VwGH 2008/08/0176

VwGH2008/08/017627.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der T GmbH in A, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner und Mag. Sylvia Schrattenecker, Rechtsanwälte in 4490 St. Florian, Marktplatz 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 11. Juli 2008, Zl. BMSK- 328227/0001-II/A/3/2008, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77,

2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67, 4. K K in B), zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte mit Bescheid vom 26. November 2004 fest, die Pflichtversicherung des Viertmitbeteiligten bestehe aufgrund des Dienstverhältnisses bei der beschwerdeführenden Partei nicht wie gemeldet vom 3. Juni 2002 bis 21. Dezember 2003 und ab 9. Februar 2004 bis 16. April 2004, sondern vom 3. Juni 2002 bis 1. Februar 2004 und vom 9. Februar 2004 bis 16. April 2004.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich wies mit Bescheid vom 23. August 2007 den dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Einspruch als unbegründet ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den Einspruchsbescheid von der beschwerdeführenden Partei erhobene Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Viertmitbeteiligte mit 3. Juni 2002 als vollbeschäftigter Dienstnehmer bei der beschwerdeführenden Partei angemeldet worden sei. Am 24. November 2003 habe ein Krankenstand des Viertmitbeteiligten begonnen, er sei vom 24. November 2003 bis zum 6. Dezember 2003 im Krankenhaus stationär behandelt worden. Am 28. November 2003 sei der Viertmitbeteiligte von der Sozialversicherung abgemeldet worden, als Grund sei eine "einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses" vermerkt worden. Der Abmeldung von der Pflichtversicherung sei ein Gespräch des Viertmitbeteiligten mit einem Vertreter der beschwerdeführenden Partei am 28. November 2003 vorangegangen, in welchem die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses per 28. November 2003 beschlossen worden sei. Die Arbeitsunfähigkeit des Viertmitbeteiligten infolge Krankheit habe vom 24. November 2003 bis 8. Februar 2004 gedauert. Mit 9. Februar 2004 sei der Viertmitbeteiligte wieder als Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei zur Sozialversicherung angemeldet worden. Das Dienstverhältnis sei auf Initiative der Dienstgeberin auf Grund der Erkrankung des Dienstnehmers beendet worden.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der beschwerdeführenden Partei sei zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses die Erkrankung (oder der bevorstehende Krankenstand) des Viertmitbeteiligten bekannt gewesen. Die Situation des Dienstnehmers zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung sei vor dem Hintergrund der "Drucktheorie" zu sehen. Die belangte Behörde gelange zur Auffassung, dass der Viertmitbeteiligte in die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses eingewilligt habe, um sich die Option der Wiedereinstellung zu erhalten und damit Nachteile finanzieller Art zu vermeiden. Die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses sei alleine in der Absicht erfolgt, die kollektivvertraglichen Bestimmungen, vor allem die Anwendung des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu umgehen; es liege daher ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vor, zumal die Wiederbeschäftigung des Dienstnehmers unmittelbar nach seinem Krankenstand erfolgt sei. Der Viertmitbeteiligte habe deshalb für die Dauer des Krankenstandes einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. Die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses in Kenntnis des (bevorstehenden) Krankenstandes mit 28. November 2003 sei als unwirksam anzusehen, weshalb der Viertmitbeteiligte auf Grund seiner Beschäftigung bei der beschwerdeführenden Partei auch im Zeitraum vom 21. Dezember 2003 bis 1. Februar 2004 der Versicherungspflicht unterlegen sei. Es liege hier ein anderer Sachverhalt vor als jener, der dem hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2008, Zl. 2006/08/0325, zu Grunde gelegen sei. Der Viertmitbeteiligte sei unmittelbar nach seinem Krankenstand von der beschwerdeführenden Partei wieder beschäftigt und zur Sozialversicherung angemeldet worden.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die erstmitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die drittmitbeteiligte Versicherungsanstalt hat erklärt, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde geht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung davon aus, die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses sei alleine in der Absicht erfolgt, die Anwendung des EFZG zu umgehen, es liege daher ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts vor, zumal die Wiederbeschäftigung des Dienstnehmers unmittelbar nach seinem Krankenstand erfolgt sei.

Ein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 539a ASVG liegt dann vor, wenn die Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse anders als mit der Absicht der Umgehung gesetzlicher Verpflichtungen nicht erklärt werden kann. An die Stelle der nach der genannten Gesetzesstelle unbeachtlichen Rechtskonstruktion tritt gemäß § 539a Abs. 3 ASVG jene, die den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessen wäre. Scheingeschäfte bleiben nach Abs. 4 der erwähnten Bestimmung ohne Bedeutung.

Die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses stellt zwar grundsätzlich keinen Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts dar; es handelt sich dabei um eine von mehreren rechtlichen Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis zu beenden. Insbesondere kann nicht gesagt werden, dass es geradezu missbräuchlich wäre oder dass es wirtschaftlich ganz ungewöhnlich wäre, die Absicht zur Auflösung eines Dienstverhältnisses nicht durch Kündigung zu verwirklichen, sondern durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine Auflösungsvereinbarung kann angesichts der differenzierenden Regelung des § 5 EFZG auch "bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise" nicht einer Arbeitgeberkündigung gleichgehalten werden. Ein "Umgehungsgeschäft" könnte die Vereinbarung nur dann sein, wenn der Bestand des Arbeitsverhältnisses schlechthin Schutzobjekt der §§ 5 und 6 EFZG wäre. § 6 EFZG schützt zwar - unter gewissen Voraussetzungen - die Entgeltfortzahlungspflicht, nicht aber den Bestand des Arbeitsverhältnisses; § 5 EFZG ist wiederum nicht auf einvernehmliche Auflösungen anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2008, Zl. 2006/08/0325).

Entscheidend dafür, ob eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses wirksam zustande gekommen ist, ist aber, ob die Parteien überhaupt die Absicht hatten, das Beschäftigungsverhältnis dauernd zu beenden, ob also ein Beendigungswille bestand (und erklärt wurde; vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 2010, Zl. 2007/08/0327). Im hier vorliegenden Fall wurde der Dienstnehmer jedoch nach Ende der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit umgehend wieder als Dienstnehmer zur Sozialversicherung angemeldet.

Für das Vorliegen einer einvernehmlichen Auflösung im Krankenstand, insbesondere dafür, dass der Dienstnehmer diese Auflösung aus freien Stücken wirklich wollte, ist grundsätzlich der Dienstgeber beweispflichtig. Dies fällt besonders dann ins Gewicht, wenn die Initiative zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses nicht vom Dienstnehmer ausgegangen ist und wenn ein Dienstgeber - wie hier aus seinem eigenen Vorbringen im Verwaltungsverfahren ersichtlich - es systematisch unternimmt, mit Dienstnehmern, die sich in voraussichtlich etwas längeren Krankenständen befinden, schon nach wenigen Tagen durch einen "Kundenberater" Kontakt aufzunehmen mit dem Ziel, eine einvernehmliche Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses zu erreichen und dem Dienstnehmer dann ein - vom Dienstgeber formuliertes - "Bestätigungsschreiben" über die einvernehmliche Auflösung des Dienstvertrages zuzusenden oder - falls der Dienstnehmer damit nicht einverstanden ist - mit Kündigung vorzugehen. Die Absicht der Parteien, das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich dauerhaft zu beenden, wird überdies regelmäßig durch eine Wiedereinstellungszusage oder durch eine faktische Wiedereinstellung nach dem Ende des Krankenstandes widerlegt.

Ausschließlich dann, wenn die Auflösung des Dienstverhältnisses wirklich beabsichtigt ist, was auch anhand der tatsächlichen Gegebenheiten (§ 539a Abs. 3 ASVG) zu untersuchen ist, liegt ein zulässiger Zweck einer solchen Vereinbarung vor, der - ungeachtet dessen, dass auch damit ein Entfall der Entgeltfortzahlungspflicht verbunden ist - die Vereinbarung auch nach § 539a ASVG als beachtlich erscheinen lässt. Entfällt dieser Zweck, wie das tatsächliche Verhalten der Parteien im vorliegenden Fall einer Wiedereinstellung des Dienstnehmers nach Beendigung des Krankenstandes zeigt, dann bleibt - mangels konkreten (und im Beweisverfahren bestätigten) Vorbringens der beschwerdeführenden Partei zu einem zulässigen anderen Zweck der Vereinbarung - nur die Umgehungsabsicht der Entgeltfortzahlungspflicht als denkbares Motiv übrig. Eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene rechtliche Gestaltung (§ 539a Abs. 3 ASVG) wäre in diesem Fall die Unterlassung der einvernehmlichen Auflösung. Die Pflichtversicherung wurde daher zu Recht für die gesamte Dauer des Anspruches auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall festgestellt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. April 2011

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