VwGH 2010/03/0010

VwGH2010/03/001030.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerden des R P in W, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7/63, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Land Niederösterreich 1.) vom 14. Dezember 2009, Zl Senat-WB-09-0028, und 2.) vom 14. Dezember 2009, Zl Senat-WB-09-0029, jeweils betreffend Übertretungen des NÖ Jagdgesetzes 1974 (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

JagdG NÖ 1974 §135 Abs1 Z18;
JagdG NÖ 1974 §135 Abs1 Z18a;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs3;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs4;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs6;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs7;
JagdG NÖ 1974 §87a;
VwGG §42 Abs2 Z1;
JagdG NÖ 1974 §135 Abs1 Z18;
JagdG NÖ 1974 §135 Abs1 Z18a;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs3;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs4;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs6;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs7;
JagdG NÖ 1974 §87a;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.326,40, zusammen somit EUR 2.652,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er sei als Jagdausübungsberechtigter und Jagdaufseher der Genossenschaftsjagd G dafür verantwortlich, dass (zu 1.) am 14. Jänner 2008 und (zu 2.) am 21. Jänner 2008 auf der Parzelle Nr 1379/1, KG G, auf einer Wiese ca 10 m westlich des Öffentlichen Gutes (zu 1.) Reste von Gemüse (teilweise mit Gummiringen zusammengebunden) und ca 15 kg Brot und (zu 2.) auf einer Fläche von ca 6 m2 Gemüse (teilweise mit Gummiringen zusammengebunden), Salat und altes Gebäck (Kornspitz, Mohnweckerl, etc) dem Wild frei zugänglich vorgelegt worden seien und 1.) diese Wildfütterung mit verbotenen Futterarten erfolgt sei bzw 2.) auf dieser Parzelle keine Rotwildfütterung bewilligt worden sei.

Er habe dadurch Übertretungen nach § 87 Abs 3, § 135 Abs 1 Z 18 NÖ Jagdgesetz 1974 (NÖ JG) iVm der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wr Neustadt vom 20. April 2006, Kennzeichen WBL2-J 0425, betreffend Rotwildfütterung und Verbot der Vorlage bestimmter Futterarten (VO), und nach § 87a, § 135 Abs 1 Z 18a NÖ JG iVm der VO begangen und es wurden über ihn insgesamt vier Geldstrafen von jeweils EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 30 Stunden) verhängt.

Nach wörtlicher Wiedergabe der Aussagen von Zeugen und des Beschwerdeführers sowie der jagdfachlichen Stellungnahme eines beigezogenen Sachverständigen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidungen im Wesentlichen damit, es stehe mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit fest, dass der Beschwerdeführer die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen habe, weil er als verantwortlicher Jagdaufseher die verbotene Vorlage von Futtermitteln zu verantworten habe, auch wenn sie nicht von ihm selbst vorgelegt worden seien. Keinesfalls könne er sich damit rechtfertigen, dass seine Frau die Futtermittel ohne sein Wissen vorgelegt habe. Gerade auf Grund des Naheverhältnisses zwischen Ehegatten habe er die Verpflichtung gehabt, seine im Revier mithelfende Ehefrau von dieser Futtervorlage abzuhalten. Auch seien an zwei relativ knapp hintereinander liegenden Tatzeitpunkten "von einander unabhängige verbotene Futtermittel" vorgelegt worden und es habe die Ehefrau zugestanden, am 14. Jänner 2008 das Futter vorgelegt zu haben, nicht jedoch am 21. Jänner 2008. Während der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens sich lediglich damit verantwortet habe, dass er selbst die Futtermittel nicht ausgelegt habe und daher nicht zur Verantwortung gezogen werden könne, habe er erst im Zuge der zweiten Berufungsverhandlung und über Befragen des Rechtsanwaltes angegeben, seine beiden Jagdhelfer striktest angewiesen zu haben, die jagdrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Weiters habe er angegeben, "zweiwöchentliche Kontrollen" der Fütterungen durchzuführen. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass es sich dabei um Schutzbehauptungen handle.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden jeweils mit dem Antrag, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerden machen (ua) geltend, die Feststellungen der belangten Behörde ließen nicht erkennen, wer die Futtervorlage "körperlich vorgenommen" habe. Es gebe im NÖ JG aber keine Rechtsvorschrift, aus der begründbar wäre, dass der Beschwerdeführer als Jagdausübungsberechtigter und Jagdaufseher für Taten anderer Personen, wie zB seiner Ehefrau, einzustehen habe. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer als verantwortlicher Jagdaufseher die verbotene Vorlage von Futtermitteln zu verantworten habe, auch wenn sie nicht von ihm selbst vorgelegt worden seien, sei unrichtig.

Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerden zum Erfolg:

Gemäß § 135 Abs 1 Z 18 und Z 18a NÖ JG (in der hier noch maßgeblichen Fassung vor der Novelle LGBl 6500-26) begeht, wenn die Tat nicht einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung, wer entgegen den Bestimmungen des § 87 Abs 3, 4, 6 und 7 NÖ JG Wildfütterungen vornimmt (Z 18) oder gegen die Bestimmungen des § 87a NÖ JG eine Wildfütterung vornimmt (Z 18a).

Der Tatbestand dieser Übertretungsnormen setzt somit voraus, dass der Täter die unzulässige Wildfütterung "vornimmt". Die belangte Behörde legt dem Beschwerdeführer aber nicht zur Last, die Fütterungen selbst vorgenommen zu haben oder an einer solchen Tat zumindest beteiligt gewesen zu sein. Sie leitet seine Verantwortlichkeit nur aus seiner Funktion als Jagdaufseher bzw "auf Grund des Naheverhältnisses zwischen Ehegatten" ab. Dass der Jagdaufseher aber für die unzulässige Wildfütterung durch andere (mit ihm allenfalls auch verheiratete) Personen nach den oben zitierten Vorschriften verantwortlich sein soll, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Ob der Beschwerdeführer als Jagdaufseher wegen allfälliger Verletzung seiner diesbezüglichen Pflichten verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden hätte können, braucht nicht weiter überprüft zu werden, weil die belangte Behörde einen solchen - präzisen - Tatvorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer nicht erhoben hat.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, da der Anforderung des Art 6 EMRK durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan wurde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455. Die neben dem Schriftsatzaufwand und der Pauschalgebühr verzeichnete zusätzliche Umsatzsteuer findet darin keine Deckung, weshalb das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers abzuweisen war.

Wien, am 30. Juni 2011

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