Normen
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs3;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §43 Abs2;
NAG 2005 §44b Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. November 2010 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 31. August 2003 illegal nach Österreich gereist und habe am 1. September 2003 einen Asylantrag gestellt, der am 17. März 2010 im Instanzenzug vom Asylgerichtshof rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 5. November 2010 habe der Beschwerdeführer einen (Erst-)Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" (§ 43 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) eingebracht, das entsprechende Verfahren sei anhängig.
Der Beschwerdeführer habe zwar während seines Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt, sei aber nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens in Österreich verblieben und halte sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG lägen somit vor.
Bei ihrer Interessenabwägung gemäß § 66 FPG hielt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu einem "entfernten" Onkel verfüge. Trotz des daher mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - dringend geboten.
Im Rahmen der Beurteilung seiner persönlichen Verhältnisse sei auf den mehr als siebenjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen, gleichzeitig aber zu berücksichtigen, dass sich sein Asylantrag nachträglich als unberechtigt herausgestellt habe, wobei der Beschwerdeführer spätestens nach der am 23. September 2003 erfolgten erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages nicht mehr von einem gesicherten Aufenthalt in Österreich habe ausgehen dürfen. Auch seine familiäre Bindung sei insofern zu relativieren, als es sich bei seinem Onkel nach eigenen Angaben lediglich um einen "entfernten Verwandten" handle, mit dem er auch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers hätten gegenüber den - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten. Die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Bei dieser Entscheidung sei berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer unbescholten sei. Andererseits verfüge er in seinem Heimatland über massive familiäre Bindungen zu seinem Vater, seiner Ehefrau und zwei Töchtern sowie zu einem Bruder und zwei Schwestern. Der Beschwerdeführer habe den größten Teil seines Lebens in seiner Heimat verbracht. Es sei daher davon auszugehen, dass er schon auf Grund der perfekten Beherrschung seiner Muttersprache im Falle einer Rückkehr in der Lage sein werde, bestehende soziale Kontakte aufzufrischen bzw. neue zu knüpfen.
Der Beschwerdeführer, der sich seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, habe Bestimmungen des NAG in gravierender Weise missachtet. Dabei könne auch der Versuch, seinen Aufenthalt durch einen (Inlands-)Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, nicht positiv gewertet werden, weil Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 NAG grundsätzlich nur mehr vom Ausland aus erwirkt werden könnten. Diese "Hinwegsetzung" über eine maßgebliche fremdenrechtliche Norm bewirke eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt seiner Person auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid enthaltenen und in der Beschwerde nicht bekämpften Ausführungen, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei und dieser sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2.1. Im Zusammenhang mit der gemäß § 66 FPG gebotenen Interessenabwägung bringt der Beschwerdeführer vor, dass er sich seit fast acht Jahren in Österreich befinde und hier seinen Lebensmittelpunkt habe. Die lange Verfahrensdauer des Asylverfahrens könne ihm nicht vorgeworfen werden, zumal er lediglich von seinem Recht auf Erhebung eines Rechtsmittels Gebrauch gemacht habe. Er sei stets bemüht gewesen, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und dieser nicht zur Last zu fallen. Abgesehen von der Selbstverständlichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen, wobei er diese zugegebenermaßen in Wort und Schrift nicht perfekt wie ein hier aufgewachsener Bürger beherrsche, habe sich der Beschwerdeführer stets darum bemüht, einer legalen Beschäftigung nachzugehen, und des Öfteren beim zuständigen Arbeitsmarktservice zusammen mit potentiellen Arbeitgebern um eine arbeitsrechtliche Genehmigung angesucht. Diese sei ihm lediglich einmal befristet im Jahr 2004, aber nunmehr auch seit dem 8. Oktober 2010 erteilt worden. Der Beschwerdeführer sei sowohl kranken- als auch unfallversichert und wohne seit seiner Einreise in einer Mietwohnung. Durch seinen langjährigen Aufenthalt und durch Besuche in kurdischen Vereinen und Veranstaltungen verfüge er über einen großen Freundeskreis.
Zu seiner in der Türkei lebenden Familie habe er nur mehr sporadischen Kontakt. Abgesehen von Problemen mit den türkischen Behörden sei im Falle seiner Rückkehr in die Türkei damit zu rechnen, dass er von seiner Familie ausgestoßen werde, weil er diese verlassen und sich nicht um sie gekümmert habe.
Die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatland seien teilweise nicht richtig, zumal der Vater des Beschwerdeführers bereits im Jahr 2004 verstorben und es daher nicht nachvollziehbar sei, auf welche Grundlagen die belangte Behörde die getroffenen Feststellungen stütze. Es sei nicht mit einer Unterstützung des Beschwerdeführers durch die Familie in der Türkei zu rechnen, vielmehr bestehe die Vermutung, dass die Familie mit ihm nicht mehr in Kontakt treten wolle.
Die belangte Behörde stütze daher ein wesentliches Argument ihrer Interessenabwägung auf ein aktenwidriges Sachverhaltsmerkmal. Der Beschwerdeführer sei nicht zu seinen familiären Bindungen in der Türkei befragt worden. In diesem Fall wäre die Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgefallen. Der belangten Behörde sei daher willkürliches Verhalten vorzuwerfen.
Der Beschwerdeführer habe am 5. November 2010 einen Antrag auf Erteilung eines "Aufenthaltstitels unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt. Die belangte Behörde ignoriere den Text der genannten Bestimmung, wonach der Antrag bei der zuständigen Behörde im Inland zu stellen sei. Dem Beschwerdeführer könne daher die Inlandsantragstellung nicht vorgeworfen werden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw. familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte. Gegenständlich bestünden keine dringenden Gründe, die die Ausweisung des Beschwerdeführers im Lichte des Art. 8 Abs. 2 EMRK für notwendig erscheinen ließen.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 31. August 2003, somit seit etwas weniger als sieben Jahren und drei Monaten, seine in Österreich bestehende familiäre Bindung zu einem "entfernten" Onkel und seine Unbescholtenheit berücksichtigt. Sie ist von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen.
Die aus der genannten Aufenthaltsdauer resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als er bisher lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz auf Grund seines Asylantrages, der sich als unberechtigt herausgestellt hat, verfügt hat und sich seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0209, mwN).
Der Beschwerdeführer führt zwar zutreffend aus, dass die Rechtsansicht, der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration sei überhaupt kein Gewicht beizumessen, verfehlt wäre. Eine derartige Rechtsansicht hat die belangte Behörde aber nicht vertreten. Die behördliche Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden, zumal Aufenthaltszeiten während eines Asylverfahrens grundsätzlich nur ein vermindertes Gewicht zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 2010, Zl. 2010/18/0357), der Beschwerdeführer - worauf die belangte Behörde richtig verweist - spätestens seit der am 23. September 2003 erfolgten erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages nicht mehr von einem gesicherten Aufenthalt in Österreich ausgehen durfte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2010, Zl. 2010/22/0100) und den Feststellungen der belangten Behörde, wonach es sich bei dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Onkel lediglich um einen "entfernten Verwandten" handle, mit dem er nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, in der Beschwerde nicht entgegentritt.
Da der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages über keine Berechtigung zum Aufenthalt mehr verfügt, die ihn zur Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung berechtigen würde, zeigt auch der Beschwerdehinweis auf die "ihm" seit 8. Oktober 2010 erteilte arbeitsrechtliche Genehmigung keinen Mangel der behördlichen Interessenabwägung auf (vgl. dazu erneut das hg. Erkenntnis, Zl. 2010/18/0357, mwN).
Mit seinen Ausführungen zu dem von ihm gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellten Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts gewonnen, weil ein nach der genannten Bestimmung gestellter Antrag gemäß § 44b Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründet, der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegensteht und in fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 15. September 2010, Zl. 2010/18/0315, mwN).
Den aus den dargestellten Gründen - trotz seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich - relativierten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt (vgl. erneut das hg. Erkenntnis, Zl. 2010/18/0357, mwN). Bei Abwägung der gegenläufigen Interessen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, keinen Bedenken.
An diesem Ergebnis ändert auch das Beschwerdevorbringen nichts, der laut angefochtenem Bescheid in der Türkei lebende Vater des Beschwerdeführers sei bereits im Jahr 2004 verstorben, wird in der Beschwerde doch nicht bestritten, dass im Heimatland des Beschwerdeführers (auch) dessen Ehefrau, zwei Töchter, ein Bruder und zwei Schwestern wohnen. Selbst wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers dessen - von ihm selbst lediglich als "Vermutung" bezeichnetes - Vorbringen zu Grunde legte, dass die in der Türkei lebende Familie mit ihm nicht mehr in Kontakt treten wolle, würde dieser Umstand seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht wesentlich vergrößern, zumal er auch in Österreich auf keine intensiven familiären Bindungen verweisen kann und im Übrigen im Jahr 2003 erst im Alter von 36 Jahren nach Österreich eingereist ist.
Soweit in der Beschwerde schließlich auf nicht näher konkretisierte "Probleme mit den türkischen Behörden" verwiesen wird, ist dem zu entgegnen, dass über eine damit allenfalls behauptete Bedrohung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland in einem gesonderten Verfahren (vgl. § 51 FPG) zu entscheiden ist und diese Behauptung die Erlassung einer Ausweisung nicht hindert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 2010, Zl. 2010/18/0251, mwN).
3. Auf dem Boden des Gesagten geht auch die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, der Beschwerdeführer sei zu seinen familiären Bindungen in der Türkei nicht befragt worden, ins Leere.
4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2011
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