VwGH 2008/18/0221

VwGH2008/18/022116.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des ZT in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Bernt, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 10/26, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Jänner 2008, Zl. SD 2092/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §41 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit 1989 im Bundesgebiet auf. Ab 21. Februar 1990 habe er über einen (nach dem damals geltenden Passgesetz 1969 ausgestellten) Sichtvermerk verfügt. Aktuell verfüge der Beschwerdeführer über einen unbefristeten Aufenthaltstitel.

Am 13. Oktober 1997 sei der Beschwerdeführer, nachdem er wiederholt wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes bestraft worden sei, von der erstinstanzlichen Behörde "eindringlich verwarnt" worden. Der Beschwerdeführer habe damals gelobt, sich fortan an die österreichischen Rechtsvorschriften halten zu wollen.

Am 20. September 1998 habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit fünf Mittätern Räder zweier PKW stehlen wollen. Dafür sei er vom Bezirksgericht Baden im September 1999 rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Noch während dieses Gerichtsverfahrens sei der Beschwerdeführer erneut einschlägig straffällig geworden. Im Juni und Juli 1999 sowie am 24. Dezember 1999 habe er im Rahmen von vier Tathandlungen Warengutscheine im Wert von insgesamt ATS 28.300,-- (d.s. EUR 2.056,64) gestohlen. Am 31. Dezember 1999 habe er Bargeld im Ausmaß von etwa ATS 148.000,-- (d.s. EUR 10.755,58) erbeutet, indem er zwei Tresore eines Unternehmens mit widerrechtlich erlangtem Schlüssel geöffnet habe. Einen Tresor habe er vorsätzlich beschädigt, um den durch Nachsperre verübten Diebstahl zu tarnen. Bereits zuvor habe er auch diesem Unternehmen zwei Generalschlüssel und zwei Geldkassetten entzogen, indem er sich derer entledigt habe. Für diese Taten sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. März 2000 nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Abs. 2 und § 125 sowie § 135 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden.

Am 5. Mai 2000 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Auf Grund dieser familiären Bindung im Bundesgebiet sei damals von der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abgesehen worden. Der Beschwerdeführer sei allerdings am 15. Mai 2000 neuerlich "eindringlich verwarnt" und ihm im Falle neuerlichen schwerwiegenden Fehlverhaltens eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in Aussicht gestellt worden.

Dies habe jedoch den Beschwerdeführer nicht davon abhalten können, neuerlich straffällig zu werden. Mit Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 4. August 2004 sei er nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Schon kurz darauf habe ihn das Landesgericht für Strafsachen Wien am 14. September 2004 nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und 129 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt. Diesem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 28. Juni 2004 die Ladebordwände dreier LKW aufgebrochen und sieben Transportrodeln im Wert von etwa EUR 2.800,-- (d.s. EUR 203,48) gestohlen habe.

Es trete aber auch noch hinzu, dass der Beschwerdeführer wiederholt wegen schwerwiegender Übertretungen des Führerscheingesetzes mit Geldstrafen in erheblichem Ausmaß bestraft worden sei.

Es könne zunächst - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - kein Zweifel bestehen, dass der im § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Da der Beschwerdeführer mittlerweile viermal rechtskräftig verurteilt worden sei und sich weder durch seine familiären Bindungen noch durch eindringliche Verwarnungen der Fremdenpolizeibehörde davon habe abhalten lassen, neuerlich einschlägig straffällig zu werden, sei davon auszugehen, dass sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zudem auch als gegenwärtig, tatsächlich und erheblich darstelle, die auch ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Es seien sohin auch die hier zu prüfenden Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grunde des § 87 Abs. 1 (gemeint: § 86 Abs. 1) FPG gegeben. Der Beschwerdeführer habe durch sein geradezu regelmäßiges Fehlverhalten in der Vergangenheit seine offenbare geringe Rechtsverbundenheit ausdrücklich dokumentiert. Es sei daher auch der seit der letzten Verurteilung verstrichene Zeitraum nicht hinreichend, um begründet vom künftigen Wohlverhalten des Beschwerdeführers ausgehen zu können.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und für zwei Kinder, die ebenfalls österreichische Staatsbürger seien, sorgepflichtig. Es bestünden auch familiäre Bindungen zu seinen Eltern und zu seiner Schwester, die allesamt zum Aufenthalt in Österreich berechtigt seien. Es sei daher davon auszugehen, dass mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein erheblicher Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz des Eigentums und Vermögens Dritter, dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe "eindrücklich" unter Beweis gestellt, dass er nicht willens oder imstande sei, in Österreich für ihn maßgebliche Rechtsvorschriften einzuhalten. Trotz wiederholter behördlicher Hinweise auf die zu erwartenden (fremdenpolizeilichen) Folgen sei er nicht davon abzuhalten gewesen, immer wieder erneut strafbar zu werden. Anders als der Beschwerdeführer in der Berufung meine, könnten seine Straftaten auch nicht bagatellisiert werden. Die aus der Dauer des bisherigen Aufenthalts im Inland ableitbare Integration des Beschwerdeführers, auf die Bedacht zu nehmen sei, erweise sich in ihrer sozialen Komponente durch sein vielfaches strafbares Verhalten ganz erheblich und entscheidend an Gewicht gemindert. Die in Österreich bestehenden familiären Bindungen vermochten ihn schon bisher nicht von seinen Straftaten abzuhalten. Die Bindungen zu seinen Eltern und zu seiner Schwester seien darüber hinaus insofern zu relativieren, als alle bereits volljährig seien und der Beschwerdeführer mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Es sei bei der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, durchgehend beschäftigt gewesen sei. Insgesamt seien die ihm zuzuschreibenden Interessen an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gewichtig. Sie seien aber keinesfalls derart ausgeprägt, sodass sie das hoch zu veranschlagende maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen überwogen hätten. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessenlagen sei davon auszugehen, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als das in seinem Verhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes und Fernbleiben von diesem. Allfällige Kontakte mit seinen Familienangehörigen könnte der Beschwerdeführer hinkünftig auch vom Ausland aus pflegen. Diese Einschränkung habe er im öffentlichen Interesse zu tragen.

Anders als der Beschwerdeführer meine, sei auch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 61 (Z 3) FPG nicht unzulässig. Vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes, nämlich dem der erstgenannten Verurteilung zugrunde liegenden Fehlverhalten, sei der Beschwerdeführer noch keine zehn Jahre im Bundesgebiet wohnhaft bzw. rechtmäßig niedergelassen gewesen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Zufolge § 87 FPG ist daher gegen ihn jedenfalls die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - wovon auch die belangte Behörde ausging - nur unter den Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG zulässig.

Nach dieser Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (nur) dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Mit Blick auf diese Bestimmung bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe in verfehlter Weise das Bestehen einer solchen Gefährdung bejaht. Es sei zwar richtig, dass er bereits viermal strafrechtlich relevant in Erscheinung getreten sei, jedoch habe er niemals eine Haftstrafe antreten müssen. Dadurch werde offenkundig, dass die Strafgerichte seine Delikte nicht als gravierende Straftaten eingestuft hätten. Zwar habe die belangte Behörde ihre Prognose eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu treffen, jedoch sei auf Grund des langjährig zurückliegenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers keinesfalls erkennbar, dass eine evidente Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gegeben sei. Auch habe sich der Beschwerdeführer keiner Gewalt- oder Suchtgiftdelikte schuldig gemacht.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass - wie der Beschwerdeführer selbst erkannt hat - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die Fremdenpolizeibehörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts zu treffen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2011, Zl. 2009/18/0445, mwN).

Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Beurteilung auf die vom Beschwerdeführer begangenen Taten abgestellt und darauf hingewiesen, dass er - von ihm unbestritten - seitens der Fremdenpolizeibehörde mehrfach aufgefordert wurde, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften zu halten, widrigenfalls gegen ihn aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen würden. Dennoch hat der Beschwerdeführer sein strafbares Verhalten fortgesetzt und dieses in seiner Intensität noch gesteigert. Mit Blick auf die von der belangten Behörde festgestellten Tathandlungen und angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer immer wieder einschlägig straffällig wurde, begegnet es keinem Einwand, wenn die belangte Behörde das Vorliegen der in § 86 Abs. 1 FPG ausgedrückten Gefährdung bejaht hat. Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er sich nunmehr seit dreieinhalb Jahren wohlverhalten hätte, ist der belangten Behörde im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer früher gesetzte Verhalten und die wiederkehrenden Taten beizupflichten, wenn sie davon ausgeht, dass dieser Zeitraum des Wohlverhaltens als noch nicht ausreichend angesehen werden kann, um von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der vom Beschwerdeführer herrührenden Gefährdung ausgehen zu können, und sohin nach wie vor auch das Bestehen der Gegenwärtigkeit im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr zu bejahen war. Dass der Beschwerdeführer keine "Gewalt- oder Suchtgiftdelikte" gesetzt hat, vermag im vorliegenden Fall die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG nicht zu widerlegen.

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid aber auch hinsichtlich der von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommenen Beurteilung.

Insoweit führt er die Dauer seines bisherigen Aufenthalts sowie die familiären Bindungen zu seiner Ehefrau und seinen Kindern ins Treffen. Weiters macht er geltend, er kümmere sich um seine schwerkranke, ebenfalls in Österreich lebende Mutter, und er sei "als Familienalleinerhalter" unentbehrlich. Auch sei es seiner Ehefrau und seinen Kindern nicht zumutbar, das gemeinsame Familienleben in Serbien aufrechtzuerhalten, zumal diese zu diesem Land keinen Bezug hätten, sondern zur Gänze in Österreich verwurzelt seien.

Die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich sowie seine familiären Bindungen im Bundesgebiet hat die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung ausreichend berücksichtigt. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, es bedürfe seiner Anwesenheit, um seine schwerkranke Mutter versorgen zu können, ist darauf hinzuweisen, dass er eine derartige Behauptung im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt hat, sodass sich dieses Vorbringen als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung erweist (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Die belangte Behörde ist in ihrem Bescheid aber auch davon ausgegangen, dass die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und den Kindern ein erhebliches Interesse des Beschwerdeführers an seinem Verbleib im Bundesgebiet begründeten. Angesichts der vom Beschwerdeführer gesetzten strafbaren Handlungen und unter Berücksichtigung dessen, dass er ab 1998 immer wieder, zum Teil trotz ausdrücklicher behördlicher Aufforderungen, sich an die Rechtsordnung zu halten, in einschlägiger Weise straffällig geworden ist, begegnet es aber keinem Einwand, wenn die belangte Behörde letztlich davon ausgeht, das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiege die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, und er und seine Angehörigen hätten die Trennung voneinander und die daraus resultierenden Folgen im öffentlichen Interesse, welches im Blick auf die Hintanhaltung weiterer Straftaten durch den Beschwerdeführer als hoch einzustufen ist, in Kauf zu nehmen. Ebenso hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse allfällige mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland verbundene Schwierigkeiten hinzunehmen.

Vor diesem Hintergrund vermag der Beschwerdeführer aber auch einen für den Ausgang des Verfahrens relevanten Verfahrensmangel durch das Unterbleiben der Vernehmung seiner Ehefrau und seiner Mutter nicht aufzuzeigen.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 16. Juni 2011

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