Normen
BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs3;
BAO §184;
BAO §184 Abs1;
BAO §184 Abs3;
BAO §184;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betrieb von 2001 bis September 2002 ein italienisches Restaurant. Ab Oktober 2002 verpachtete sie das Restaurant an ihren Ehemann, war aber weiterhin im Betrieb tätig.
Im Jahre 2006 führte das Finanzamt bei der Beschwerdeführerin eine Außenprüfung durch. Der Prüfer traf die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin Lebensmittel für ihren Betrieb u.a. beim Großhandelsunternehmen M eingekauft und einen Teil dieser Wareneinkäufe nicht in ihr Rechnungswesen aufgenommen habe. Die nicht erfassten Lebensmitteleinkäufe entsprächen im Jahr 2001 ca. 15 % und im Jahr 2002 ca. 25 % des gesamten "10 %igen Wareneinkaufes". Den auf Grund dieser Feststellung berichtigten "Wareneinkauf" für Lebensmittel multiplizierte der Prüfer mit einem Rohaufschlagskoeffizienten und ermittelte auf diese Weise Hinzuschätzungsbeträge an Betriebseinnahmen und steuerpflichtigen Umsätzen. Aus dem Umstand, dass ein Teil der beim Großhandelsunternehmen M eingekauften Lebensmittel nicht im Rechnungswesen der Beschwerdeführerin erfasst wurde, schloss der Prüfer, dass auch andere "Schwarzeinkäufe" getätigt worden seien, weshalb er auch hinsichtlich der Getränke, also der "20 %igen Umsätze", eine Erlös- und Umsatzhinzuschätzung vornahm, und zwar pauschal im Ausmaß von 10 % für das Jahr 2001 und von 20 % für das Jahr 2002.
Gegen die den Prüfungsfeststellungen entsprechend ergangenen Bescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2001 und 2002 brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein und beantragt die Beseitigung, hinsichtlich des Jahres 2002 die Verringerung der Zuschätzung. Zur Begründung führte sie aus, gegen die Feststellung der nicht verbuchten Wareneinkäufe bestehe kein Einwand. Die Berufung richte sich jedoch gegen die Art der Schätzung. Bei den Speisen ("10 %ige Umsätze") sei die Zuschätzung auf die Weise errechnet worden, dass der nicht erklärte Einkauf mit einem Rohaufschlagskoeffizienten von 4,5 multipliziert worden sei. Die Beschwerdeführerin habe jedoch bereits im Rahmen der Außenprüfung eingewendet, dass dieser Rohaufschlag nicht den Rohaufschlägen der tatsächlich angebotenen Speisen entspreche. Die Einzelkalkulation der Speisen ergebe einen gewichteten Rohaufschlagskoeffizient von 3,6. Der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin habe für die Einzelkalkulation die in der Speisekarte ausgewiesenen Speisen herangezogen, Einzelrohaufschläge und sodann unter Berücksichtigung der Nachfragehäufigkeit dieser Speisen einen entsprechend gewichteten Rohaufschlagskoeffizienten ("Durchschnittsaufschlag") laut Einzelkalkulation ermittelt. Den im Prüfungsverfahren erhobenen Einwand, dass der vom Prüfer herangezogene Rohaufschlagskoeffizient nicht den tatsächlichen Rohaufschlägen der angebotenen Speisen entspreche, habe der Prüfer nicht beachtet und bloß darauf verwiesen, dass sich der Rohaufschlagskoeffizient "in den abgegebenen Erklärungen" ergebe. Tatsächlich seien die aus den eingereichten Steuererklärungen errechenbaren Rohaufschläge wesentlich zu hoch. Erst durch die Zurechnung der nicht erfassten Einkäufe komme der Rohaufschlag den tatsächlichen Verhältnissen nahe. Dies müsse zu dem Schluss führen, dass zwar der vom Finanzamt festgestellte nicht erfasste Wareneinkauf tatsächlich erfolgt sei, bei der Losungsermittlung der nicht erfasste Einkauf jedoch zu einem großen Teil "unberücksichtigt" geblieben sei, also die vom Bedienungspersonal abgelieferten Losungen weitgehend aufgezeichnet worden seien. Es sei die Beschwerdeführerin gewesen, die für die täglichen Losungsaufzeichnungen zuständig gewesen sei. Sie habe die Losungsermittlung vorgenommen und die Aufzeichnungen geführt. Für die Küche und den Einkauf sei hingegen ihr Ehemann zuständig gewesen.
Der Berufung wurde die Berechnung des Einzelrohaufschlages für die einzelnen Speisen und eines gewichteten Einzelrohaufschlages für Speisen beigelegt, weiters je eine - nach Speisen und Getränken unterteilte - Umsatzkalkulation für die Jahre 2001 und 2002, wobei bei Speisen ein Rohaufschlag von 260% und bei Getränken ein solcher von 665% (für 2001) und von 706% (für 2002) angesetzt wurde.
Der Prüfer führte in seiner Stellungnahme zur Berufung im Wesentlichen aus, es widerspreche den Erfahrungen des wirtschaftlichen Lebens, dass Wareneinkäufe "schwarz" getätigt würden, der dazugehörige Erlös jedoch ordnungsgemäß erklärt werde. Es sei unglaubwürdig, dass Jahre hindurch Steuererklärungen eingereicht würden, denen zu hohe Rohaufschläge zu Grunde lägen. Vielmehr hätten solche Divergenzen im Zug der jährlichen Bilanzbesprechung zu Tage treten und bereinigt werden müssen.
In einer Gegenäußerung wendete der steuerliche Vertreter ein, er sei seinerzeit nicht beauftragt gewesen, bei Erstellung der Jahresabschlüsse eine Einzelkalkulation durchzuführen. Außerdem ergebe sich die Frage, wie er hätte vorgehen sollen, wenn sich die erklärten Einnahmen im Vergleich zum Wareneinsatz als zu hoch erwiesen hätten. Eine Verkürzung der Losungen komme diesfalls nicht in Frage, "die Betriebsausgaben ohne Beleg zu erhöhen wohl ebenso nicht". Bei einer Schätzung sei die Besteuerungsgrundlage zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit für sich habe. Es müsse der Darstellung des Prüfers widersprochen werden, dass ein "Rohaufschlag" erklärt worden sei; erklärt worden seien die aufgezeichneten Einnahmen und die verbuchten Betriebsausgaben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die nunmehr erstellte Rohaufschlagsermittlung nicht für die Ermittlung der Zuschätzungsbeträge von Relevanz sei. Der Ehemann der Beschwerdeführerin stamme aus Sizilien und sei ein ausgezeichneter Koch, aber "von geschäftlichen Dingen ziemlich unbelastet".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Die Beschwerdeführerin bestreite nicht, dass die vom Prüfer festgestellten Schwarzeinkäufe getätigt worden seien. Strittig sei allein, ob der vom Prüfer angewendete Rohaufschlag den tatsächlichen Umständen entspreche.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach Erlöse aus "schwarz" eingekauften Waren größtenteils erklärt worden seien, sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin bringe vor, dass ihr Ehemann für den Einkauf und für die Küche, sie hingegen für sämtliche wirtschaftlichen Angelegenheiten zuständig gewesen sei. Es entspreche nicht der wirtschaftlichen Realität, dass einer der beiden Partner einkaufe, die Speisekarte gestalte, für die Küche verantwortlich sei und selber koche, während der andere Partner für die Tageslosung und sämtliche anderen wirtschaftlichen Belange zuständig sei, und dabei ein Austausch darüber, woher das Geld für den Einkauf stamme bzw. welche Beträge ausgegeben und welche eingenommen worden seien, nicht stattfinde. Im Hinblick auf den unbestrittenen Schwarzeinkauf in nicht vernachlässigbarer Größe sei eine kalkulatorische Schätzung berechtigt.
Da sich die Schwarzeinkäufe auf nahezu alle Waren bezogen hätten, sei die Anwendung des Rohaufschlages, den die Beschwerdeführerin auf die offiziell gekauften Waren anwendet habe, durchaus angebracht. Eine Kalkulation auf diverse einzelne Warengruppen würde nur dann zweckmäßig und zielführend sein, wenn nachgewiesenermaßen nur einzelne Warengruppen "schwarz" eingekauft worden wären.
Die Durchführung einer Einzelkalkulation könne somit mangels wirtschaftlicher Anwendbarkeit - die schwarz gekauften Waren deckten nämlich nahezu das gesamte Warenspektrum ab - nicht erfolgen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Nach § 184 Abs. 3 BAO ist zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Im Hinblick darauf, dass ein Teil des Wareneinkaufes keinen Eingang in das Rechnungswesen der Beschwerdeführerin gefunden hat, steht im gegenständlichen Fall die Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörde nicht in Zweifel.
Ist eine Schätzung zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im Allgemeinen frei, doch muss das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt werden, müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein, und muss das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen besteht, mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei muss die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2007, 2006/14/0037).
Die Begründung einer Schätzung hat u.a. die der Schätzung zu Grunde liegenden Sachverhaltsannahmen und die Ableitung des Schätzungsergebnisses darzulegen und sich mit den erhobenen Einwendungen auseinander zu setzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, 2003/15/0063).
Die Berufungsbehörde ist sohin verpflichtet, im Rahmen der Begründung des Schätzungsergebnisses auf die für die Schätzung bedeutsamen Behauptungen und Einwendungen des Abgabepflichtigen einzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2004, 2001/15/0137). In dieser Hinsicht zeigt die Beschwerdeführerin einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf, bei dessen Vermeidung das Ergehen eines im Ergebnis anders lautenden Bescheides nicht ausgeschlossen werden kann.
Der belangten Behörde ist zwar durchaus zuzustimmen, wenn sie darauf verweist, es wäre ungewöhnlich, dass die Erlöse aus "schwarz" eingekauften Waren zu einem Großteil in das Rechenwerk Eingang finden. Für den Beschwerdefall ist dennoch folgender, in der Beschwerde vorgetragene Umstand von Bedeutung:
Das Finanzamt hat (dem Prüfer folgend) eine nach Speisen und Getränken getrennte Schätzung der Erlöse und Umsätze durchgeführt. Dabei wurde auf die nicht in das Rechenwerk der Beschwerdeführerin aufgenommenen Lebensmitteleinkäufe ein Rohaufschlagskoeffizient von 4,5 zur Anwendung gebracht und auf diese Weise eine Hinzuschätzung an Erlösen und Umsätzen aus Speisen vorgenommen ("10%ige Umsätze"). Gesondert davon hat es weitgehend pauschal eine Zuschätzung von Erlösen und Umsätzen aus im Restaurant konsumierten Getränken vorgenommen.
Der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin hat bereits im Zuge der Außenprüfung Berechnungen zum Rohaufschlag auf Speisen angestellt. Mit der Berufung wurde die Berechnung der Einzelrohaufschläge für die im Restaurant der Beschwerdeführerin tatsächlich angebotenen Speisen beigebracht und unter Bedachtnahme auf die unterschiedliche Nachfragehäufigkeit nach den einzelnen Speisen ein gewichteter Einzel-Rohaufschlag von (bloß) 260% errechnet. Obwohl die Beschwerdeführerin damit Einwendungen zur Ableitung des Schätzungsergebnisses in substantiierter Weise vorgetragen hat, unterlässt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zur Gänze eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen.
Die belangte Behörde führt lediglich aus, eine Einzelkalkulation könne "mangels wirtschaftlicher Anwendbarkeit" nicht erfolgen, zumal die "schwarz" eingekauften Waren "nahezu das gesamte Warenspektrum" abdeckten. Diese Begründung ist aber schon deshalb nicht stichhaltig, weil die vom Finanzamt angestellte und von der belangten Behörde übernommene Ermittlung der Zuschätzung für Speisen gesondert (unter Anwendung des Rohaufschlagskoeffizienten von 4,5) vorgenommen worden ist, die substantiierten Einwendungen der Beschwerdeführerin aber gerade den Rohaufschlag auf Speisen betreffen. Daher konnten die Einwendungen durch den bloßen Verweis auf nicht im Rechenwerk erfasste Einkäufe von anderen Waren (Getränken), für welche ohnedies bloß eine pauschale Hinzuschätzung in der Art eines Sicherheitszuschlages vorgenommen worden ist, nicht entkräftet werden.
Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin, weil er jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den in Rede stehenden Einwendungen unterlässt, als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 22. Dezember 2011
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