Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Innsbruck erteilte dem Mitbeteiligten mit Bescheid vom 7. Oktober 2008 die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Steges zwischen den ersten Obergeschoßen der bestehenden Gebäuden K-Straße 2 "Hotel S" und dem dazugehörenden Stöckelgebäude. Dieser Steg betrifft die Grundstücke .770/1 und .770/2, KG. E.
Das Grundstück des Beschwerdeführers Nr. .769 ist südlich des geplanten Steges gelegen und grenzt im Westen unmittelbar an das Baugrundstück Nr. .770/1, K-Straße 2 an. In dem dem Bauansuchen angeschlossenen Lageplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl. Ing. K. H. M. ist der Abstand des nordwestlichen Eckpunktes des Grundstückes des Beschwerdeführers vom Steg mit 3,00 m eingezeichnet.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den angeführten erstinstanzlichen Bescheid Berufung (eingelangt beim Stadtmagistrat Innsbruck am 27. Oktober 2008) und machte geltend, dass die mit dem bekämpften Bescheid bewilligte bauliche Anlage die Bestimmungen des § 6 Abs. 1 lit. a Tiroler Bauordnung (TBO) über den einzuhaltenden Mindestabstand verletze. Weiters diene der ohne Baugenehmigung errichtete Steg der Erschließung des Gebäudes U-Straße 17a (das genannte Stöckelgebäude), das ebenfalls teilweise ohne Baugenehmigung errichtet worden sei. Im Ergebnis stelle sich somit der bekämpfte Bescheid als nachträgliche Genehmigung eines Schwarzbaues, der der Erschließung eines weiteren, teilweise als Schwarzbau errichteten Gebäudes diene, dar.
Mit Schreiben vom 8. Mai 2009 (das beim Stadtmagistrat Innsbruck am 27. Mai 2009 einlangte) nahm der Amtssachverständige der Bau- und Feuerpolizei des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck Dipl. Ing. K. (als Sachbearbeiter scheint Dipl. Ing. H. auf) wie folgt Stellung:
"Bezug nehmend auf den gemeinschaftlich durchgeführten Lokalaugenschein an der oben bezeichneten Adresse, am 7.4.2009, darf mitgeteilt werden;
dass der projektierte Steg zwischen den Gebäuden K-Straße 2 und U-Straße 17a an das Fluchtstiegenhaus anschließt. Der angebaute Steg besteht einerseits aus einem Treppenteil und aus dem eigentlichen Steg.
Der Treppenteil schließt an die Fluchttreppe an. Der Abstand zur Fassade bzw. Grundgrenze beträgt für diesen Teil ca. 2,7m. Der Steg schließt an diesen Treppenteil an. Der Abstand beträgt lt. Plan 3,0 m, wobei sich der Abstand vergrößert.
Der Abstand zur Grundgrenze wird durch die Bebauungsregeln des Bebauungsplanes IN-B4, in Kraft getreten am 17.11.1998 geregelt. Im Bebauungsplan wurde offene Bauweise 0,4, entspricht einem Mindestabstand von 3,0 m verordnet.
Die Fluchttreppe entspricht einem nachträglich angebauten Treppenturm gem. §58 Abs.10 TBO Übergangsbestimmungen. Der Steg befindet sich im betreffenden Bereich außerhalb des Mindestabstandes und hält die Bebauungsregeln des oben genannten Bebauungsplanes ein."
Die erstinstanzliche Behörde übermittelte mit Schreiben vom 12. Mai 2009 die Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 8. Mai 2009 an den Mitbeteiligten mit einer Stellungnahmefrist von 14 Tagen ab Zustellung.
Am 14. Mai 2009 langte beim Stadtmagistrat Innsbruck der verfahrensgegenständliche, an den Gemeinderat der Stadt Innsbruck gerichtete Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 12. Mai 2009 betreffend seine Berufung vom 23. Oktober 2008 ein.
Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck wies den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 2009 gemäß § 73 Abs. 2 AVG ab. Er begründete dies im Wesentlichen damit, da im vorliegenden Fall betreffend die Frage der Einhaltung der Mindestabstände nach § 6 TBO 2001 die Fachkenntnisse der Berufungsbehörde nicht ausgereicht hätten, sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Berufungsbehörde erforderlich gewesen sei. Da die Behörde gemäß § 52 AVG dazu verpflichtet sei, den ihr beigegebenen Amtssachverständigen beizuziehen, sei die Magistratsabteilung III, Bau- und Feuerpolizei, mit der gegenständlichen Frage der Einhaltung der Mindestabstände zum Nachbargrundstück zu befassen gewesen. Die von der Berufungsbehörde eingeforderte Stellungnahme sei notwendige Voraussetzung für eine Berufungsentscheidung.
Die Berufungsbehörde habe erstmals am 19. November 2008 mit der Magistratsabteilung III, Bau- und Feuerpolizei, betreffend eine ergänzende Stellungnahme zum Berufungsvorbringen Kontakt aufgenommen. Bei einer Besprechung am selben Tag sei mit dem Amtssachverständigen die Sachlage erörtert und die schriftliche Übermittlung der Stellungnahme seitens des Amtssachverständigen zugesichert worden. Diese Vorgangsweise sei in einem Aktenvermerk der Sachbearbeiterin der Berufungsbehörde vom 19. November 2008 dokumentiert.
Aus zahlreichen Aktenvermerken über Telefonate bzw. im Akt befindliche E-Mails gehe hervor, dass seitens der Berufungsbehörde in der Folge mehrfach in vertretbaren Abständen die Abgabe der Stellungnahme des Sachverständigen eingefordert und somit die Ermittlungen in einem vertretbaren Ausmaß vorangetrieben worden seien. Daher könne der Berufungsbehörde kein Verschulden an der verspäteten Abgabe des Gutachtens bzw. der Stellungnahme angelastet werden.
Da die am 19. November 2008 zugesicherte Stellungnahme in der Folge nicht abgegeben worden sei, sei mittels E-Mails im Jänner 2009 zum wiederholten Mal seitens der Berufungsbehörde die Abgabe der Stellungnahme eingefordert worden, was in der Folge aber nicht geschehen sei. Am 31. März 2009 sei der Amtssachverständige in der Angelegenheit telefonisch kontaktiert worden und sei der Sachbearbeiterin versichert worden, dass eine Stellungnahme spätestens Mitte der folgenden Woche abgegeben werde. Es sei weiters ein gemeinsamer Lokalaugenschein für 7. April 2009 vereinbart worden, um sich ein genaues Bild von den Örtlichkeiten am Bauplatz zu machen. Im Zuge des vereinbarten Lokalaugenscheines am 7. April 2009 sei neuerlich die Übermittlung der Stellungnahme durch den Amtssachverständigen zugesichert worden. Auch dies sei in einem Aktenvermerk dokumentiert worden. Aus einem weiteren Aktenvermerk (vom 7. Mai 2009) gehe hervor, dass der Amtssachverständige neuerlich an diesem Tag dringend ersucht worden sei, die zugesagte Stellungnahme zu übermitteln. In der Folge sei die Stellungnahme der Magistratsabteilung III, Bau- und Feuerpolizei, datiert vom 8. Mai 2009, korrigiert durch den Amtssachverständigen am 25. Mai 2009, an die Berufungsbehörde übermittelt worden, die dort am 27. Mai 2009 eingelangt sei.
Der gegenständliche Devolutionsantrag sei bereits am 22. Mai 2009 bei der Berufungsbehörde eingelangt, weshalb die Zuständigkeit der Entscheidung bereits auf die Oberbehörde übergegangen sei. Es könne der Berufungsbehörde ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung des gegenständlichen Verfahrens aus der Sicht der Oberbehörde nicht angelastet werden, sondern sei von einer Verhinderung der Entscheidung durch unüberwindliche Hindernisse auszugehen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung geht, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird, auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass die verzögerte Bearbeitung der Angelegenheit durch den Amtssachverständigen der Berufungsbehörde einem unüberwindlichen Hindernis gleichzusetzen sei. Der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG sei insofern objektiv zu verstehen, als ein solches Verschulden dann anzunehmen sei, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert gewesen sei. Die Säumnis des Amtssachverständigen sei naturgemäß nicht der Partei, sondern der Behörde zuzurechnen. Abgesehen davon sei die Tatsache, dass ein Sachverständigengutachten erst nach längerer Zeit abgeliefert werde, für sich allein nicht geeignet das Vorliegen eines unüberwindbaren Hindernisses zu begründen. Es sei Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 2008, Zl. 2007/05/0116). Zumindest Letzteres sei von der Berufungsbehörde verabsäumt worden. Die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG sei daher aus dem alleinigen Verschulden der Berufungsbehörde nicht eingehalten worden.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Wie dies der Beschwerdeführer zutreffend erwähnt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 21. September 2007, Zl. 2006/05/0145), dass Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse, die erst nach längerer Zeit abgeliefert werden, für sich allein nicht geeignet sind, das Vorliegen eines unüberwindlichen Hindernisses zu begründen. Es sei vielmehr Aufgabe der Behörde gewesen, ab Vorliegen eines vollständigen Antrages (in dem konkreten Beschwerdefall ab Vorliegen des geänderten Projektes) konkrete Aufträge an den Sachverständigen zur Erstellung eines für die Entscheidung geeigneten Gutachtens zu erteilen, mit den für die Entscheidung relevanten Sachverständigen und anderen in das Verfahren Involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 92/07/0078).
Dass die Berufungsbehörde diesen Anforderungen in Bezug auf die für erforderlich erachtete Stellungnahme eines Amtssachverständigen zur Einhaltung des Mindestabstandes in diesem Sinne entsprochen hätte, kann nicht festgestellt werden. Es muss schon als mangelhaft beurteilt werden, dass kein konkreter schriftlicher Auftrag an den Amtssachverständigen betreffend die für erforderliche erachtete Stellungnahme ergangen ist. Es ist weiters aus Anlaß der mündlich beantragten Erstattung einer Stellungnahme keine bestimmte Frist mit dem Amtssachverständigen festgesetzt worden. Auch die dreieinhalb Monate nach dem mündlich erteilten Auftrag erfolgten Kontaktnahmen der Behörde mit dem Amtssachverständigen und die im Jänner 2009 in einem E-Mail (eine andere Angelegenheit betreffend) im Nachsatz erfolgte bloße Erinnerung an die Angelegenheit konnten an der nicht ausreichenden Überwachung des herangezogenen Amtssachverständigen im vorliegenden Fall nichts ändern. Hinzu kommt, dass es im vorliegenden Fall nur um eine Stellungnahme des Amtssachverständigen zur Einhaltung des Mindestabstandes des geplanten Steges zur Grundgrenze des Beschwerdeführers ging, die aus den vorgelegten Einreichunterlagen zu beantworten war und auch konkret daraus beantwortet wurde, und nicht um die Erstattung eines Gutachtens. Es ist daher für den Verwaltungsgerichtshof überdies auch nicht ersichtlich, warum angesichts der vorgelegten Einreichunterlagen (insbesondere der Lageplan von Dipl. Ing. K. H. M. vom 4. September 2006) überhaupt eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen zur Einhaltung des Mindestabstandes durch das Bauvorhaben erforderlich war.
Es kann im vorliegenden Fall daher nicht davon ausgegangen werden - wie es die belangte Behörde vertreten hat -, dass die Berufungsbehörde durch unüberwindliche Hindernisse an der rechtzeitigen Entscheidung gehindert gewesen sei. Es ist vielmehr der Berufungsbehörde ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Entscheidung anzulasten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 27. April 2011
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