Normen
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
NAG 2005 §30 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
NAG 2005 §30 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 17. Juli 1992 geborene Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsangehöriger, wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichtes Skenderaj vom 6. Oktober 2006 "in vollem Umfang" von den österreichischen Staatsbürgern A und Z G. - dabei handelt es sich um den Bruder seines Vaters und dessen Ehefrau (Onkel und Tante) - adoptiert.
Darauf gestützt stellte der Beschwerdeführer am 27. November 2006 bei der Österreichischen Botschaft in Tirana den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
Diesen Antrag wies die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (BH) mit dem im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassenen Bescheid vom 24. Mai 2007 gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 zweiter Fall iVm § 30 Abs. 2 NAG wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsadoption ab.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 27. Februar 2008 unter Bezugnahme auf dieselben Bestimmungen des NAG abgewiesen.
Die belangte Behörde legte dar, aus der Begründung der Adoptionsbewilligung gehe sinngemäß hervor, dass sowohl die leiblichen Eltern als auch die Adoptiveltern des Beschwerdeführers den Wunsch zur Durchführung der gegenständlichen Adoption geäußert hätten und dass auch das Einverständnis des Beschwerdeführers eingeholt worden sei. Die Adoptiveltern hätten erklärt, dass sie sich um das "Wohlwollen", die Ausbildung und die Erziehung des Beschwerdeführers kümmern würden. Vom Gericht seien die Meinungen von Psychologen, Soziologen und Pädagogen eingeholt worden, die angegeben hätten, die Adoption liege im Interesse des Beschwerdeführers.
Am 29. Jänner 2007 hätten die Adoptiveltern, die noch fünf leibliche Kinder im Alter zwischen 15 und 25 Jahren hätten, bei der BH niederschriftlich angegeben, dass der leibliche Vater des Beschwerdeführers seit mehreren Jahren arbeitslos und die Mutter, die ständig unter Depressionen und Migräne leide, Hausfrau sei. Motiv für die Adoption sei gewesen, dass der leibliche Vater des Beschwerdeführers keine Beschäftigung habe. Die Adoptiveltern hätten der Familie des Beschwerdeführers in der Vergangenheit laufend Geld übermittelt. Wegen der aus einem Hauskauf resultierenden Kreditbelastungen seien diese Geldüberweisungen in den Kosovo nicht mehr möglich. Im Wesentlichen gehe es darum, dass der Beschwerdeführer in Österreich vorerst einmal den Hauptschulabschluss absolviere und danach eventuell eine höhere Schule besuche, um nach einer adäquaten Ausbildung in Österreich einen Arbeitsplatz zu finden.
Weiters stellte die belangte Behörde noch fest, dass der Beschwerdeführer der Aktenlage nach der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Nach Zitierung der im Spruch angeführten Bestimmungen des NAG begründete die belangte Behörde ihre Einschätzung über das Vorliegen einer Aufenthaltsadoption. Diesbezüglich führte sie aus, sie verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer mit seinen leiblichen Eltern und den drei Geschwistern im Kosovo in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe und somit der verständliche Wunsch bestehe, dass der Beschwerdeführer seine Schulausbildung in Österreich abschließe, um hier später Arbeit zu finden. Dabei stünden aber die mit der Adoption verbundenen fremdenrechtlichen Vorteile deutlich im Vordergrund. Diese Begünstigung bestünde in einer quotenfreien Niederlassung mit Zugang zum Arbeitsmarkt. Somit könne im Wesentlichen nur die Erlangung des Aufenthaltstitels als Hauptmotiv für die Adoption erkannt werden. Demnach liege eine Aufenthaltsadoption iSd § 30 Abs. 2 NAG vor, sodass dem Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG zwingend ein Aufenthaltstitel zu versagen sei. Beim Vorliegen eines zwingenden Versagungsgrundes sei eine Abwägung iSd Art. 8 EMRK nicht vorzunehmen.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an ihn erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Juni 2008, B 681/08-3, ab. Über gesonderten Antrag trat er die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, der nach deren Ergänzung und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 47 Abs. 2 NAG (in der hier noch maßgeblichen Stammfassung) ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von (u.a.) Österreichern sind, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen "das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt", ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllen. Die zuletzt genannte Bedingung erfasst auch die im § 11 NAG geregelten allgemeinen Voraussetzungen für Aufenthaltstitel. Der für die Abweisung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" herangezogene § 11 Abs. 1 Z 4 NAG und der dort genannte § 30 Abs. 1 und 2 NAG (in der Stammfassung) lauten samt Überschrift:
"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
...
4. eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
Aufenthaltsehe und Aufenthaltsadoption
§ 30. (1) Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art.8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.
(2) An Kindes statt angenommene Fremde dürfen sich bei der Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nur dann auf diese Adoption berufen, wenn die Erlangung und Beibehaltung des Aufenthaltstitels nicht der ausschließliche oder vorwiegende Grund für die Annahme an Kindes statt war."
Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich, dass ein Aufenthaltstitel bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG zwingend nicht zu erteilen ist. Bei § 11 Abs. 1 Z 4 NAG handelt es sich um einen absoluten Versagungsgrund (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, Zl. 2009/21/0385, mwN). Das gilt auf für eine Aufenthaltsadoption, an die das Gesetz insoweit dieselben Wirkungen knüpft.
In der Beschwerde wird zunächst ins Treffen geführt, die gegenständliche Adoption sei vom zuständigen kosovarischen Amtsgericht nach einem ausführlichen Verfahren unter Beiziehung von Fachleuten "als im Wohle des Beschwerdeführers liegend" bewilligt worden. An diese Entscheidung seien auch die österreichischen Verwaltungsbehörden gebunden.
Das Bestehen einer Bindungswirkung wurde von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt, ist sie doch auch vom Vorliegen einer wirksamen Adoption des Beschwerdeführers durch seine österreichischen Adoptiveltern ausgegangen. Für die von der inländischen Behörde vorzunehmende Beurteilung, ob eine Aufenthaltsadoption iSd § 30 Abs. 2 NAG gegeben ist, kommt es jedoch auf die von ihr - allein unter dem Blickwinkel des österreichischen Fremdenrechts - zu prüfenden, der Adoption zugrundeliegenden Motive an.
Dazu wird in der Beschwerde vorgebracht, tatsächlich liege keine Aufenthaltsadoption vor. Durch die Adoption sollten dem Beschwerdeführer der Hauptschulabschluss, anschließend eine höhere Schulbildung und in weiterer Folge ein Arbeitsplatz in Österreich ermöglicht werden. Dazu komme, dass die Adoptiveltern des Beschwerdeführers dessen Familie seit langem finanziell unterstützten und so auch eine Beziehung aufgebaut hätten, wie dies einem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entspreche.
Dem ist zu entgegen, dass zu einem solchen Verhältnis bei minderjährigen Kindern grundsätzlich auch die Führung eines gemeinsamen Familienlebens gehört, das zwischen dem Beschwerdeführer und den seit vielen Jahren in Österreich niedergelassenen Adoptiveltern unstrittig nicht besteht. Vom Beschwerdeführer wurde auch nicht behauptet, dass es sonst besondere, über das bei nahen Verwandten üblicherweise bestehende Verhältnis hinausgehende Beziehungen zu seinen Adoptiveltern gebe. Angesichts dessen ergibt sich aus dem (mit der Aussage der Adoptiveltern bei ihrer Befragung am 29. Jänner 2007 im Einklang stehenden) Beschwerdevorbringen selbst, dass die Erlangung des Aufenthaltstitel der zumindest vorwiegende Grund für die Adoption des Beschwerdeführers war, der ja auch noch über leibliche Eltern verfügt und mit diesen und seinen Geschwistern ein Familienleben im Kosovo führt. Der vom Beschwerdeführer offenbar in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen angestrebte Aufenthalt in Österreich zur beabsichtigten Ausbildung und Berufstätigkeit setzte nämlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels voraus, dessen Erlangung in der Situation des Beschwerdeführers aber nur nach der Adoption als (minderjähriger) Angehöriger von Österreichern möglich war.
Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie im vorliegenden Fall den zwingenden Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 4 zweiter Fall NAG für gegeben erachtete.
Soweit die belangte Behörde und darauf Bezug nehmend auch die Beschwerde noch auf die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung eingehen, genügt es darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Konstellation nicht in deren Anwendungsbereich fällt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 19. Mai 2011
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