VwGH 2009/09/0050

VwGH2009/09/005029.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der A S in W, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG, in 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. Jänner 2009, Zl. UVS-07/A/37/10870/2007-35, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Jänner 2009 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen Berufene der M. GmbH, Komplementärin der M. KG, mit Sitz in Wien gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass diese Gesellschaft den syrischen Staatsangehörigen A. vom 12. Dezember bis zum 28. Dezember 2005 als Zeitungszusteller beschäftigt habe, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt worden sei.

Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) eine Geldstrafe von EUR 1.600,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche, vier Tagen und vier Stunden verhängt.

Die Tätigkeit des A. für die M. KG habe am 12. Dezember 2005 begonnen. A. habe zuvor einen schriftlichen Vertrag mit dem Gegenstand "Abonnentenbetreuung" unterzeichnet. Dieser im Verwaltungsakt erliegende "GSVG-Vertrag Abonnentenbetreuung" lautet:

"I.

Der Auftraggeber überträgt dem Auftragnehmer die Abonnentenbetreuung (wie z.B.: Zustellung der Vertriebsobjekte und Werbemittel, gegebenenfalls Inkasso der Abonnentengebühren, Abonnentenwerbung, Bearbeitung von Abonnement - Kündigungen) in einem von Auftraggeber bezeichneten Gebiet. Eine Änderung dieses vom Auftraggeber angebotenen und vom Auftragnehmer gewählten Gebiet, ist nur mit beidseitiger Zustimmung möglich. Die Zusammenarbeit auf Basis dieser Vereinbarung wird auf unbestimmte Zeit eingegangen und beginnt mit der Tätigkeit für die Zeitungsausgabe vom 12.12.2005 Bezirk Nr. Mo-So 317646 Abwurfplatz: bleibt gleich

II.

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die ihm übergebenen Zeitungen am gleichen Tag bis 6 Uhr den Kunden am jeweils vereinbarten Platz zuzustellen.

Das monatliche Inkasso kann mittels Bankeinzug, Erlagschein oder im Fall einer gesonderten Ermächtigung durch Inkasso des Auftragnehmers erfolgen. Bei Inkasso durch den Auftragnehmer erhält dieser vom Auftraggeber Inkassoquittungen, die bis spätestens 10. des jeweiligen Monats mit dem Auftraggeber abzurechnen sind.

III.

Der Auftraggeber übergibt dem Auftragnehmer ein Verzeichnis mit den Abonnenten seines Gebietes. Dieses Verzeichnis (Hauptliste) wird bei jeder Veränderung des Abonnentenstandes im übergebenen Gebiet durch eine Ergänzung (Nachtragsliste) aktualisiert.

Der Auftraggeber übergibt dem Auftragnehmer weiters die für die Erfüllung der Tätigkeit notwendigen Geräte und Schlüssel. Diese verbleiben, wie Haupt- und Nachtragslisten, im Eigentum des Auftraggebers und sind bei Beendigung des Vertragsverhältnisses prompt und ohne separate Aufforderung vom Auftragnehmer zurückzustellen.

Der Auftragnehmer trägt die Verantwortung für einen ausschließlich widmungsgerechten Einsatz der übernommenen Unterlagen, Geräte und Schlüssel. Der Werkvertragspartner ist des weiteren verpflichtet, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die in Ausübung der Tätigkeit bekannt werden, strengste Verschwiegenheit zu bewahren und die Bestimmungen des Datenschutzes einzuhalten.

Eigene Betriebsmittel, zum Beispiel PKW, Moped, Transportwagen, Lichtquellen, Trägertaschen, Kleidung, Anhänger, Zustellrodel, Telefon, Büro, usw. sind, sofern erforderlich, auf Kosten und Gefahr des Auftragnehmers zur Verfügung zu stellen.

IV.

Der Auftragnehmer teilt die ihm übertragenen Arbeiten selbständig ein. Überträgt der Auftragnehmer die vereinbarten Leistungen auf eigene Kosten und Gefahr an Dritte, haftet er dem Auftraggeber gegenüber für die ordnungsgemäße Leistungserbringung seiner Mitarbeiter bzw. Subunternehmer.

Der Auftragnehmer hat in Fall der Arbeitsverhinderung auf seine Kosten und Gefahr für eine Vertretung zu sorgen bzw. rechtzeitig den Vertretungsservice des Auftragnehmers zu verständigen.

Schäden, welche durch mangelhafte Leistungserbringung bzw. Nichtleistung entstehen, werden dem Auftragnehmer angelastet bzw. gegen noch offene Ansprüche aufgerechnet.

V.

Für die ordnungsgemäße Durchführung der vereinbarten Leistungen erhält der Auftragnehmer ein Honorar (gegebenenfalls zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer), dessen Höhe dem jeweils gültigen Preis- Leistungs- Verzeichnis zu entnehmen ist.

VI.

Die Abrechnung und Zahlung erfolgt jeweils für die Leistung eines Kalendermonates und wird mittels Banküberweisung im Folgemonat durchgeführt.

Die Vertragspartner kommen überein, daß die monatliche Abrechnung durch Erstellung einer Gutschrift seitens des Auftraggebers erfolgt. Das Banküberweisungsformular wird so ausgefüllt, daß alle für die Buchhaltung des Vertragspartner notwendigen Daten aufscheinen und dadurch die separate Ausstellung eines Gutschriftsbeleges nicht notwendig ist. Das Banküberweisungsformular ist somit gleichzeitig der Gutschriftsbeleg.

VII.

Der Auftragnehmer hat allfällige Änderungen im Namen, in der Anschrift oder der Bankverbindung sofort schriftlich zu melden, damit der Gutschriftsbeleg (=Banküberweisung) ordnungsgemäß erstellt werden kann. Nachteile aus der Unterlassung derartiger Meldungen (wie zum Beispiel verspätete Geldanweisung usw.) gehen zu Lasten des Auftragnehmers.

VIII.

Die Vertragspartner erklären übereinstimmend, daß mit diesem Vertrag kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach dem ASVG begründet wird und daher erfolgt keine Anmeldung zur Sozialversicherung. Für die Meldung gemäß GSVG ist der Auftragnehmer selbst verantwortlich. Seitens des Auftraggebers erfolgt daher weder ein Abzug von Lohnsteuer, noch eine Anmeldung bei der Sozialversicherung.

Der Auftragnehmer nimmt zur Kenntnis, daß er die auf diese Einkünfte entfallenden Steuern und Abgaben selbst zu tragen hat.

Der Auftragnehmer bestätigt mit seiner Unterschrift auch den Erhalt eines Informationsblattes über die Belange eines Werkvertragsverhältnisses.

IX.

Die Aufkündigung des Vertrages kann sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer mit einer dreitägigen Frist erfolgen. Dem Auftragnehmer ist es freigestellt, jedwede sonstige gewerbliche bzw. unselbständige Tätigkeit auszuüben. Tätigkeiten für andere Zeitungsverlage sind dem Auftraggeber mitzuteilen.

Der Auftragnehmer verpflichtet sich gegenüber dem Auftraggeber, diesen schad- und klaglos zu halten, sofern von Dritten Forderungen (z.B.: Steuern, Versicherungen, Abgaben, o.ä.) gegenüber dem Auftragnehmer an den Auftraggeber herangetragen werden.

Insbesondere erklärt der Auftragnehmer, für den Fall, daß das vorliegende Vertragsverhältnis gegen den Willen zumindest einer der Vertragsparteien zu einem Dienstverhältnis erklärt werden sollte, mit einer einvernehmlichen rückwirkenden Entgeltsminderung um den Dienstnehmerbeitrag zur Sozialversicherung ausdrücklich einverstanden zu sein.

X.

Änderungen dieses Vertrages bedürfen der schriftlichen Form. In Streitfällen ist das für den Auftraggeber zuständige Gericht in Wien anzurufen."

A. habe während des angelasteten Tatzeitraumes die von der

M. KG täglich um etwa zwei Uhr früh in seiner Wohnnähe angelieferten Zeitungen bis sechs Uhr früh an die jeweiligen Abonnenten in K zugestellt, wofür er ein von der Stückzahl der zu verteilenden Zeitungen und den örtlichen Gegebenheiten seines Zustellbezirkes abhängiges Entgelt in der Höhe von jeweils etwa EUR 550,-- pro Monat erhalten habe. Für die Zustellung habe A. sein eigenes Fahrzeug benützt, aber von der M. KG im Falle von Niederschlägen Plastiksäcke bekommen, um die Zeitungen bei der Zustellung vor witterungsbedingter Beschädigung zu schützen. Die Aushändigung von Schlüsseln sei für seine Tätigkeit nicht erforderlich gewesen. Bei Arbeitsbeginn bzw. Vertragsabschluss (welcher nach einer einwöchigen Einschulung durch seinen Vorgänger im konkreten Zustellgebiet erfolgt sei) seien A. von der M. KG Unterlagen (Liste der zu beliefernden Haushalte und die Route der vorzunehmenden Zustellungen) übergeben worden. A. habe stets nur von der M. KG vertriebene Zeitungen ausgeliefert, andere Printmedien oder Waren habe er nicht zugestellt. Er sei sich auf Grund der mit ihm zu Beginn seiner Tätigkeit geführten Gespräche bewusst gewesen, dass er die Verteilungen selbst durchzuführen habe. Er habe angegeben, an Tagen, an denen er sich nicht ganz fit gefühlt habe, einen Bekannten mitgenommen zu haben, der ihm dabei geholfen habe. Er sei sich bewusst gewesen, dass er im Falle seiner Verhinderung die M. KG informieren müssen, welche dann für Ersatz (Springer) sorgen würde. Tatsächlich habe A. nie eine Vertretung benötigt. Mit den Abonnenten habe A. kaum jemals Kontakt gehabt. Seine Bezahlung sei auf Grund der Aufzeichnungen der M. KG erfolgt. Er habe diesbezüglich nichts zu veranlassen gehabt. Er habe keine Rechnungen schreiben müssen, sondern ein von der M. KG berechnetes Entgelt erhalten. Im Falle von Fehlzustellungen hätten die betroffenen Haushalte die M. KG kontaktiert. Die M. KG habe A. in der Regel am nächsten Tag (durch ein Informationsschreiben, das den zuzustellenden Zeitungen beigelegt wurde) zur nachträglichen Zustellung der fehlenden Zeitung(en) aufgefordert. Finanzielle Einbußen habe er dadurch nicht erlitten. In der M. KG habe es Kontrolleure gegeben, die die Tätigkeit der Zusteller jedenfalls im Fall gehäuft auftretender Fehlermeldungen überprüft hätten. In der Zeit, in der A. für die

M. KG gearbeitet habe sei er für kein anderes Unternehmen tätig gewesen und keiner anderen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Der der Tätigkeit des A. zugrunde gelegte Vertrag beinhalte auch andere Tätigkeiten, als von A. tatsächlich durchzuführen waren und durchgeführt worden seien, nämlich insbesondere die (persönliche) Abonnentenbetreuung und das Inkasso bei den Abonnenten. Es sei davon auszugehen, dass dem A. vermittelt worden sei, er müsse - ohne vorher selbst zu versuchen, eine Vertretung zu organisieren - jede Verhinderung melden, worauf die M. KG für Ersatz sorgen werde.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, das Verhältnis des A. zur M. KG sei als arbeitnehmerähnlich einzustufen. Daran ändere nichts, dass A. den zitierten Vertrag unterschrieben habe. Der objektive Tatbestand der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung sei erfüllt. Dem Einwand mangelnden Verschuldens begegnete die belangte Behörde mit einem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0153, in welchem bereits entsprechende grundsätzliche Ausführungen zur Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit enthalten gewesen seien. Im hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2006, Zl. 2002/09/0187, sei ausdrücklich klargestellt worden, dass die Beschäftigung von Zeitungszustellern, so wie sie auch im vorliegenden Fall erfolgt sei, den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unterliege. Eine Rechtsunsicherheit, welche die ergänzende Einholung von Informationen etwa beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit notwendig gemacht hätte, sei nicht vorgelegen. Die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe "die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beobachtet", sei bei dieser Sachlage nicht überzeugend. Gerade eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte zu der Einsicht führen müssen, dass die Beschäftigung von Zeitungszustellern, so wie sie gehandhabt worden sei, eine Verwendung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis darstelle, welches den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unterliege. Die Beschwerdeführerin habe im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG nicht darlegen können, dass sie an der Verletzung der genannten Bestimmungen des AuslBG kein Verschulden treffe, weshalb von einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten auszugehen gewesen sei.

Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafbemessungsgründe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantrage die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Beschwerde und der damit angefochtene Bescheid gleichen in den entscheidungswesentlichen Einzelheiten jener Beschwerde und jenem angefochtenen Bescheid, die dem hg Erkenntnis vom 22. April 2010, Zl. 2008/09/0295, zu Grunde lagen. Dieses Erkenntnis, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, betraf wie im Beschwerdefall die Beschäftigung einer ausländischen Arbeitskraft als Zeitungszusteller durch die M. KG. Die in diesem Erkenntnis ausgeführten Gründe treffen auch für den vorliegenden Beschwerdefall zu. Der von der Beschwerdeführerin bestrittene Umstand, dass A. "im Falle von Niederschlägen Plastiksäcke bekam, um die Zeitungen bei der Zustellung vor witterungsbedingter Beschädigung zu schützen", spielt für die gebotene Gesamtbetrachtung nach den Regeln eines "beweglichen Systems" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2000/09/0058, mwN) keine maßgebliche Rolle, sodass auch das Nichtvorliegen dieses Details am Ergebnis, dass eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit des A. und damit Bewilligungspflicht nach dem AuslBG vorgelegen ist, nichts ändern würde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung vom Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. April 2011

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