Normen
BAO §116 Abs1;
BAO §116;
BAO §207 Abs2;
BAO §281 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §303 Abs4;
BAO §305 Abs1;
BAO §76;
FinStrG §33;
BAO §116 Abs1;
BAO §116;
BAO §207 Abs2;
BAO §281 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §303 Abs4;
BAO §305 Abs1;
BAO §76;
FinStrG §33;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist die Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung nach § 281 BAO strittig.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Entscheidung über eine Berufung des Beschwerdeführers, der Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Arzt bezieht, gegen Bescheide des Finanzamtes betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2001 gemäß § 303 Abs. 4 BAO sowie Einkommensteuer 2001 nach § 281 iVm § 282 BAO bis zur Beendigung eines gegen den Beschwerdeführer schwebenden Finanzstrafverfahrens aus.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 13. Juni 2003 zur Einkommensteuer für das Jahr 2001 veranlagt worden. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung sei u.a. die Feststellung getroffen worden, dass dem Beschwerdeführer im Jahr 2001 Pensionsbeiträge in Höhe von rd. 900.000 S durch den Pensionsverband der Gemeindeärzte rückerstattet worden seien. Dieser Zufluss sei steuerlich unberücksichtigt geblieben.
Mit Bescheiden vom 16. Juli 2008 habe das Finanzamt die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens für das Jahr 2001 verfügt und im wiederaufgenommenen Verfahren die Einkommensteuer für dieses Jahr unter Berücksichtigung der rückgezahlten Pensionsbeiträge bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neu festgesetzt. Dabei habe das Finanzamt den Standpunkt vertreten, dass die Bemessungsverjährung für die Einkommensteuer 2001 noch nicht eingetreten sei. Es komme nämlich die siebenjährige Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben zur Anwendung, die noch nicht abgelaufen gewesen sei. Den Vorwurf der Abgabenhinterziehung habe das Finanzamt "zusammengefasst" damit begründet, dass der Beschwerdeführer "dadurch, dass er in Bezug auf die rückerstatteten Pensionsbeiträge seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen sei, ihm die grundsätzliche steuerliche Relevanz dieser Bezüge bekannt gewesen sei und er die Überweisung des fraglichen Betrages auf das private Bankkonto veranlasst habe, zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass eine Versteuerung unterbleibe".
In der gegen den Wiederaufnahmebescheid und den neuen Sachbescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer eingewendet, die Nichtberücksichtigung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wegen mangelnder Offenlegung in der Einkommensteuererklärung könne ihm nicht angelastet werden, weil in dem dazu vorgesehenen amtlichen Vordruck eine entsprechende Offenlegung nicht vorgesehen gewesen sei. Eine Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht sei vielmehr der auszahlenden Stelle anzulasten, weil diese es unterlassen habe, einen Lohnzettel zu übermitteln.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2008 bzw. einem berichtigten Bescheid vom 19. Juni 2008 habe das Finanzamt - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - gegen den Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren mit der Begründung eingeleitet, dass der Verdacht bestehe, dass er durch die Abgabe einer unrichtigen Einkommensteuererklärung Einkommensteuer für das Jahr 2001 verkürzt und damit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe.
Mit Schreiben vom 30. Jänner 2009 habe die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sie beabsichtige, die Entscheidung über die Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2001 sowie Einkommensteuer 2001 bis zur Beendigung des gegen ihn eingeleiteten Finanzstrafverfahrens auszusetzen.
Im Rahmen einer Befangenheitsanzeige vom 17. Februar 2009 habe der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Aussetzung vorgebracht, das eingeleitete Finanzstrafverfahren sei für das gegenständliche Berufungsverfahren schon deshalb nicht von wesentlicher Bedeutung, weil im Finanzstrafverfahren auf Grund mittlerweile erhobener Administrativbeschwerden nur die Rechtsfrage zu klären sei, ob die Einleitung des Finanzstrafverfahrens dem Gesetz entsprechend erfolgt sei. Diese Rechtsfragen würden sich wesentlich von der im vorliegenden Berufungsverfahren zu beurteilenden Rechtsfrage unterscheiden, ob die Begründung des in Berufung gezogenen Wiederaufnahmebescheides den Anforderungen entspreche. Das abschließende Ergebnis des Finanzstrafverfahrens sei für die Berufungserledigung zudem "völlig bedeutungslos", weil - selbst wenn der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung für schuldig erkannt würde - noch immer die Frage offen bliebe, ob das Finanzamt in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen zu den Hinterziehungskriterien des § 33 Abs. 1 FinStrG getroffen habe.
Nach einer Darstellung der Rechtslage hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass es sich bei der Frage, ob Abgaben gemäß § 33 FinStrG hinterzogen seien, um eine Vorfrage für die Anwendung der verlängerten Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO handle. Die Entscheidung über die vorliegende Berufung sei daher von der Vorfrage abhängig, ob der Beschwerdeführer eine Hinterziehung der Einkommensteuer für das Jahr 2001 begangen habe.
Mit dem vom Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz eingeleiteten Finanzstrafverfahren schwebe vor dieser Behörde ein Verfahren, in dem die Frage der Hinterziehung als Hauptfrage zu entscheiden sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich das Verfahren erst im Stadium der Einleitung befinde und die endgültige Beantwortung der Hinterziehungsfrage dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens und dem Straferkenntnis vorbehalten bleibe. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, dass in den gegen den Einleitungsbescheid anhängigen Administrativbeschwerdeverfahren andere Rechtsfragen betroffen seien, sei darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Aussetzung nicht bis zur Beendigung dieser Beschwerdeverfahren, sondern bis zur Beendigung des Finanzstrafverfahrens an sich erfolge. Das abschließende Ergebnis des Finanzstrafverfahrens sei für das vorliegende Berufungsverfahren wesentlich, weil eine in einer Sachentscheidung erfolgende finanzstrafbehördliche Entscheidung über die Abgabenhinterziehung gemäß § 116 BAO für das Abgabenverfahren bindend sei. Mit dem Ergehen einer solchen bindenden Entscheidung sei nach dem derzeitigen Verfahrensstand auch zu rechnen.
Es entspreche dem Zweck des § 281 Abs. 1 BAO, im Sinne der Prozessökonomie die Entscheidung über die Berufung auszusetzen und zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in zwei Verfahren erörtert werde. Überwiegende Parteiinteressen, die einer Aussetzung entgegenstehen würden, habe der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom 16. Juni 2009, B 397/09, abgelehnt und die Beschwerde - über nachträglichen Antrag - zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
In der (ergänzten) Beschwerde sieht sich der Beschwerdeführer in seinem "Recht auf Nichtaussetzung der Entscheidung" über seine Berufung verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt eine Unzuständigkeit der belangten Behörde und begründet dies damit, dass der angefochtene Bescheid von dem Referenten erlassen worden sei, den der Beschwerdeführer mit Befangenheitsanträgen vom 30. Dezember 2008 und 17. Februar 2009 abgelehnt habe. Beide Befangenheitsanträge seien vom Vorsitzenden des Berufungssenates als unbegründet abgewiesen worden. Ein abgesondertes Rechtsmittel gegen diese Bescheide sei nicht zulässig. Der Vorsitzende habe allerdings die Befangenheitsanträge zu Unrecht abgewiesen, "sodass der angefochtene Bescheid nicht vom Referenten hätte erlassen werden dürfen".
Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgezeigt, weil selbst die Tätigkeit eines befangenen Organs nicht zur Unzuständigkeit der Behörde führt, sondern allenfalls zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, wenn sich dagegen sachliche Bedenken ergeben (vgl. z.B. Ritz, BAO4, § 76 Tz 17, mwN).
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann nach § 281 Abs. 1 BAO die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.
Zweck des § 281 Abs. 1 BAO ist es, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in zwei Verfahren erörtert werden muss (vgl. z.B. Ritz, aaO, § 281 Tz 1). Für eine Berufungsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind u. a. Verfahren, in denen von der diesbezüglich zuständigen Behörde über eine Frage zu entscheiden ist, die im Berufungsverfahren Vorfrage im Sinne des § 116 BAO ist (vgl. Ritz, aaO, § 281 Tz 5).
Die Frage, ob Abgaben hinterzogen sind, bildet eine Vorfrage nach § 116 Abs. 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist (vgl. Ritz, aaO, § 116 Tz 4, sowie Stoll, BAO-Kommentar, 2169). Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen. Wenn eine Verurteilung wegen Hinterziehung einer bestimmten Abgabe vorliegt, dann ist die Abgabe im Abgabenverfahren als hinterzogen zu behandeln (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, 97/15/0056, VwSlg. 7378/F).
Der Beschwerdeführer bringt gegen die von der belangten Behörde verfügte Aussetzung der Berufungsentscheidung vor, die Grundvoraussetzung des § 281 Abs. 1 BAO, dass vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren schwebe, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung sei, sei nicht erfüllt. Das abschließende Ergebnis des Finanzstrafverfahrens sei nämlich für die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid "völlig bedeutungslos", weil im ausgesetzten Berufungsverfahren nur die Frage zu klären sei, ob "das Finanzamt in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen getroffen hat, die die Hinterziehungskriterien des § 33 (1) FinStrG. nach materiellem Finanzstrafrecht nachgewiesen hat". Auch dürfe nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einer Berufung gegen eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens die Abgabenbehörde zweiter Instanz nur prüfen, ob die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen zulässig gewesen sei, ansonsten die "Sache" des Berufungsverfahrens überschritten werde. Da das Finanzamt das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung im gegenständlichen Fall nicht nachgewiesen habe, komme die verlängerte Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO nicht zur Anwendung.
Mit diesem Beschwerdevorbringen missversteht der Beschwerdeführer offensichtlich die Festlegung der "Sache" im Wiederaufnahmeverfahren durch die Abgabenbehörde erster Instanz. Es trifft zwar zu, dass bei einer Berufung gegen die Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt die "Sache", über welche die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen ist (vgl. für viele beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 4. März 2009, 2008/15/0327, mwN). Innerhalb dieser "Sache" kommt der Abgabenbehörde zweiter Instanz aber volle Entscheidungsbefugnis im Sinne des § 289 Abs. 2 BAO zu. Sie kann daher auch wegen gegebenenfalls angenommener Abgabenhinterziehung (mit der Folge der Verjährungsfristverlängerung nach § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO) hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz setzen, wobei sie auch Entscheidungen der Hauptfragenbehörde (hinsichtlich Vorfragen im Sinne des § 116 BAO) zu berücksichtigen hat (vgl. Ritz, aaO, § 289 Tz 43).
Die Beschwerde zeigt damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 21. Dezember 2011
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