VwGH 2008/22/0304

VwGH2008/22/03043.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Robl sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Helge Doczekal, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Mai 2007, Zl. 148.566/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 19. Oktober 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 und § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, dass Verfahren zur Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei Inkrafttreten des NAG anhängig seien, gemäß dessen § 81 Abs. 1 nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen seien.

Der auf § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 gestützte Antrag des Beschwerdeführers zum Zweck der Familiengemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin sei nach der demnach maßgeblichen Rechtslage als Antrag für den Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu werten gewesen. Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung noch über eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende verfügt habe, sei der Antrag nicht als Erstantrag, sondern als Zweckänderungsantrag zu werten.

Auf Grund der Aktenlage sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer am 11. August 2008 die österreichische Staatsbürgerin Virginia A. geheiratet habe.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. September 2006 sei gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe erlassen worden. Das Verfahren über die dagegen erhobene Berufung sei noch anhängig.

Gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG dürfe einem Fremden kein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption vorliege. Damit widerstreite der Aufenthalt des Beschwerdeführers dem öffentlichen Interesse gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG, und er erfülle die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht.

Gemäß § 30 Abs. 1 NAG dürften sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führten, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.

Aus diesen Gründen liege im Fall des Beschwerdeführers eine Aufenthaltsehe vor, weshalb ihm gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG zwingend ein Aufenthaltstitel zu versagen sei. Auf Grund der Aufenthaltsehe sei eine Prüfung "hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts (EU)" entbehrlich.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an ihn erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 10. Oktober 2007, B 1355/07-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der darüber nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer Aufenthaltsehe und bringt vor, dass die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend ermittelt habe. Er rügt insbesondere, dass die von ihm beantragte Einvernahme näher bezeichneter Zeugen zum Beweis über seine Ehe unterblieben sei.

Schon mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer einen relevanten Verfahrensmangel auf:

Die belangte Behörde hat zur Frage, ob eine Aufenthaltsehe tatsächlich vorliegt, trotz des umfangreichen Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren weder eigene Ermittlungen vorgenommen noch eine eigene Beweiswürdigung durchgeführt, sondern lediglich auf das (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht rechtskräftige) Aufenthaltsverbot verwiesen. Es ist jedoch nicht zulässig, die bestrittene Tatsache einer Aufenthaltsehe allein mit dem Vorliegen eines nicht rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2010, Zl. 2008/22/0776).

(Das gegenüber dem Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot wurde im Übrigen mit hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2007/18/0542, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.)

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über den Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand laut dieser Verordnung (§ 1 Abs. 1 Z 1 lit. a) hinausgehenden Mehrbetrag, die Umsatzsteuer, die in dieser Schriftsatzpauschale bereits enthalten ist, sowie den Ersatz der Eingabegebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG, die der Beschwerdeführer auf Grund der ihm gewährten Verfahrenshilfe nicht zu entrichten hatte. Wien, am 3. März 2011

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