VwGH 2008/18/0771

VwGH2008/18/077121.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des M D in L, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 40, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Juni 2008, Zl. E1/225.503/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §63 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §63 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen georgischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot.

Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer am 27. Februar 2006 vom Bezirksgericht Mödling wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Wochen rechtskräftig verurteilt worden sei. Diese Verurteilung habe den Beschwerdeführer jedoch nicht dazu veranlassen können, sich rechtskonform zu verhalten. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. November 2007 sei der Beschwerdeführer gemäß § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 26. August 2007 gemeinsam mit einem Mittäter durch Aufzwicken eines Fenstergitters in die Geschäftsräumlichkeiten eines Supermarktes eingestiegen sei, dort zwei Mobiltelefone gestohlen und versucht habe, den im Büro stehenden Tresor mit einem Inhalt von EUR 32.000,-- aufzubrechen, was jedoch misslungen sei.

Der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge am 10. August 2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der auch zweitinstanzlich abgewiesen worden sei. Der dagegen eingebrachten Beschwerde (an den Verwaltungsgerichtshof) sei aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, daher komme dem Beschwerdeführer (wieder) die Stellung als Asylwerber zu.

Im Hinblick auf die zweite Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maße, sodass sich auch die im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise.

Der Beschwerdeführer halte sich nicht einmal drei Jahre im Bundesgebiet auf und habe keine familiären oder beruflichen Bindungen zu Österreich geltend gemacht. Er bringe lediglich vor, in Österreich integriert zu sein und "hier einen entsprechenden Freundeskreis aufgebaut (zu haben)", ohne dies auch nur ansatzweise näher zu konkretisieren. Auch wenn von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen sei, erweise sich diese Maßnahme zweifellos als dringend geboten, komme doch gerade der Verhinderung der Eigentumskriminalität aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein besonders hoher Stellenwert zu. Dass der Beschwerdeführer seine strafbaren Handlungen bereue und bedingt aus der Strafhaft entlassen worden sei, vermöge daran nichts zu ändern. Einerseits habe die Behörde das Erfordernis eines Rückkehrverbotes eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen und sei dabei nicht an die Erwägungen des Gerichts, eine bedingte Strafe auszusprechen oder einen Täter bedingt aus der Haft zu entlassen, gebunden, andererseits habe den Beschwerdeführer auch in der Vergangenheit eine bereits erfolgte rechtskräftige Verurteilung nicht davon abgehalten, neuerlich und noch dazu in qualifizierter Form straffällig zu werden. Nach den Feststellungen des Strafgerichts sei der Beschwerdeführer an dem Einbruch in führender Rolle beteiligt gewesen und habe den Mittäter lediglich deshalb angeheuert, weil er gewusst habe, dass dieser Erfahrungen im Schweißen habe. Vor diesem Hintergrund sei eine positive Verhaltensprognose für den Beschwerdeführer keinesfalls möglich gewesen.

Im Hinblick auf § 66 Abs. 2 FPG sei zu berücksichtigen gewesen, dass einer allfälligen, aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Die ohnehin nicht sehr ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers hätten daher gegenüber den - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in den Hintergrund zu treten.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten habe die belangte Behörde auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbotes Abstand nehmen können. Dies umso weniger als sich auch nach der Aktenlage keine Umstände ergeben hätten, die für eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers sprächen.

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes seien das konkret gesetzte Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen sowie seine privaten Interessen zu berücksichtigen. Ausgehend davon könne der Erstbehörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie unter Bedachtnahme auf das aufgezeigte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten habe, dass derzeit nicht vorhergesehen werden könne, wann der für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgebliche Grund, nämlich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen, weggefallen sein würde.

II.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Abgabe einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 iVm § 62 Abs. 2 FPG erfüllt sei, begegnet in Anbetracht der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten keinen Bedenken.

Der Beschwerdeführer bringt mit Blick auf die nach § 62 Abs. 1 FPG zu treffende Gefährdungsprognose vor, die belangte Behörde hätte das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers in Betracht ziehen und berücksichtigen müssen, dass er seine Taten bereue und nunmehr geläutert sei. Sie hätte ein kriminalpsychologisches Gutachten einholen und untersuchen müssen, ob sich das Unrechtsbewusstsein des Beschwerdeführers zum Positiven gewandelt habe. Es seien auch keine Feststellungen dahingehend getroffen worden, ob der Beschwerdeführer aus der Strafhaft bedingt entlassen worden sei. Die Einsicht in die Strafvollzugsakten hätte ergeben, dass der Beschwerdeführer auf Grund einer positiven Zukunftsprognose bedingt aus der Strafhaft entlassen worden sei.

Damit zeigt die Beschwerde keine relevanten Umstände auf, die die belangte Behörde nicht bereits berücksichtigt hätte. Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass sie das Erfordernis eines Rückkehrverbotes eigenständig und unabhängig von den Erwägungen eines Gerichts über die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht zu treffen hat. Entgegen der Beschwerdeansicht hat sie ihre Entscheidung auch nicht nur auf die strafrechtlichen Verurteilungen gestützt, sondern mit dem Verhalten des Beschwerdeführers sowie damit begründet, dass der Beschwerdeführer nach seiner ersten Verurteilung im Februar 2006 in einschlägiger und wesentlich qualifizierterer Form rückfällig geworden sei und bei der zweiten Straftat in führender Rolle beteiligt gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer seine strafbaren Handlungen bereue, vermag - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - an der Beurteilung nichts zu ändern, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für eine Bewährung in erster Linie das Verhalten eines Fremden auf freiem Fuß maßgeblich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2011, Zl. 2010/21/0506, mwN). Da der Beschwerdeführer den Verwaltungsakten zufolge erst am 5. Februar 2008 - somit etwa vier Monate vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - aus der Haft entlassen wurde, erweist sich die Abstandnahme von der Einholung eines kriminalpsychologischen Gutachtens nicht als rechtswidrig. Angesichts der aufgezeigten Rückfälligkeit des Beschwerdeführers begegnet die Prognose in Bezug auf die von seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit keinen Bedenken. Der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe keine konkreten Feststellungen zum Gesamtverhalten des Beschwerdeführers getroffen und den maßgeblichen Sachverhalt nicht von Amts wegen ermittelt, sind somit unberechtigt.

Soweit die Beschwerde weiter rügt, dem angefochtenen Bescheid mangle es "an Beweiserhebungen sowie Feststellungen über die soziale Integration des Beschwerdeführers", zeigt sie bereits deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil sie nicht darlegt, auf Grund welcher zusätzlichen Ermittlungen welche konkreten Feststellungen im Einzelnen noch hätten getroffen werden können; somit zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Interessenabwägung begegnen auf dem Boden der behördlichen Feststellungen keinen Bedenken.

Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, der angefochtene Bescheid enthalte keine ausreichende Begründung, weshalb ein unbefristetes Rückkehrverbot zu erlassen sei, ist er darauf hinzuweisen, dass ein Rückkehrverbot gemäß § 63 Abs. 1 FPG u.a. in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG unbefristet erlassen werden kann. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes ist gemäß § 63 Abs. 2 erster Satz FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde zutreffend in den Vordergrund gerückten wiederholten Straffälligkeit und des raschen Rückfalls sowie der führenden Rolle des Beschwerdeführers bei Begehung der zweiten Straftat kann deren Beurteilung nicht entgegengetreten werden, es sei derzeit noch nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr weggefallen sein werde. Im Übrigen zeigt auch die Beschwerde nicht auf, aus welchen Gründen welche Befristung des Aufenthaltsverbots ausreichend sei.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Juli 2011

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