VwGH 2008/18/0189

VwGH2008/18/018915.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des DT, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Februar 2008, Zl. E1/52079/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

12010E020 AEUV Art20;
12010E021 AEUV Art21;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
12010E020 AEUV Art20;
12010E021 AEUV Art21;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, eine auf § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestützte Ausweisung.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 13. Mai 2002 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt, der in erster Instanz abgewiesen worden sei. Die dagegen erhobene Berufung habe der Beschwerdeführer zurückgezogen, sodass der den Asylantrag abweisende Bescheid des Bundesasylamtes am 10. November 2005 in Rechtskraft erwachsen sei. Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer zugestanden, ausschließlich deshalb seine Heimat verlassen zu haben und nach Österreich gekommen zu sein, um hier zu arbeiten.

Da er offenbar keine andere Perspektive gesehen habe, ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erlangen, habe der Beschwerdeführer zunächst versucht, von einer österreichischen Staatsbürgerin adoptiert zu werden. Alleiniger Zweck der beabsichtigten Adoption sei - den Angaben der Österreicherin zufolge - gewesen, eine Aufenthaltsberechtigung und den Zugang zum Arbeitsmarkt für den Beschwerdeführer zu erlangen. Es sei allerdings nie zur gerichtlichen Genehmigung der Adoption gekommen. Der Antrag des in Aussicht genommenen Arbeitgebers des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung sei vom Arbeitsmarktservice V mit Bescheid vom 6. Oktober 2003 abgewiesen worden.

Am 10. August 2005 habe der Beschwerdeführer in W die österreichische Staatsbürgerin C geheiratet. Am 7. November 2005 habe er gestützt auf die Eheschließung (nach den Bestimmungen des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997) die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt. Diesem Antrag sei aber keine Folge gegeben worden.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 11. November 2005 unrechtmäßig in Österreich auf. Jedenfalls seit 2007 bestehe zwischen ihm und seiner Ehefrau kein gemeinsames Familienleben.

In Österreich lebten ein Bruder und ein Onkel des Beschwerdeführers, die beide österreichische Staatsbürger seien. Der Beschwerdeführer lebe aber mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt. Betreffend seine Ehe mit C lägen zwar Verdachtsmomente in Richtung des Eingehens einer Aufenthaltsehe vor, die gegenständliche Entscheidung werde aber nicht auf das Vorliegen "des Tatbestands 'Scheinehe/Aufenthaltsehe'" gestützt.

Angesichts des fast sechs Jahre währenden Aufenthalts des Beschwerdeführers sowie seiner familiären und beruflichen Bindungen im Bundesgebiet müsse von einem mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme einhergehenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben ausgegangen werden. Da sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers drei Jahre lang nur auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen gegründet habe und der weitere Aufenthalt als unrechtmäßig anzusehen sei, sei das Gewicht seiner persönlichen Interessen als gemindert einzustufen. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung dieses - hoch zu veranschlagenden - maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei unter Berücksichtigung aller im vorliegenden Fall gegebenen Umstände von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfügen.

Ferner bestreitet der Beschwerdeführer jene behördlichen Feststellungen nicht, wonach er (jedenfalls) seit dem Jahr 2007 mit seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehefrau kein gemeinsames Familienleben führt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 15. November 2011, C-256/11 , Rs. Dereci ua., ausgesprochen, dass das Unionsrecht und insbesondere dessen Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehren, einem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet zu verweigern, wenn dieser Drittstaatsangehörige dort zusammen mit einem Familienangehörigen, der Unionsbürger ist und der sich in diesem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufhält und nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, wohnen möchte, sofern eine solche Weigerung nicht dazu führt, dass dem betreffenden Unionsbürger der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird. Vor dem Hintergrund der behördlichen Feststellungen zum Fehlen eines gemeinsamen Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau kann aber weder davon ausgegangen werden, der weitere Aufenthaltszweck des Beschwerdeführers bestehe darin, mit seiner Ehefrau in Österreich zusammenzuwohnen, noch es wäre - falls dem Beschwerdeführer der Aufenthalt in Österreich verweigert würde - der Ehefrau des Beschwerdeführers der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt. Somit kann sich der Beschwerdeführer nicht darauf berufen, dass es das Unionsrecht in seinem Fall geboten hätte, ihm den Aufenthalt im Bundesgebiet gewähren zu müssen.

Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid allerdings ohnedies ausschließlich aus dem Blickwinkel des § 66 FPG (in der hier maßgeblichen Stammfassung). Dabei werden in der Beschwerde aber keine Gründe ins Treffen geführt, die die belangte Behörde bei ihrer Interessenabwägung nicht schon ausreichend berücksichtigt hätte.

Der Beschwerdeführer vermag keine Umstände aufzuzeigen, die im Rahmen der gebotenen Abwägung zu dem Ergebnis hätten führen müssen, seine Ausweisung aus Österreich wäre unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unzulässig. Die von ihm geltend gemachten Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer von etwa sechs Jahren nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Bei der Bewertung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet durfte die belangte Behörde aber auch berücksichtigen, dass sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu einem großen Teil auf eine nach asylrechtlichen Bestimmungen zuerkannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung gegründet hat, wobei sich der Asylantrag - der Beschwerdeführer hat selbst zugestanden, allein deswegen nach Österreich gekommen zu sein, weil er hier habe arbeiten wollen - als unberechtigt herausgestellt hat. Sohin durfte er von Beginn an nicht damit rechnen, dauernd in Österreich bleiben zu können. Das Gewicht der vom Beschwerdeführer erlangten Integration wurde sohin zutreffend von der belangten Behörde als gemindert angesehen.

Ebenso zutreffend hat aber auch schon die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die trotz des negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens in Österreich unrechtmäßig verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2008/21/0509). Es ist sohin nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher bewertete als das gegenläufige der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet. Eine die Unzulässigkeit der Ausweisung bewirkendes, direkt aus Art. 8 EMRK abzuleitendes Aufenthaltsrecht musste dem Beschwerdeführer nicht zugestanden werden, woran letztlich auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei unrichtigerweise davon ausgegangen, er könne in keinem Fall seinen Aufenthalt im Inland legalisieren, nichts zu ändern vermag.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 15. Dezember 2011

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