Normen
SchUG 1986 §49 Abs1 idF 2001/I/078;
VwGG §42 Abs2 Z1;
SchUG 1986 §49 Abs1 idF 2001/I/078;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. August 2006 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 49 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) vom Bundesoberstufenrealgymnasium P ausgeschlossen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, mit Beschluss vom 31. März 2006 habe die Schulkonferenz des Bundesoberstufenrealgymnasiums P an den Landesschulrat für Oberösterreich als Schulbehörde erster Instanz den Antrag auf Ausschluss des Beschwerdeführers gestellt. Der Antrag sei damit begründet worden, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen der Haupttäter bei den Vorkommnissen am Schikurs vom 19. bis 24. März 2006 in O gehandelt habe. Mit Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom 26. April 2006 sei der Beschwerdeführer vom Besuch des Bundesoberstufenrealgymnasiums P ausgeschlossen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, gemäß § 49 Abs. 1 SchUG sei ein Schüler, wenn er seine Pflichten in schwer wiegender Weise verletze und die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß § 47 oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung erfolglos blieben oder wenn sein Verhalten eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder von anderen an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, ihrer körperlichen Sicherheit und ihres Eigentums darstelle, von der Schule auszuschließen.
Somit lege die eben zitierte Gesetzesbestimmung zwei Ausschlusstatbestände fest:
a) Pflichtverletzung in schwer wiegender Weise und Erfolglosbleiben der Anwendung von Erziehungsmitteln oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung oder
b) dauernde Gefährdung von Mitschülern oder von anderen an der Schule tätigen Personen hinsichtlich eines der angeführten Rechtsgüter.
Nach Wiedergabe von Teilen der Verwaltungsakten führte die belangte Behörde aus, sie gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer ein Foto unter seinen Mitschülern verbreitet habe, auf dem "das Einführen der Zahnbürste eines Schulkollegen des Beschwerdeführers in den After des Beschwerdeführers dargestellt" worden sei.
"Das Mitwirken an der Anfertigung eines - wenn auch möglicherweise gestellten - Fotos, auf dem das Einführen der Zahnbürste eines Mitschülers in den After gezeigt werde, und das anschließende Verbreiten dieses Fotos unter Mitschülern" erfülle nach Ansicht der belangten Behörde den zweiten Tatbestand des § 49 Abs. 1 SchUG, weil "durch die damit verbundene Erniedrigung des betroffenen Mitschülers eine dauernde Gefährdung der Sittlichkeit des betroffenen Schülers sowie der Mitschüler, an die das Foto übermittelt" werde, bewirkt werde.
Der Beschwerdeführer sei daher vom weiteren Besuch des Bundesoberstufenrealgymnasiums P auszuschließen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 49 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986 idF BGBl. I Nr. 78/2001, lautet:
"Ausschluß eines Schülers
§ 49. (1) Wenn ein Schüler seine Pflichten (§ 43) in schwer wiegender Weise verletzt und die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß § 47 oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung erfolglos bleibt oder wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt, ist der Schüler von der Schule auszuschließen. An allgemein bildenden Pflichtschulen ist ein Ausschluss nur zulässig, wenn das Verhalten des Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt und die Erfüllung der Schulpflicht gesichert ist."
Die Beschwerde macht zunächst geltend, der zweite Tatbestand des § 49 Abs. 1 SchUG trage nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der belangten Behörde auf, eine Prognoseentscheidung zu treffen. Dabei habe die Behörde die Frage zu lösen, ob in Zukunft ein Verhalten des Schülers zu befürchten sei, das eine Gefährdung der genannten Rechtsgüter in Ansehung anderer Schüler darstelle. Eine derartige Prognoseentscheidung sei im angefochtenen Bescheid nicht getroffen worden.
Schon mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trägt der zweite Tatbestand des § 49 Abs. 1 SchUG der Behörde auf, eine Prognoseentscheidung zu treffen; dabei hat sie die Frage zu lösen, ob in Zukunft ein Verhalten des Schülers zu befürchten ist, das eine Gefährdung der genannten Rechtsgüter in Ansehung (insbesondere) anderer Schüler darstellt. Diese Entscheidung ist auf der Grundlage der im vorliegenden Zusammenhang relevanten Aspekte der Persönlichkeitsstruktur des betreffenden Schülers zu treffen; dabei ist besonderes Augenmerk auf solche in der Vergangenheit gelegenen Verhaltensweisen zu legen, die Rückschlüsse auf jene Eigenschaften zulassen, von denen es abhängt, ob vom betreffenden Schüler in Zukunft eine Gefährdung der Sittlichkeit, der körperlichen Sicherheit und des Eigentums anderer Schüler ausgehen kann. In dieser Hinsicht können unter Umständen auch einzelne Vorfälle aussagekräftig sein.
Hat der betreffende Schüler ein seiner Art und Intensität nach schwer wiegendes, gegen die im zweiten Tatbestand des § 49 Abs. 1 SchUG genannten Rechtsgüter gerichtetes Fehlverhalten zu vertreten, so ist - auch wenn es sich um den ersten derartigen Verstoß handeln sollte - mit dem Ausschluss vorzugehen, es sei denn, dass - insbesondere in der Persönlichkeitsstruktur des Betreffenden begründete - Umstände vorliegen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sich Derartiges nicht wiederholen werde. Die Schulbehörden haben auf das Wohl aller Schüler zu achten; die Bedachtnahme auf das Wohl der Mitschüler des Betreffenden verbietet es, mit dem Ausschluss desjenigen, dem ein gravierendes, gegen die besonders geschützten Rechtsgüter gerichtetes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, zuzuwarten, bis die "Dauerhaftigkeit" der vom Betreffenden ausgehenden Gefährdung durch weitere Vorfälle erwiesen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 96/10/0242, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1994, Zl. 93/10/0200).
Ob dem Beschwerdeführer ein seiner Art und Intensität nach schwer wiegendes, gegen die im zweiten Tatbestand des § 49 Abs. 1 SchUG genannten Rechtsgüter gerichtetes Fehlverhalten vorzuwerfen ist, kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben. Jedenfalls reichen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht aus, eine Beurteilung zu tragen, wonach vom Beschwerdeführer - gemessen an seiner Persönlichkeitsstruktur - eine "dauernde Gefährdung der Sittlichkeit von Mitschülern" ausgehe. Die belangte Behörde hat - abgesehen vom Hinweis auf das Mitwirken an der Anfertigung des möglicherweise gestellten Fotos und dessen Verbreiten - keine Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine überprüfbare Beurteilung der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers vorgenommen werden könnte. Der erwähnte Vorfall allein kann aber den Schluss nicht tragen, dass vom Beschwerdeführer eine dauernde Gefährdung der Sittlichkeit seiner Mitschüler ausgehe.
Die Ausführungen der belangten Behörde zur Prognoseentscheidung in der Gegenschrift sind nicht geeignet, eine fehlende Bescheidbegründung zu ersetzen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/12/0132).
Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts ist daher der Ausschlussgrund des § 49 Abs. 1 2. Tatbestand SchUG nicht als verwirklicht anzusehen. Der angefochtene Bescheid ist wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne auf die weiteren Darlegungen der Beschwerde einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 16. Juni 2011
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