Normen
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art6;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art6;
EMRK Art8 Abs2;
EMRK Art8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei im Juli 2001 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asyl(Erstreckungs)antrag gestellt, der am 16. Juni 2008 zweitinstanzlich rechtskräftig zurückgewiesen worden sei.
Am 18. März 2003 habe sie den österreichischen Staatsbürger G M. geheiratet und auf diese Ehe gestützt eine Niederlassungsbewilligung beantragt; diese sei ihr auch erteilt und wiederholt verlängert worden.
Im Zuge des Verlängerungsantrages vom 21. Dezember 2005 seien Ermittlungen hinsichtlich des Verdachts einer Aufenthaltsehe aufgenommen worden, weil G M. mit einer anderen Frau und dem gemeinsamen Kind an der angeblich ehelichen Wohnanschrift gemeldet gewesen und eine Briefsendung an die Beschwerdeführerin mit dem Vermerk "verzogen" retourniert worden sei.
Bei einer Erhebung an der angeblich ehelichen Wohnanschrift in W 22 habe G M. zunächst angegeben, dass nur er, seine polnische Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind in dieser Wohnung wohnten. Erst nachdem ihm der Zweck der Erhebungen bewusst geworden sei, habe er angegeben, er wolle eine größere Wohnung suchen, in die er dann mit beiden Frauen und dem Kind einziehen wolle; in der Wohnung befänden sich überhaupt keine Sachen der Beschwerdeführerin, weil diese ja noch nicht da wohne.
Am 8. November 2006 seien die Eheleute niederschriftlich vernommen worden, wobei es neben gleichlautenden Antworten auch zu teils gravierenden - im angefochtenen Bescheid näher dargestellten - Widersprüchen gekommen sei. Diese hätten sich auf persönliche Umstände des jeweiligen Ehepartners, das Kennenlernen, die Wohnsituation, den Ablauf des Hochzeitstages, die Anreise zur Vernehmung sowie den Ablauf des vorangegangenen Wochenendes bezogen.
In der Berufung habe die Beschwerdeführerin u.a. zum Beweis dafür, dass sie keine Aufenthaltsehe eingegangen sei, fünf Zeugen geltend gemacht und Fotos der Eheschließung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2007 sei "in umseits bezeichneter Verwaltungsangelegenheit" eine weitere Zeugin namhaft gemacht worden.
In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken. Dies begründete sie einerseits mit dem außerordentlich hohen Altersunterschied (20 Jahre) der Eheleute, während G M. eine etwa gleich alte Lebensgefährtin und insgesamt zwei Kinder habe. Andererseits seien die niederschriftlichen Vernehmungen der Eheleute gekennzeichnet von grobem Unwissen über maßgebliche persönliche Umstände des jeweils anderen und solchen Widersprüchen, die den Schluss zuließen, dass hier ein gemeinsames Familienleben konstruiert werden sollte, um die Behörde von einem aufrechten Ehe- und Familienleben zu überzeugen. Insbesondere die Widersprüche bezüglich der Lebensgefährtin von G M. seien erheblich gewesen. Während dieser habe glaubhaft machen wollen, dass er mit der Beschwerdeführerin, seiner Lebensgefährtin und dem Kind gemeinsam in W 16 wohne und "jetzt alles zwischen ihnen passe", habe die Beschwerdeführerin sowohl bei ihrer Vernehmung als auch in der Berufung versucht, Gegenteiliges darzustellen. Der dadurch gewonnene Eindruck werde durch den Erhebungsbericht vom 31. August 2006 bestätigt. Die Relativierungsversuche der Beschwerdeführerin, wonach sie am Tag der Erhebungen nach W 16 gezogen sei, erschienen konstruiert, weil Geoffrey M. davon kein Wort gesagt habe. Dessen Angaben bei der Erhebung am 30. August 2006 stünden auch im Widerspruch zu seinen niederschriftlichen Angaben und jenen der Beschwerdeführerin. Seit September 2005 sei er auch an den jeweiligen Wohnsitzen seiner Lebensgefährtin mit Hauptwohnsitz gemeldet, bei der Beschwerdeführerin jedoch nur mit Nebenwohnsitz.
Was die geltend gemachten Zeugen betreffe, sei nicht erkennbar gewesen, zu welchem konkreten Beweisthema diese angeboten worden seien. Die Frage, ob die Ehe eine Aufenthaltsehe darstelle, sei eine Rechtsfrage, deren Beantwortung einem Zeugen nicht zustehe. Da nicht erkennbar gewesen sei, dass überhaupt und gegebenenfalls worüber diese Zeugen auf Grund eigener Wahrnehmung Zeugnis hätten ablegen können, sei den Beweisanträgen nicht nachzukommen gewesen.
Die Beschwerdeführerin sei eine Aufenthaltsehe eingegangen, um einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erwirken. Dieses Fehlverhalten erfülle nicht nur den in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierten Sachverhalt, sondern gefährde auch maßgebliche öffentliche Interessen gegenwärtig, tatsächlich und erheblich und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 (gemeint: § 86 Abs. 1) leg. cit. gegeben seien.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG berücksichtigte die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin verheiratet sei und "offensichtlich ein Bruder in Österreich existiere". Ihre vier Kinder lebten in ihrer Heimat. Es sei zwar von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen, dieser sei jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Aufenthaltsehen zulässig. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin ableitbare Integration werde dadurch gemindert, dass sich ein Großteil ihres Aufenthaltes zunächst auf einen Asylantrag, der sich als unberechtigt erwiesen habe, und anschließend auf die genannte Aufenthaltsehe gestützt habe. Auch der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt sei der Beschwerdeführerin lediglich durch das verpönte Fehlverhalten möglich gewesen. Ihre familiären Bindungen zum Bundesgebiet seien keinesfalls ausgeprägt. Bei Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin gegen das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens wögen Letztere schwerer. Dass der Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihre Heimat unüberwindliche Hindernisse entgegenstünden, sei nicht behauptet worden. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 FPG als zulässig.
II.
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2008, B 1755/08-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dieser hat über die auftragsgemäß ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe und bringt dazu vor, die in der Berufung beantragten Zeugen, u.a. die Lebensgefährtin ihres Ehemannes, seien nicht vernommen worden. Diese könnten zumindest ihre Beobachtung der Beziehung über einen längeren Zeitraum mitteilen.
Das Unterlassen der Vernehmung der in der Berufung genannten Zeugen stellt schon deshalb keinen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Frage stellenden Verfahrensfehler dar, weil es die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, ein entsprechendes konkretes Beweisthema anzuführen. Auch die Beschwerde zeigt nicht auf, welche konkreten Umstände, von denen auf ein tatsächliches Eheleben hätte geschlossen werden können, durch die beantragten Zeugen hätten bewiesen werden können. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht dargetan.
Auch der Umstand, dass beide Ehepartner das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten hätten und die Ehe nach wie vor aufrecht sei, vermag die nachvollziehbare, auf viele Widersprüche in den Angaben der Eheleute sowie das Ergebnis der Erhebungen an der vorgeblichen ehelichen Wohnung gestützte Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht in Zweifel zu ziehen. Diese begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis keinen Bedenken.
Wenn die Beschwerde rügt, die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe die Ehe nur zur Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossen, sei durch keinerlei Ergebnisse des Beweisverfahrens indiziert, übersieht sie, dass sich die Beschwerdeführerin - unbestritten - wiederholt in ihren Anträgen auf Erteilung bzw. Verlängerung ihrer Niederlassungsbewilligung auf ihre Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger berufen hat. Die Beurteilung, die Beschwerdeführerin habe mit dem österreichischen Staatsbürger G M. die Ehe zur Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile geschlossen, ohne dass ein eheliches Leben geführt worden sei oder die Aufnahme eines solchen beabsichtigt gewesen wäre, begegnet daher keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat auch auf Grund des festgestellten Verhaltens der Beschwerdeführerin zutreffend im Einklang mit der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2007/18/0572, mwN) das Bestehen einer Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG bejaht.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG hat die belangte Behörde in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass die durch den - bei Erlassen des angefochtenen Bescheides siebenjährigen - Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet erzielte Integration auf Grund des Eingehens einer Aufenthaltsehe und die daraus bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des geordneten Fremdenwesens wesentlich gemindert werde. Die Beschwerdeführerin zeigt mit ihrem Hinweis auf ihren in Österreich aufhältigen Bruder sowie ihre Berufstätigkeit auch keine Umstände auf, die die belangte Behörde nicht bereits ausreichend berücksichtigt hat. Dass in der Heimat der Beschwerdeführerin ihre vier Kinder leben, blieb unbestritten.
Den - durch das Eingehen der Aufenthaltsehe nicht verstärkten - persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten, verhältnismäßig und daher auch zulässig iSd § 66 FPG sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe die gemäß Art. 8 EMRK gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung nur zum Schein durchgeführt, erweist sich somit als unzutreffend.
Der Verwaltungsgerichtshof kann auch dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen müssen, nicht folgen, weil keine besonderen Umstände erkennbar sind, die diese hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen.
Fremdenpolizeiliche Maßnahmen, wie vorliegend die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, unterliegen auch nicht dem Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 2011, Zl. 2007/18/0879, mwN).
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 20. Oktober 2011
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)