VwGH 2007/15/0262

VwGH2007/15/026227.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Mag. B, vertreten durch Mag. Elfriede Sixt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 2102 Bisamberg, Eichenstraße 28, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 7. September 2007, Zl. RV/1130-W/06, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für 1999, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender der börsennotierten Y AG, wurde mit Bescheid vom 13. Juni 2001 zur Einkommensteuer für das Jahr 1999 veranlagt.

Mit Schreiben vom 3. November 2003 beantragte er das Einkommensteuerverfahren 1999 wiederaufzunehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Zusammenhang mit dem im Streitjahr 1999 umgesetzten Aktienoptionsprogramm für leitende Mitarbeiter und Partner der Y AG, bei dem er Aktien erworben und als Stillhalter zur Verfügung gestellt habe, Gewinne erklärt. Im Zuge einer durch die Wirtschaftsprüfungskanzlei der

Y AG durchgeführten Überprüfung der Transaktionen sei "in der

33. Woche 2003 (11. - 18.8.2003)" ersichtlich geworden, dass bestimmte zu sonstigen Einkünften führende Gewinne bei der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 "unrichtig eingeschätzt" worden seien. Dadurch sei es zu einer um EUR 170.522,23 zu hohen Einkommensteuerberechnung gekommen.

In einem Vorhalt forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer u. a. auf, anzugeben, "was genau ersichtlich wurde, aufgrund welchem Ereignis (Schriftverkehr) die unrichtige Einschätzung ersichtlich wurde, samt genauer Datierung und Vorlage der entsprechenden Belege".

In Beantwortung des Schreibens erklärte der Beschwerdeführer:

"Es wurde ersichtlich, dass auf dem Depot (des Beschwerdeführers) die gesamte Kapitalerhöhung von 33.450 Stück Aktien der (Y AG) um ATS 100,-- je Stück dem Depot (des Beschwerdeführers) zuerst gut gebucht (Zugang 28.5.1999) und davon 10.000 Stück am 31.05.1999 wieder abgebucht wurden. Diesem (Depot-)Übertragungsvorgang von 10.000 Stück wurde bei der Erstellung der Steuererklärungen 1999 aufgrund sich nachträglich als falsch herausgestellter Information ein Verkauf zugrunde gelegt …, bei dem der Verkäufer Herr (Beschwerdeführer) war und der Transaktionsgewinn damit Herrn (Beschwerdeführer) zugerechnet wurde."

Schriftliche Unterlagen seien nicht vorhanden, weil "alles mündlich organisiert und abgewickelt" worden sei.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 21. Februar 2006 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die behauptete Treuhandschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien dem Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung bekannt gewesen sei. Auch fehle es an der für eine Wiederaufnahme des Verfahrens weiteren Voraussetzung eines anders lautenden Bescheides.

In der gegen den Abweisungsbescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Wiederaufnahmsantrag nicht auf vermuteten "Treuhandschaften", sondern "auf einer Aktientransaktion mit einer britischen Investmentbank" beruhe. Erst durch die Aufarbeitung des Mitarbeiterprogramms bzw. einer Überprüfung der Vermögenslage des Beschwerdeführers durch eine internationale Steuerberatungskanzlei im Jahr 2003 sei die "tatsächliche Faktenlage" hervorgekommen. Die nähere Durchleuchtung der Aktientransaktionen habe "vor dem Hintergrund zusätzlicher Informationen seitens der Investmentbank bzw. seitens der (Y AG) … eine Neuqualifizierung der Aktientransaktion" erbracht. Weder dem Beschwerdeführer noch dessem damaligen Steuerberater sei "ohne die Informationen und Daten der Investmentbank" eine korrekte Erfassung und Darstellung der durchaus komplexen und international ausgerichteten Praktiken der Investmentbanken zumutbar gewesen.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer auf, Angaben zum fehlenden groben Verschulden an der Nichtgeltendmachung der Umstände, auf die sich der Wiederaufnahmeantrag stütze, nachzuholen. Weiters wurde der Beschwerdeführer ersucht mitzuteilen, welche Unterlagen konkret gefehlt hätten und wann diese Unterlagen bekannt geworden seien, sowie Kopien dieser Unterlagen vorzulegen. Zu seinem Vorbringen, Informationen hätten sich nachträglich als falsch herausgestellt, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert bekannt zu geben, welche konkreten Informationen sich nachträglich als falsch herausgestellt hätten, wer diese Informationen erteilt habe, sowie einen diesbezüglichen Nachweis vorzulegen. Weiters sei an Hand entsprechender Belege und Nachweise zu erläutern, welche konkreten Informationen der Wirtschaftsprüfungskanzlei seitens der Investmentbank, wann zur Verfügung gestellt worden seien.

Der Beschwerdeführer erläuterte in seinem Antwortschreiben erneut das im Jahr 1999 durchgeführte Mitarbeiterbeteiligungsprogramm und seine Funktion als "Stillhalter". Die korrekte Berücksichtigung dieses Beteiligungsmodells in den Büchern der Y AG bzw. des Beschwerdeführers habe durch den Finanzvorstand der Y AG, Frau Dr. P, sichergestellt werden sollen. Die spätere Überprüfung durch die Wirtschaftsprüfungskanzlei habe jedoch hervorgebracht, dass die im Jahr 1999 erarbeitete Struktur des Beteiligungsmodells in keiner Weise Niederschlag in den Steuererklärungen des Beschwerdeführers gefunden habe. Dem Steuerberater des Beschwerdeführers seien nachweislich und aus nicht in der Einflusssphäre des Beschwerdeführers stehenden Gründen "wichtige Informationen zur richtigen rechtlich-steuerlichen Qualifizierung des Sachverhalts nicht oder nicht richtig übermittelt" worden, was letztlich zur Abgabe der falschen Steuererklärungen für das Jahr 1999 geführt habe. Die "Informationsbasis für eine korrekte steuerliche Darstellung" sei erst durch die Zusammenarbeit der Investmentbank und der Wirtschaftsprüfungskanzlei erarbeitet worden und Grundlage für den Wiederaufnahmeantrag gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und stützte sich hierbei nach allgemeinen rechtlichen Ausführungen im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

Der Beschwerdeführer gründe seinen Wiederaufnahmeantrag darauf, dass eine näher bezeichnete Transaktion über 10.000 Stück Aktien falsch, nämlich als dessen persönliche Transaktion, dargestellt worden sei, obwohl ihm weder Einnahmen zugeflossen noch die gegenständlichen Aktien in seine wirtschaftliche Verfügungsmacht übergegangen seien und nenne als Ursache fehlende Unterlagen sowie eine falsche sachliche Zuordnung.

Trotz entsprechender Vorhalte des Finanzamtes und der belangten Behörde habe es der Beschwerdeführer jedoch unterlassen darzulegen, welche Unterlagen konkret gefehlt hätten und nachträglich hervorgekommen seien sowie welche konkreten zusätzlichen Informationen die Investmentbank der Wirtschaftsprüfungskanzlei übermittelt habe. Hierzu seien ebenso wenig Nachweise erbracht worden wie zu der behaupteten mangelhaften Informationsübermittlung durch Fr. Dr. P. Damit sei der Beschwerdeführer seiner Beweispflicht hinsichtlich des Vorliegens eines Wiederaufnahmsgrundes insofern nicht nachgekommen, als er keinen Nachweis dafür erbracht habe, dass sich die Tatsachenlage gegenüber jener, die dem Einkommensteuerbescheid vom 13. Juni 2001 zu Grunde liege, geändert habe. Damit komme jedoch den Ausführungen, dass im Jahr 2003 die fehlerhafte rechtliche Beurteilung der gegenständlichen Aktientransaktion im Jahr 1999 ersichtlich geworden sei, keine Relevanz zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b leg.cit. Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0209, und vom 21. September 2009, 2008/16/0148 mit weiteren Nachweisen). Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2009, 2008/16/0148, und vom 21. November 2007, 2006/13/0107).

Auch hat das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0209).

Der Beschwerdeführer wurde im Verwaltungsverfahren sowohl von der Abgabenbehörde erster Instanz als auch von der belangten Behörde aufgefordert, jene Tatsache(n) oder Beweismittel konkret zu bezeichnen, welche im abgeschlossenen Verfahren zwar existent, jedoch ohne sein grobes Verschulden dem Finanzamt nicht bekannt gegeben und deshalb bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1999 unberücksichtigt geblieben sind. Indem sich der Beschwerdeführer mit der Behauptung "fehlender Unterlagen sowie einer falschen sachlichen Zuordnung" (Wiederaufnahmeantrag) und "nachträglich als falsch herausgestellter Informationen" (Vorbehaltsbeantwortungen) begnügte, hat er das Vorliegen tauglicher Wiederaufnahmsgründe nicht aufgezeigt, geschweige denn unter Beweis gestellt. Auch zur Verschuldensfrage hat der Beschwerdeführer - trotz eines entsprechenden Mängelbehebungsauftrages gemäß § 303a Abs. 2 leg.cit. - keine über die bloße Behauptungsebene hinausgehenden Nachweise erbracht.

Die in der Beschwerde bekundete jederzeitige Bereitschaft, mit der Angelegenheit befasste Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungskanzlei als Zeugen zu benennen, geht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - da der Verwaltungsgerichtshof keine Tatsacheninstanz ist - ins Leere und ist somit von vornherein nicht geeignet, die im Verwaltungsverfahren fehlende Beweisführung nachzuholen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. Jänner 2011

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