VwGH 2010/10/0183

VwGH2010/10/018314.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der X GmbH & Co Nfg KG in J, vertreten durch Dr. Hanspeter Feix, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 17, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. Juli 2010, Zl. U-14.341/5, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z4;
MinroG 1999 §116;
MinroG 1999;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29;
VwRallg;
AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z4;
MinroG 1999 §116;
MinroG 1999;
NatSchG Tir 2005 §1 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29 Abs1;
NatSchG Tir 2005 §29;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 19. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführerin für die Blocksteinentnahme inklusive Errichtung einer Aufschließungsstraße im Bereich der "Schliffensteinaste" auf bestimmt bezeichneten Grundstücken in der Gemeinde Mayrhofen die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes nach dem Mineralrohstoffgesetz, eine Rodungsbewilligung nach dem Forstgesetz 1975 und für den damit verbundenen maschinellen Abbau mineralischer Rohstoffe sowie die Errichtung und Aufstellung von Anlagen zur Gewinnung und Aufbereitung mineralischer Rohstoffe eine Genehmigung nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005, LGBl. Nr. 26/2005 (TNSchG), erteilt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 2010 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erweiterung dieses Steinbruches durch Abbau eines im Osten anschließenden aufragenden Felskopfes (Vorderseite des "Taufenkopfs") im Wandabbauverfahren gemäß § 6 lit. b und § 29 Abs. 1 lit. b und Abs. 8 TNSchG abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die beantragte Erweiterung der Abbautätigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften erfolgen solle und daher gemäß § 6 lit. b TNSchg genehmigungspflichtig sei. Im Bewilligungsverfahren sei gemäß § 29 Abs. 1 TNSchG zunächst zu prüfen, ob das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen führe und gegebenenfalls ob andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG überwögen. Davon ausgehend sei zunächst zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß das beantragte Vorhaben Naturschutzinteressen beeinträchtige. Dazu habe die Behörde erster Instanz das Gutachten eines naturkundefachlichen Amtssachverständigen eingeholt.

Auf Grund der (im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen) Ausführungen dieses Amtssachverständigen sei die Behörde zur Überzeugung gelangt, dass mit dem gegenständlichen Erweiterungsvorhaben erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter Landschaftsbild und Erholungswert verbunden seien. Im gegenständlichen Bereich stelle die noch unberührte Felskulisse ein das Landschaftsbild prägendes Element dar. Daneben gebe es aber auch vereinzelte anthropogene Eingriffe unterhalb der aufragenden Felswände, nämlich insbesondere den bestehenden Abbau, eine Lawinengalerie und die dort verlaufenden Stromleitungen. Das Landschaftsbild lasse eine "Zweiteilung" erkennen. Einerseits seien im Bereich des Talbodens deutliche Merkmale menschlichen Handelns und Wirkens zu erkennen, andererseits präsentierten sich die aufragenden Felswände als markante Naturgebilde für den Betrachter derzeit in einem unbeeinträchtigten Zustand. Es sei offenkundig eine optisch erkennbare Grenze zwischen der Kulturlandschaft mit diversen menschlichen Eingriffen und der Naturlandschaft, also der derzeit unberührten Felskulisse, gegeben. Im Bereich dieses unberührten Landschaftsabschnittes solle nunmehr allerdings antragsgemäß eine Abbautätigkeit stattfinden. Dass dies zu einer Verstärkung der bereits bestehenden Eingriffe in das Landschaftsbild führe, stehe außer Zweifel. Vor allem sei dabei zu berücksichtigen, dass der beantragte Felsabbau zu einer nachhaltigen und dauerhaften anthropogenen Überformung der Felskulisse führen werde. Im Zusammenhang mit der Abbautätigkeit müssten nämlich Bermen hergestellt werden, die als linienförmige Elemente zweifellos als künstliche Eingriffe erkennbar seien und in einem deutlichen Kontrast zur ansonsten unberührten Felskulisse stünden. Die projektgemäß vorgesehenen landschaftspflegerischen Begleitmaßnahmen könnten nach den schlüssigen Ausführungen des naturkundefachlichen Amtssachverständigen diese Wirkung nicht hinreichend ausgleichen.

Die vorgesehene Höhenvarianz von ± 2 m sei auf größere Entfernung kaum wahrnehmbar. Auch wenn nur eine punktuelle Bepflanzung stattfinde, sei nach den sachverständigen Ausführungen damit zu rechnen, dass sich auf den gesamten Bermen ein Bewuchs einstellen werde und damit die Linienhaftigkeit noch unterstrichen werde.

Die äußerst eindrucksvolle Hangflanke mit den Blockwäldern und den darüber befindlichen Felsformationen werde sohin dauerhaft Spuren eines menschlichen Eingriffes aufweisen. Insgesamt seien daher die durch das beantragte Vorhaben bewirkten Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes als stark zu bewerten. Die Ausführungen des von der Beschwerdeführerin herangezogenen Privatsachverständigen Dr. M. (dessen Gutachten bei den Projektunterlagen erliegt), dass die Auswirkungen auf das Landschaftsbild wegen der eingeschränkten Einsehbarkeit "relativ gering" seien, seien schon deshalb nicht zielführend, weil das Landschaftsbild von jedem denkbaren Blickpunkt aus zu beurteilen sei. Entgegen den Berufungsausführungen habe der Amtssachverständige die vom Privatgutachter vorgeschlagenen und projektgegenständlichen Rekultivierungsmaßnahmen nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern nachvollziehbar auf den sich nach längerer Zeit auch ohne Bepflanzung einstellenden Bewuchs und die Unwirksamkeit der Höhenvarianz bei Betrachtung aus größerer Distanz hingewiesen. Ebenso habe er die vorhandenen anthropogenen Eingriffe (Lawinengalerie, Strommasten …) nicht außer Acht gelassen, sondern darauf hingewiesen, dass diese vom Betrachter als unvermeidbarer und unabänderlicher Teil menschlicher Siedlungstätigkeit wahrgenommen würden, während der beantragte Abbau an exponierter Stelle in der bisher unberührten Felskulisse als "aggressiv" und "unnotwendig" wahrgenommen werde. Folgerichtig habe der Amtssachverständige ausgeführt, dass auf Grund des unberührten Charakters der Felswände die Beeinträchtigung des Schutzgutes Landschaftsbild als stark zu beurteilen sei.

Weiters sei entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin das Erweiterungsprojekt auch mit einer jedenfalls mittelstarken Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft verbunden. Im Nahbereich des Abbauvorhabens befänden sich unstrittig mehrere Kletterrouten und ein Zustiegsweg zur W-Alm. Weiters sei der geplante Abbau von einem Themenwanderweg aus (über eine Wegstrecke von etwa 2 km) unmittelbar einsichtig. Vom Tourismusverband Mayerhofen sei nachvollziehbar dargelegt worden, dass der sanfte Tourismus die zentrale Entwicklungschance für den vom Abbauvorhaben betroffenen Ortsteil, der im Eingangsbereich zum Ruhegebiet Zillertaler Hauptkamm gelegen sei, darstelle. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin seien auch Sportkletterer, die die derzeit vorhandenen Kletterrouten mit hohem Schwierigkeitsgrad bewältigen könnten, als Erholungssuchende im Sinn des TNSchG anzusehen. Gerade die Ausübung des Sports in freier Natur stelle ein besonderes Qualitätsmerkmal dar. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass weitere Kletterrouten mit geringerem Schwierigkeitsgrad konkret geplant seien. Der Begriff "Erholungswert" umfasse auch die künftigen Nutzer dieser geplanten Routen. Durch das gegenständliche Erweiterungsvorhaben mit seinen bleibenden Eingriffen in den Landschaftsraum werde die Möglichkeit zur Schaffung weiterer Kletterrouten eingeschränkt.

Auf Grund der sohin gegebenen Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen sei in einem weiteren Schritt zu prüfen gewesen, ob andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung vorlägen, die die Interessen des Naturschutzes überwögen. Dazu habe die Behörde erster Instanz das Gutachten eines raumordnungsfachlichen Amtssachverständigen eingeholt. Dieser Sachverständige sei in seinem (im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen) Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass ein öffentliches Interesse am gegenständlichen Abbau aus Sicht der Landesraumordnung nur im Bereich der möglichen Gewinnung von Wasserbau- und Werksteinen bestehe. Insbesondere die Wildbach- und Lawinenverbauung leiste einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Lebensraumes vor Naturgefahren. Beim gegenständlichen Abbau handle es sich um ein relativ kleines Volumen. Dem stehe gegenüber, dass die Versorgungssituation im Zillertal sehr ungünstig sei. Eine alternative Versorgung sei nur aus weiter entfernten Abbaugebieten mit der damit verbundenen größeren Umweltbelastung infolge des Schwerverkehrs möglich. Aus der Sicht der Landesraumordnung wäre es dringend notwendig, im Zillertal einen größeren Abbaustandort für das entsprechende Gesteinsmaterial zu eröffnen. Mit der Ausbringungsmenge bei einem anderen beantragten Projekt könnte eine annähernde Eigenversorgung dieses Tales mit Wasserbau- und Werksteinen für einige Jahre erreicht werden.

Auf Grund dieser gutachterlichen Ausführungen könne durchaus ein öffentliches Interesse am gegenständlichen Abbauvorhaben angenommen werden. Wegen der im Zillertal anstehenden Wasserbauprojekte sei ein entsprechender Bedarf an derartigem Gesteinsmaterial gegeben, wobei der Sachverständige konkret ein Instandhaltungsprogramm in Zell am Ziller genannt habe. Das daraus resultierende öffentliche Interesse werde dadurch relativiert, dass das gegenständliche Abbauvorkommen zu keiner langfristigen Bedarfsdeckung führen könne, sondern damit der örtliche Bedarf lediglich für die Dauer von etwa eineinhalb Jahren, also nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum abgedeckt werden könne. Für das vom Sachverständigen konkret erwähnte Wasserbauprojekt in Zell am Ziller sei überdies die Zufahrtsstrecke kaum kürzer als von einem bereits bestehenden anderen Abbaustandort.

Bei Abwägung dieser konkurrierenden Interessen gelange die Behörde zur Überzeugung, dass das öffentliche Interesse an der Gewinnung des Gesteinsmaterials geringer zu gewichten sei als jenes an der Vermeidung der damit verbundenen dauerhaften Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und des Erholungswertes der Landschaft. Die Erhaltung eines möglichst unbeeinträchtigten Naturraumes sei von großer Bedeutung für den im gegenständlichen Bereich vorgesehenen sanften Tourismus. Der antragsgegenständliche Gesteinsabbau würde wegen der damit verbundenen, oben im Detail dargelegten Auswirkungen zu einer erheblichen und auf Grund der verbleibenden Eingriffe in das Landschaftsbild dauerhaften Störung der Natur bzw. ihrer Erlebbarkeit führen. Ein solcher Eingriff sei im Hinblick darauf, dass der Bedarf an Gesteinsmaterial durch den beantragten Abbau nur für eine relativ kurze Zeit befriedigt werden könne, bei einer Gesamtabwägung nicht zu rechtfertigen.

Zur geltend gemachten Befangenheit des den erstinstanzlichen Bescheid erlassenden Organwalters sei zunächst festzuhalten, dass das Vorbringen, dieser Organwalter habe bereits vor Einholung von Sachverständigengutachten die naturschutzbehördliche Abweisung mündlich vorweggenommen, nicht geeignet sei, dessen volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Jedenfalls wäre aber die Befangenheit dieses Organwalters durch die Sachentscheidung der unbefangenen Berufungsbehörde saniert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass der Bezirkshauptmann noch vor Erstattung des Gutachtens anlässlich einer Diskussion eines Bürgerforums seine ablehnende Haltung gegenüber dem Projekt bekundet und in der Folge das naturschutzrechtliche Verfahren an sich gezogen habe. Da der Amtssachverständige - der noch bei einer von der Beschwerdeführerin initiierten "Vorbegehung" gemeint habe, dass die Genehmigung möglich sei - dem Bezirkshauptmann unterstehe und die belangte Behörde kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt habe, schlage die Befangenheit der Behörde erster Instanz auf die belangte Behörde durch.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - die Mitwirkung eines befangenen Organs an der Entscheidung der ersten Instanz durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos wird (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 41 zu § 7 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Der Umstand, dass sich die belangte Behörde als Berufungsbehörde auf das bereits in erster Instanz eingeholte Gutachten gestützt hat, könnte im vorliegenden Zusammenhang nur dann zur Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides führen, wenn der Sachverständige selbst befangen wäre. Dies wird aber von der Beschwerdeführerin nicht konkret behauptet und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich. Weder der Umstand, dass der Amtssachverständige dem Bezirkshauptmann untersteht (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, Rz 6 zu § 53 und die dort zitierte hg. Judikatur) noch die behauptete Äußerung anlässlich einer Vorbegehung, wonach die Genehmigung möglich sei, können als wichtige Gründe im Sinn von § 53 Abs. 1 erster Satz iVm § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG angesehen werden, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005, LGBl. Nr. 26/2005 idF LGBl. Nr. 98/2009 (TNSchG), haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 1 (1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass

  1. a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
  2. b) ihr Erholungswert,
  3. c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

    d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt

    bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt. § 1 Abs. 1

    § 6 Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer Bewilligung, sofern hiefür nicht nach einer anderen Bestimmung dieses Gesetzes, einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 48 Abs. 1 genannten Gesetze eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich ist:

    b) der maschinelle Abbau mineralischer Rohstoffe, die Errichtung und Aufstellung von Anlagen zur Gewinnung oder Aufbereitung mineralischer Rohstoffe und von Anlagen zur Aufbereitung von Mischgut oder Bitumen; keiner naturschutzrechtlichen Bewilligung bedarf die Errichtung oder Aufstellung von Anlagen zur Aufbereitung von Mischgut oder Bitumen im Rahmen von Baustellen für einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten;

    § 29 (1) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung ist, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen,

    a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

    b) wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

(4) Trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Z. 2, Abs. 3 lit. a oder § 14 Abs. 4 ist die Bewilligung zu versagen, wenn der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden kann, durch die die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt werden.

8) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung nicht vorliegt.

…"

In einem Verfahren gemäß § 29 Abs. 1 TNSchG ist in einem ersten Schritt zu prüfen, welches Gewicht der Beeinträchtigung von Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 leg. cit. durch das Vorhaben zukommt. Dem sind die öffentlichen Interessen, denen die Verwirklichung des Vorhabens dienen soll, gegenüberzustellen (vgl. das zu § 29 Abs. 2 TNSchG ergangene hg. Erkenntnis vom 3. November 2008, Zl. 2007/10/0080, das mit der Maßgabe, dass Abs. 1 nicht an "andere langfristige öffentliche Interessen", sondern an "andere öffentliche Interessen" anknüpft, auch hier einschlägig ist). Die Entscheidung, welche Interessen überwiegen, muss in der Regel eine Wertentscheidung sein, weil die konkurrierenden Interessen meist nicht monetär bewertbar sind. Um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen, ist es daher erforderlich, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüberzustellen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 2. Oktober 2007, Zl. 2004/10/0174, und vom 29. Oktober 2007, Zl. 2004/10/0229).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, dass die gegenständliche Erweiterung des Steinbruches durch Einbeziehung eines aufragenden Felskopfes zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes (Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft) sowie zu einer Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft führe und diese Beeinträchtigungen durch das öffentliche Interessen an der Gesteinsgewinnung nicht überwogen würden.

Die Beschwerdeführerin führt gegen die Gewichtung der Naturschutzinteressen im Wesentlichen ins Treffen, dass die landschaftsbildliche Wertigkeit im gegenständlichen Erweiterungsbereich - wie der Privatsachverständige Dr. M. dargestellt habe - nicht höher sei als im Bereich des bereits bewilligten Abbaues. Dazu fehlten ausreichende Feststellungen. Das Landschaftsbild sei entgegen den Ausführungen des Amtssachverständigen nicht unberührt, sondern werde insbesondere durch eine Landesstraße, eine Lawinengalerie und Strommasten sowie durch den Umstand beeinträchtigt, dass es sich beim Bachlauf in diesem Bereich um eine Restwasserstrecke handle. Die aus dem von Menschen überformten Gebiet herausragenden Felswände könnten nicht solitär als schützenswert angesehen werden. Die Behörde habe den Widerspruch zwischen dem Privatgutachten von Dr. M. und dem Gutachten des Amtssachverständigen im Bereich der "Linienhaftigkeit der Rekultivierung" nicht ausreichend - durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens - aufgeklärt. Es sei ein Wertungswiderspruch, die Strommasten als unvermeidbar, die Erweiterung des Abbaues hingegen als "aggressiv" darzustellen. Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch den ohnehin nur sehr kleinflächigen Abbau liege in der Natur der Sache. Im Endzustand sei eine dem Istzustand vergleichbare Situation gegeben. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde könnten Sportkletterer nicht als Erholungssuchende im Sinn des TNSchG angesehen werden. Diese müssten sich vorwiegend auf das Klettern konzentrieren und nützten die Steige überdies vorwiegend an Wochenenden außerhalb der Betriebszeiten des Steinbruches.

Mit diesem Vorbringen bestreitet die Beschwerdeführerin nicht konkret, dass die einen prägenden Teil des Landschaftsbildes darstellende Felskulisse an sich noch gänzlich unberührt ist und sich die anthropogenen Eingriffe - insbesondere auch der bereits genehmigte Abbau - im darunterliegenden Bereich befinden. Unstrittig betrifft die gegenständliche Erweiterung einen Teil dieser Felskulisse, nämlich den vorderen Teil des "Taufenkopfs". Nach dem Abbau verbleiben projektgemäß unstrittig Bermen, mit einer annähernd waagrechten Struktur. Der Privatsachverständige Dr. M. hat dazu im bei den Projektunterlagen erliegenden Gutachten wie folgt ausgeführt:

"Nach Möglichkeit wird Humus abgeschoben und zwischengelagert. Nach Beendigung der Abbauarbeiten auf jeder Teilfläche wird der Humus und anfallendes Abraummaterial wieder aufgebracht und damit die untere Berme bestmöglich überdeckt. Die verbleibenden Bermen werden mit geschwungenem Verlauf (Höhenvariation ± 2 m) ausgestaltet. Die Bermen und die darauf befindlichen Schutzdämme (Abraummaterial) werden nicht flächendeckend humusiert bzw. aufgeforstet, um eine optische Verstärkung der parallelen Bermenstruktur durch einen 'Zeilenwald' zu vermeiden. Dazu werden immer wieder Flächen (50 bis 100 m2) mit einer Schotterauflage versehen. Diese auf etwa 25 % der gesamten Bermenbereiche herzustellenden Flächen werden unregelmäßig verteilt und nicht bepflanzt. …"

Der Amtssachverständige hat dazu ausgeführt, dass die optische Wirkung dieser Maßnahmen als eher gering zu beurteilen sei. Eine Höhenvarianz von ± 2 m sei auf größere Entfernung, wie beispielsweise vom Themenwanderweg aus, kaum erkennbar. Die Linienhaftigkeit werde deutlich erkennbar sein, auch wenn nur eine punktuelle Bepflanzung erfolge. Es sei anzunehmen, dass sich über längere Zeiträume auf den gesamten Bermen ein Bewuchs einstelle und somit eine Unterstreichung der Linienhaftigkeit gegeben sei. Die gesamte Hangflanke mit den Blockwäldern und den darüber befindlichen Felsformationen sei als äußerst eindrücklich zu bezeichnen. Insofern sei ein enormer Kontrast zwischen einem auf Dauer erkennbaren Abbaugelände und der ansonsten völlig unberührten und unangetasteten Landschaft gegeben.

Diese Ausführungen wurden von der belangten Behörde in unbedenklicher Weise als schlüssig und nachvollziehbar bewertet. Die Beschwerdeführerin ist dem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Von da her war die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich.

Der Privatsachverständige Dr. M. hat seine Ansicht, dass die Wertigkeit des Landschaftsbildes nur "relativ gering" sei und etwa jener im Bereich des genehmigten Abbaus entspreche, lediglich mit dem lapidaren Hinweis auf den "fehlenden Erholungswert" und die "nur eingeschränkte Einsehbarkeit" begründet.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass unter dem Landschaftsbild mangels einer Legaldefinition das Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt aus zu verstehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2006, Zl. 2004/10/0106), und daher der Beurteilung, ob ein unzulässiger Eingriff in das Landschaftsbild vorliegt, das sich von allen möglichen Blickpunkten bietende Bild der von der Maßnahme betroffenen Landschaft zugrunde zu legen ist.

Die belangte Behörde hat auf Grundlage des Gutachtens des Amtssachverständigen zu Recht auch Sportkletterer, die die unstrittig im Nahbereich des gegenständlichen Projekts befindlichen Kletterrouten benützen, als "Erholungssuchende" gewertet. Auch wenn diese primär die sportliche Herausforderung suchen, so stellt beim Klettern in freier Natur zweifellos die Beschaffenheit des umgebenen Landschaftsraumes einen wesentlichen Erholungsfaktor dar. Ebenso ist der belangten Behörde zu folgen, dass bei der Beurteilung des - auch von der Frequenz der Erholung suchenden abhängigen - Erholungswertes einer Landschaft zu erwartende künftige Entwicklungen, vorliegend die geplanten leichteren und daher für ein größeres Publikum in Betracht kommenden Kletterrouten, mit zu berücksichtigen sind, weil der "Erholungswert" einer Landschaft auch das Potential zur Abdeckung eines zu erwartenden künftigen Bedarfes an diesem Erholungsraum umfasst.

Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der auf der dargestellten sachverständig ermittelten Sachverhaltsgrundlage basierenden behördlichen Ansicht aufzuzeigen, mit der gegenständlichen Abbauerweiterung sei eine Beeinträchtigung des Schutzgutes Landschaftsbild (Vielfalt, Eigenart und Schönheit) sowie eine Beeinträchtigung des Schutzgutes Erholungswert und daher eine Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen im Sinn von § 1 Abs. 1 TNSchG verbunden.

Zur Abwägung dieser Naturschutzinteressen mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des Projekts bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass der angefochtene Bescheid im Widerspruch zur Bewilligung des bestehenden Abbaues stehe. Es sei im Interesse des Naturschutzes gelegen, die Infrastruktur des bestehenden Abbaues auszunützen. Die gegenständliche Erweiterung sei nach dem Mineralrohstoffgesetz rechtskräftig bewilligt worden, was ein Indiz dafür darstelle, dass die öffentlichen Interessen am Naturschutz nicht höher zu bewerten seien als die Interessen an der Verwirklichung des Abbaues. Auch wenn die Erweiterung des Abbaues den Bedarf des Zillertales nur für eineinhalb Jahre sichern könne, liege die Verwirklichung im öffentlichen Interesse, zumal 5 % der Gesamtbevölkerung Tirols im Zillertal wohnten und in diesem Gebirgstal ein besonders großer Bedarf an Wasserbausteinen bestehe. Überdies leide dieses Tal ohnehin bereits sehr am starken Verkehrsaufkommen.

Den unstrittig bestehenden Bedarf an den beim gegenständlichen Projekt gewonnenen Wasserbausteinen im Zillertal und die nachteiligen Auswirkungen der längeren Transportwege bei Verwendung von Wasserbausteinen aus anderen bestehenden Steinbrüchen hat die belangte Behörde bei der Abwägung berücksichtigt. Sie hat zu Recht darauf verwiesen, dass diese öffentlichen Interessen dadurch entscheidend relativiert werden, dass die gegenständliche Abbauerweiterung den Bedarf im Zillertal nur für eineinhalb Jahre sichern kann. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann aus der Bewilligung nach dem Mineralrohstoffgesetz keinesfalls darauf geschlossen werden, dass die Beeinträchtigung der hier relevanten Schutzgüter Landschaftsbild und Erholungswert weniger schwer zu gewichten sei als die öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des Vorhabens, ist doch bei der Genehmigung von Gewinnungsbetriebsplänen gemäß § 116 Mineralrohstoffgesetz auf diese Schutzgüter nicht Bedacht zu nehmen. Ebenso wenig lässt die naturschutzrechtliche Bewilligung des bestehenden Abbaues darauf schließen, dass auch die - im Unterschied zum bisherigen Abbau die aufragende Felskulisse in Anspruch nehmende - Erweiterung zu genehmigen ist, zumal nach der Aussage des Amtssachverständigen die Relation von flächigem Eingriff und gewinnbarem Rohstoffvolumen bei der gegebenen Steilheit des Erweiterungsgebietes naturgemäß ungünstig ist. Diesen Nachteil kann die Möglichkeit der Nutzung von Infrastruktur des bestehenden Abbruches nicht ausgleichen.

Aus all diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die öffentlichen Interessen an der Verwirklichung des gegenständlichen Erweiterungsvorhabens die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TNSchG nicht überwögen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. Juli 2011

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