniger als 15 Tage beträgt, bis

drei Tage und

2. in allen übrigen Fällen bis sieben Tage

vor Ablauf der Angebotsfrist oder der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten einzubringen."

1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Soweit die Auftraggeberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Standpunkt vertritt, die Beschwerdeführerin habe niemals einen Teilnahmeantrag gestellt und habe daher kein Rechtsschutzinteresse, ist ihr Folgendes zu entgegnen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung damit begründet, dass diese Ausschreibung diskriminierende und gleichheitswidrige Bestimmungen enthalte (geforderter Nachweis über einen Jahresumsatz von zumindest EUR 10 Millionen), die sie nicht erfüllen könne. Es kann daher von der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden, einen von vornherein aussichtslosen Teilnahmeantrag zu stellen, um die Ausschreibung bekämpfen zu können (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 12. Februar 2004, C-230/02 , Grossmann Air Service, Rn 28-30, sowie darauf Bezug nehmend das hg. Erkenntnis vom 30. April 2008, Zl. 2007/04/0060).

2. Zur Frage der Verspätung der Anträge:

Im vorliegenden Fall betrug die Frist für den Teilnahmeantrag unstrittig mehr als 15 Tage, sodass der Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibung gemäß § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG bis sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist (hier: bis sieben Tage vor Ablauf der Frist für den Teilnahmeantrag; vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2006/04/0112) einzubringen war.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob, wie die Beschwerde hilfsweise vorbringt, die Erstreckung der Frist für den Teilnahmeantrag auf den 4. August 2008 auch für die Beschwerdeführerin maßgebend war (diesfalls wäre der am 21. Juli 2008 eingebrachte Nachprüfungsantrag jedenfalls innerhalb der Sieben-Tage-Frist des § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG gelegen und damit rechtzeitig). Der Nachprüfungsantrag ist nämlich auch dann innerhalb der Frist des § 5 Abs. 3 Z. 2 StVergRG eingebracht, wenn die Frist für den Teilnahmeantrag, wie die belangte Behörde meinte, am 28. Juli 2008 geendet hat. Diesfalls wäre nämlich das Ende der Sieben-Tage-Frist der letztgenannten Bestimmung auf den Sonntag, den 20. Juli 2008 gefallen (weil bei der Berechnung der 28. Juli 2008 außer Betracht zu bleiben hatte; vgl. abermals das zitierte hg. Erkenntnis 2006/04/0112). Dies hätte aber, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, Zl. 2008/04/0140, hinsichtlich eines weiteren Nachprüfungsantrages zum selben Vergabeverfahren ausgesprochen hat und auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, gemäß § 33 Abs. 2 AVG dazu geführt, dass die Frist für den Nachprüfungsantrag am nächsten Werktag (Montag, 21. Juli 2008) endete und nicht, wie die belangte Behörde meint, bereits am vorangegangenen Freitag, dem 18. Juli 2008.

Der am 21. Juli 2008 eingebrachte Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin war daher (ebenso wie der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, für den das StVergRG in § 11 Abs. 3 eine Fristsetzung nur für den hier nicht vorliegenden Fall der isolierten Einbringung vorsieht) rechtzeitig, sodass sich die Zurückweisung dieser Anträge als rechtswidrig erweist.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. September 2012

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