VwGH 2011/01/0106

VwGH2011/01/010628.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie Hofrat Dr. Blaschek und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des Lordsupport Anthony Onyeji in Wien, geboren am 18. Juni 1975, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Februar 2008, Zl. 306.715- 3/2E-XVII/55/08, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Normen

AsylG 1997 §8 Abs2;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
AsylG 1997 §8 Abs2;
EMRK Art8 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers) abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 25. Mai 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. In seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, während seiner Studienzeit an der Universität Lagos einer geheimen Gesellschaft angehört zu haben. In der Folge habe der Beschwerdeführer seine Mitgliedschaft in diesem Kult aufgegeben und versucht, auch andere Mitglieder zum Austritt aus dem Kult zu bewegen. Aus diesem Grund sei er von anderen Kultmitgliedern zusammengeschlagen und bedroht worden, weshalb er seine Heimat verlassen habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Jänner 2008, mit welchem sein Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt worden war, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.), sowie weiters seine Ausweisung nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 2 AsylG verfügt worden war (Spruchpunkt III.), gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG ab. Die belangte Behörde erachtete das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers mit näherer Begründung als unglaubwürdig und verwies zudem hilfsweise auf eine dem Beschwerdeführer offenstehende innerstaatliche Fluchtalternative. Zur Ausweisung führte die belangte Behörde begründend aus, der Beschwerdeführer habe am 5. Mai 2007 eine slowakische Staatsangehörige, die er im Jahr 2006 - während des laufenden Asylverfahrens - am Bahnhof in Wien kennen gelernt habe, geheiratet. Seine Gattin lebe in der Slowakei, wo sie an der Universität studiere, und besuche ihn an den Wochenenden bzw. wenn etwas "Wichtiges" vorliege. Er werde von seiner Gattin nicht finanziell unterstützt und bemühe sich, für die Slowakei einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Mangels Vorliegen eines relevanten Familienlebens in Österreich stelle die Ausweisung keinen Eingriff in dieses Grundrecht dar und es bedürfe daher auch keiner Abwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK. Der Beschwerdeführer halte sich erst seit weniger als drei Jahren im Bundesgebiet auf und es seien auch keine anderweitigen Fakten hervorgekommen, die zur Annahme eines rechtlich relevanten Privatlebens gereichen würden. Es könne kein relevanter Eingriff in das Recht auf Privatleben durch eine Ausweisung festgestellt werden, weshalb es auch hier keiner Abwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK bedürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zu I.:

Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer habe, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt habe, am 5. Mai 2007 eine slowakische Staatsangehörige geheiratet. Auch wenn der Beschwerdeführer mangels (noch nicht) vorliegenden Einreise- und Aufenthaltstitels für die Slowakei nicht durchgehend mit seiner Ehefrau, welche ihn in Österreich aber regelmäßig besuche, gemeinsam leben könne, so bestehe - wie aus dem Akt hervorgehe - zwischen den beiden Eheleuten doch intensiver Kontakt. Dass seine Ehefrau sich regelmäßig in der Slowakei aufhalte, habe seine Ursache u.a. auch darin, dass sie sich um die Erteilung eines Einreise- und Aufenthaltstitels für ihren Ehemann, den Beschwerdeführer, bemühe. Die belangte Behörde sei jedoch in Verkennung der Rechtslage zu dem Schluss gekommen, dass die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und es daher keiner Abwägung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK bedürfe. Die belangte Behörde sei offenbar davon ausgegangen, dass nur ein dauerndes, ununterbrochenes Zusammenleben von Eheleuten ein iSd Art. 8 EMRK relevantes Ehe- und Familienleben darstelle. Familienleben setze jedoch ein Zusammenleben nicht notwendig voraus, vielmehr sei davon auszugehen, dass eheliche Beziehungen immer unter den Begriff des (verfassungsrechtlich geschützten) Familienlebens fallen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Ausweisung des Beschwerdeführers auf.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, sind Beziehungen, die sich aus einer rechtmäßigen Eheschließung ergeben, auch dann von Art. 8 EMRK erfasst, wenn bestimmte Elemente eines typischen Familienlebens, wie z.B. eine gemeinsame Wohnung, (noch) nicht vorhanden sind. Der Begriff des in Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens umfasst jedenfalls das Verhältnis zwischen Ehepartnern, wobei es nicht darauf ankommt, ob die genannten Personen tatsächlich zusammenleben (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. März 2010, Zl. 2008/22/0635, und vom 24. November 2000, Zl. 2000/19/0126, mit Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 28. Mai 1985, Abdulaziz ua. gegen Vereinigtes Königreich, sowie das Urteil des EGMR vom 12. Jänner 2010, A. W. Khan, 47486/06 Rn 34).

Die belangte Behörde hat hingegen das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK offenbar schon allein deshalb verneint, weil der Beschwerdeführer und seine Ehefrau lediglich die Wochenenden gemeinsam verbringen, sich seine Ehefrau im Übrigen in der Slowakei aufhält und diese den Beschwerdeführer finanziell nicht unterstützt. Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht hat es die belangte Behörde unterlassen, die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderliche Interessenabwägung durchzuführen (vgl. dazu sowie zu den dabei zu beachtenden Kriterien das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zlen. 2006/01/0954 bis 0956, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen abzulehnen.

Wien, am 28. Juni 2011

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