VwGH 2007/18/0272

VwGH2007/18/027210.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SB in M, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. März 2007, Zl. St 113/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
StGB §73;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
StGB §73;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführer ein auf § 86 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde - teilweise unter Hinweis auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid - aus, der Beschwerdeführer sei am 14. Jänner 2005 unrechtmäßig unter Zuhilfenahme eines Schleppers in Österreich eingereist. Seinem in der Folge gestellten Asylantrag sei vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 15. Februar 2005 keine Folge gegeben worden. Unter einem habe ihn das Bundesasylamt ausgewiesen. Die dagegen eingebrachte Berufung habe der Beschwerdeführer am 9. September 2005 zurückgezogen, woraufhin der erstinstanzliche Bescheid des Bundesasylamtes in Rechtskraft erwachsen sei.

Am 30. Juli 2005 habe der Beschwerdeführer in Österreich die österreichische Staatsbürgerin M geheiratet. Im Anschluss habe er gestützt darauf am 10. August 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Im Zuge von daraufhin geführten Erhebungen sei bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer im Schengener Informationssystem mit einem "Einreise- und Aufenthaltsverbot von D im Schengener Gebiet" aufscheine. Über Anfrage habe SIRENE D mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 16. November 1995 in D eingereist sei und dort einen Asylantrag gestellt habe, der mit 27. Mai 1997 abgelehnt worden sei. Am 17. Juli 2001 sei der Beschwerdeführer in Unterschleißheim in seiner Wohnung bei der Übernahme von 150 g Heroin und 20 g Kokain betreten und festgenommen worden. Bei der anschließenden Hausdurchsuchung seien noch weitere 200 g Heroin und Kokain, 5 kg Streckmittel, Bargeld in der Höhe von DM 51.300,-- (d.s. EUR 26.229,27) sowie eine Maschinenpistole der Marke Scorpio gefunden worden. Infolgedessen sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landgerichts M I vom 24. April 2002 rechtskräftig wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen nach dem deutschen Strafgesetzbuch und dem deutschen Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Des Weiteren sei der Beschwerdeführer vom Amtsgericht München rechtskräftig wegen falscher uneidlicher Aussage nach dem deutschen Strafgesetzbuch zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt worden.

Daraufhin sei in D von der zuständigen Behörde M am 18. Juni 2002 gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Am 2. April 2003 sei der Beschwerdeführer in sein Heimatland abgeschoben worden.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Es sei sohin der in § 87 (gemeint: § 86 Abs. 1) FPG enthaltene Gefährdungsmaßstab maßgeblich. Im vorliegenden Fall sei relevant, dass der Beschwerdeführer von einem ausländischen Gericht zu einer "Gesamtfreiheitsstrafe" von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Die Voraussetzungen des § 73 StGB seien zu bejahen. Das Landgericht M I habe ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer als Rauschgifthändler "im mittleren bis oberen Mengenbereich" betätigt und einem näher genannten Dritten ein Heroin- bzw. Kokaingemisch veräußert und übergeben habe. Der Beschwerdeführer habe auch selbst zunächst Haschisch konsumiert, später ab und zu Kokain und Heroin geschnupft und "auf Folie" geraucht, was er etwa ein- bis zweimal wöchentlich getan habe. Hinsichtlich des Begehens von Suchtgiftdelikten, insbesondere des Suchtgifthandels, sei zu bedenken, dass ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte dringend geboten sei, weil der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften "zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen" führe. Die Wiederholungsgefahr sei gerade bei Suchtgiftdelikten besonders groß. Dabei dürfe auch nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum hinweg selbst Suchtgift konsumiert habe.

Bezugnehmend auf die Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, angesichts der Aufenthalte in Deutschland und in Österreich und des Umstandes, dass er einer Beschäftigung nachgegangen sowie mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei, sei ihm eine Integration zuzugestehen. Die gegenständliche Maßnahme greife in sein Privat- und Familienleben ein. Seine Integration sei jedoch in ihrer sozialen Komponente beeinträchtigt, weil der Beschwerdeführer als Rauschgifthändler tätig gewesen sei, wobei er sich "im mittleren bis oberen Mengenbereich" betätigt habe. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit des Suchtgifthandels sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration eines Fremden dringend geboten. Das maßgebliche öffentliche Interesse wiege in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer als das gegenläufige private Interesse eines Fremden. Es sei sohin die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Lichte des § 66 FPG zulässig. Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer einer Arbeit nachgehe, sich seit einigen Jahren wohlverhalten habe und mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein Familienleben führe.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, seine in D erfolgte Verurteilung rechtfertige nicht die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der ihm zur Last gelegte Sachverhalt liege bereits mehr als fünfeinhalb Jahre zurück. Auch sei er in D nach zwei Drittel der Haft bedingt entlassen worden.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Zutreffend ging die belangte Behörde davon aus, dass auf Grund § 87 FPG im vorliegenden Fall, in dem der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die das ihr gemeinschaftsrechtlich (nunmehr: unionsrechtlich) zustehende Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, verheiratet ist, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes am Maßstab des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG zu prüfen ist.

Dabei verwies die belangte Behörde auf das festgestellte, der Verurteilung in Deutschland zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Dass diese Verurteilung nicht den Kriterien des § 73 StGB entsprochen hätte, ist weder erkennbar noch wurde dies vom Beschwerdeführer behauptet.

Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, der "angelastete Sachverhalt" liege bereits mehr als fünfeinhalb Jahre zurück, so ist dem entgegenzuhalten, dass bei der Prüfung eines allfälligen Gesinnungswandels auf das in Freiheit gezeigte Wohlverhalten abzustellen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2007/18/0121). In Anbetracht der seit der Haftentlassung des Beschwerdeführers vergangenen Zeit begegnet es aber vor dem Hintergrund des von ihm an den Tag gelegten Verhaltens, das darauf ausgerichtet war, Heroin und Kokain in erheblicher Menge in Verkehr zu setzen, keinem Einwand, wenn die belangte Behörde die Zeit des bisherigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers als noch zu gering eingestuft hat, um davon ausgehen zu können, die von ihm ausgehende Gefährdung sei bereits weggefallen oder maßgeblich gemindert.

Dass der Beschwerdeführer nach Verbüßung von zwei Drittel seiner Strafhaft bedingt entlassen wurde, vermag daran nichts zu ändern, weil die hier gegenständliche Gefährdungsprognose unabhängig von den Erwägungen zu einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug allein aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts vorzunehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2010, Zl. 2007/21/0200, mwN).

Im Anbetracht des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, das zur Folge hatte, dass Suchtgift in großem Ausmaß in Verkehr gesetzt wurde, ist es sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die in § 86 Abs. 1 FPG ausgedrückte Gefährdung bejaht hat.

Des Weiteren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Er verweist in diesem Zusammenhang auf seine "aufrechte und auch tatsächlich vollzogene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin" und darauf, dass er seit längerer Zeit einer rechtmäßigen Beschäftigung nachgehe. Diese Umstände hat die belangte Behörde bei der Interessenabwägung aber ausreichend berücksichtigt. Im Hinblick auf das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers hat er aber die Trennung von seiner Ehefrau im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die Dauer der Befristung des Aufenthaltsverbotes. Wenn er der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vorwirft, die Feststellungen, er hätte sich als Suchtgifthändler "im mittleren bis oberen Mengenbereich" betätigt, seien unrichtig, legt er in der Beschwerde aber nicht dar, weshalb diese Feststellungen, die den Ausführungen der belangten Behörde zufolge auf den Inhalt des Urteils des Landgerichts M I zurückzuführen seien, nicht zutreffend sein sollten. Vor diesem Hintergrund vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, welche Gründe die belangte Behörde hätten dazu veranlassen müssen, davon auszugehen, die von ihm herrührende Gefährdung werde bereits zu einem früheren Zeitpunkt als weggefallen anzusehen sein.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer noch vor, der belangten Behörde seien Verfahrensfehler unterlaufen. Sie hätte einerseits Parteiengehör nicht eingeräumt und andererseits den maßgeblichen Sachverhalt nur unzureichend ermittelt. Der Beschwerdeführer stellt aber nicht dar, welche für ihn günstigen Feststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung der Verfahrensfehler hätte treffen und weshalb diese zu einem anderen Bescheid hätten führen können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel wird sohin nicht dargetan.

Da es zusammengefasst der Beschwerde somit nicht gelingt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 10. Mai 2011

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