VwGH 2009/22/0232

VwGH2009/22/023213.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des FG in S, geboren am 13. Mai 1958, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 24. Juni 2009, Zl. E1/1080/2009, betreffend Fremdenpass, zu Recht erkannt:

Normen

32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art25 Abs2;
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art25Abs2;
EURallg;
FrPolG 2005 §88 Abs1 Z6;
FrPolG 2005 §88 Abs1;
VwRallg;
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art25 Abs2;
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art25Abs2;
EURallg;
FrPolG 2005 §88 Abs1 Z6;
FrPolG 2005 §88 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 5. Juni 2001 unrechtmäßig in Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Am 29. Juni 2006 sei das Asylbegehren in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen worden. Jedoch sei dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, indem festgestellt worden sei, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat nicht zulässig sei. Es sei ihm nach asylrechtlichen Bestimmungen eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden. Diese sei bis 22. Dezember 2010 gültig.

Den nunmehr gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses habe der Beschwerdeführer auf das Vorliegen humanitärer Gründe gestützt. Er wolle mit seiner Freundin "in Urlaub" fahren, zudem fühle er sich "ab und zu unwohl", weil er sich seit seiner Einreise in das Bundesgebiet nur in Österreich aufhalten könne. Diese Gründe habe der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Berufung noch dahingehend ergänzt, dass er Verwandte in der Schweiz, in Belgien, im Kosovo, in Albanien und auch in Griechenland habe, die er im Rahmen von Urlauben besuchen wolle.

In ihrer rechtlichen Beurteilung stellte die belangte Behörde darauf ab, dass mit Blick auf den hier anzuwendenden § 88 Abs. 1 Z 6 FPG "die Frage des Vorhandenseins eines Interesses der Republik Österreich an der Ausstellung des von Ihnen beantragten Fremdenpasses gemeinschaftswidrig" sei und daher unangewendet bleiben müsse. Es lägen aber keine derart schwerwiegenden humanitären Gründe vor, dass es geboten gewesen wäre, dem Antrag auf Ausstellung des begehrten Fremdenpasses nachkommen zu müssen, weil er lediglich dem Absolvieren von Urlauben und Verwandtenbesuchen dienen solle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 88 Abs. 1 Z 6 FPG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) können Fremdenpässe, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag für Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, ausgestellt werden, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde richtig darauf abgestellt hat, dass die einleitende, auch auf die Z 6 zu beziehende Einschränkung des § 88 Abs. 1 FPG, den Fremdenpass nur auszustellen, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, in Ansehung des hinreichend bestimmten und ein subjektives Recht einräumenden Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG , der eine derartige Einschränkung nicht vorsieht und bereits bis zum 10. Oktober 2006 umzusetzen war, gemeinschaftsrechtswidrig war und daher in den Fällen des § 88 Abs. 1 Z 6 FPG unangewendet zu bleiben hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2011, 2008/21/0336, mwN).

Die belangte Behörde vertrat allerdings die Auffassung, dass keine besonderen Umstände vorlägen, die die Ausstellung eines Fremdenpasses für den Beschwerdeführer geboten hätten. Damit brachte sie zum Ausdruck, dass es an dem in § 88 Abs. 1 Z 6 FPG normierten - auch in Art. 25 Abs. 2 der genannten Richtlinie angesprochenen - Tatbestandsmerkmal der "humanitären Gründe" mangle.

Zwar hat die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung verkannt, dass anders als Art. 25 Abs. 2 RL 2004/83/EG ("schwerwiegende humanitäre Gründe") der § 88 Abs. 1 Z 6 FPG schlichtweg auf "humanitäre Gründe" abstellt und Österreich somit über den von der Richtlinie vorgegebenen Mindeststandard (geringfügig) hinausgegangen ist (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 19. Mai 2011). Vor dem Hintergrund der Feststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführer zu den von ihm geltend gemachten Gründen kann aber die Ansicht der belangten Behörde, diese Umstände stellten keine humanitären Gründe im Sinn des § 88 Abs. 1 Z 6 FPG dar, nicht als rechtswidrig erkannt werden (vgl. zu Zwecken, wie sie auch hier geltend gemacht wurden, nochmals das bereits erwähnte Erkenntnis 2008/21/0336).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu § 88 Abs. 1 Z 6 FPG festgehalten, dass der Wunsch, einen erkrankten Verwandten besuchen zu können, letztlich - jedenfalls bei entsprechend intensivem Naheverhältnis - einem humanitären Bedürfnis entspringen könne und die Ausstellung eines Fremdenpasses nach § 88 Abs. 1 Z 6 FPG rechtfertige (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2011, 2008/21/0373). In diesem Licht ist das Beschwerdevorbringen zu sehen, wonach der Beschwerdeführer (u.a. auch) seinen 87-jährigen Vater besuchen wolle, hinsichtlich dessen nicht absehbar sei, wie lange er noch leben werde, sowie auch das Vorbringen zu den Kindern des Beschwerdeführers, denen eine Reise nach Österreich auf Grund der damit verbundenen psychischen Belastung nicht zumutbar wäre und das dauerhafte Unterbleiben des "Nichtbesuchens" durch den Vater zu einer massiven psychischen Störung der Kinder führen könnte, weshalb der Kontakt der Kinder mit dem Vater auch zur Wahrung des Kindeswohls notwendig wäre. Diese Behauptungen erweisen sich aber schon deswegen als nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ein entsprechendes Vorbringen nicht erstattet hat und sich das diesbezügliche Beschwerdevorbringen sohin als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung darstellt (§ 41 Abs. 1 VwGG). Es konnte somit im gegenständlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof keine Beachtung finden.

Soweit der Beschwerdeführer noch rügt, er sei nicht zur Ergänzung seines Antragsvorbringens (offenbar gemeint: im Sinn des nunmehr erstatteten, oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringens) angeleitet worden und dadurch habe die belangte Behörde den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt, ist dem entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung zum einen ohnedies von jenem Sachverhalt ausgegangen ist, den der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat. Zum anderen besteht - anders als der Beschwerdeführer meint - die der belangten Behörde obliegende Manuduktionspflicht aber nicht darin, einen Antragsteller derart anleiten zu müssen, dass er sein Vorbringen inhaltlich so gestalte, damit es auch zum angestrebten Erfolg führen werde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13a, Rz 6, sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers sohin letztlich zu Recht abgewiesen. Auf die im angefochtenen Bescheid ebenfalls enthaltene weitere - im gegebenen Zusammenhang verfehlte - Begründung betreffend die Befristung des Aufenthalts des Beschwerdeführers kommt es hier daher nicht an.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 13. September 2011

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