VwGH 2010/21/0172

VwGH2010/21/017224.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 23. April 2010, Zl. BMI-1025416/0002-II/3/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Bescheidkopie ergibt sich Folgendes:

Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid vom 23. April 2010 erließ die im Devolutionsweg zuständig gewordene Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Oktober 2006 - gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 iVm § 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, der im Besitz eines für die Bundesrepublik Deutschland bis 12. März 2005 gültigen Touristenvisums befindliche, damals in Österreich illegal aufhältige Beschwerdeführer habe am 15. April 2005 die österreichische Staatsbürgerin L. geheiratet. Am 12. Juli 2005 habe er unter Berufung auf diese Ehe einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt.

In der Folge seien von der Erstbehörde Ermittlungen zur Prüfung des Verdachtes auf das Vorliegen einer Scheinehe vorgenommen worden. Insbesondere habe eine Hauserhebung an der gemeinsamen Meldeadresse ergeben, dass die Wohnung nach Auskunft eines Nachbarn nur vom Beschwerdeführer allein bewohnt werde, und bei der Vernehmung des Beschwerdeführers und von L. am 21. September 2005 seien näher angeführte Widersprüche aufgetreten.

Nach zusammengefasster Darstellung des weiteren Verfahrensganges verwies die belangte Behörde zunächst auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, der sie sich anschloss und die sie zum Inhalt ihres eigenen Bescheides erklärte. Bezugnehmend auf die Beweiswürdigung der Erstbehörde bemerkte die belangte Behörde zu den im erstinstanzlichen Bescheid aufgezeigten Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau ergänzend, dass sie bedeutende Umstände betroffen hätten, die man in der kurzen Zeit zwischen dem Kennenlernen, der Hochzeit und der Befragung durch die Erstbehörde nicht vergessen oder unterschiedlich sehen habe können. Damit bezog sich die belangte Behörde auf die im Einzelnen, im Rahmen der Darstellung der unterschiedlichen Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau aufgezeigten Widersprüche, von denen jene betreffend das erste Kennenlernen, zum zweiten Treffen, hinsichtlich des von L. behaupteten, vom Beschwerdeführer jedoch bestrittenen Übernachtens am Nebenwohnsitz der Ehefrau in Sdorf und die divergierenden Angaben zum Begleiten/Abholen zum/vom Bahnhof bei Reisen des Beschwerdeführers nach Deutschland zu seinem Bruder und deren Anzahl sowie die unterschiedlichen Schilderungen zum Kauf der Eheringe und zum Ablauf der letzten Tage und Nächte vor und nach der Eheschließung hervorzuheben sind. Dazu meinte die belangte Behörde noch, der Beschwerdeführer habe diese widersprüchlichen Angaben weder in seinen Stellungnahmen im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung entkräften können. Nur zur Hochzeitsnacht habe der Beschwerdeführer nunmehr (wie seine Ehefrau) ausgeführt, dass er diese doch getrennt von ihr verbracht, sich aber geschämt habe, dies zuzugeben. Auch wenn der belangten Behörde diese Behauptung nachvollziehbar erscheine, so habe der Beschwerdeführer jedoch die anderen Widersprüche nicht aufklären können und lediglich allgemein bestritten, dass eine Scheinehe vorliege.

Für die belangte Behörde stehe demnach fest, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, also die Ehe lediglich geschlossen habe, um einen Aufenthaltstitel und damit die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme zu erlangen. Die belangte Behörde sehe es als gegeben an, dass kein gemeinsames Familien- oder Eheleben bestehe und der Beschwerdeführer diesbezüglich gegenüber den Behörden falsche Angaben gemacht habe.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet berühre somit ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung dar.

Hinsichtlich des durch das Aufenthaltsverbot bedingten Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers - so begründete die belangte Behörde weiter - sei im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu bemerken, dass der Beschwerdeführer neben seiner Berufstätigkeit keine besonderen Bindungen an Österreich behauptet habe. Die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration sei jedoch als erheblich geschmälert anzusehen, weil der Beschwerdeführer nur aufgrund der Scheinehe mit einer Österreicherin keine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz benötigt habe. Der insgesamt ca. fünfjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers stütze sich auf die Stellung als Angehöriger einer Österreicherin, die jedoch missbräuchlich erlangt worden sei. Insgesamt sei somit vom Überwiegen des öffentlichen Interesses auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit L. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (unionsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinne des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2009/21/0263, mit weiteren Hinweisen).

In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, nur die Beweiswürdigung der belangten Behörde bemängelt. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde stütze sich im Wesentlichen nur auf die Aussage eines Nachbarn (B.), der angegeben habe, dass an der Wohnanschrift eine dreiköpfige Familie wohnhaft sei. Er habe den Beschwerdeführer auf einem Foto erkannt, beim Lichtbild seiner Ehefrau habe er angegeben, dass er sich nicht sicher sei, ob es sich dabei um die Frau handle, die in der gegenständlichen Wohnung wohne. Es könnten daher die Angaben dieses Nachbarn in keiner Weise als Begründung für den Verdacht einer Scheinehe herangezogen werden.

Mit diesen Ausführungen bezieht sich der Beschwerdeführer auf das Ergebnis von ergänzenden Ermittlungen, die im Rahmen des Berufungsverfahrens an der gemeinsamen Meldeadresse des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau durchgeführt wurden. Dabei übersieht der Beschwerdeführer aber, dass sich belangte Behörde, die in erster Linie auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen hat, bei ihrer Beweiswürdigung auf die erwähnte Aussage des Wohnungsnachbarn in tragender Weise gar nicht gestützt hat. Die diesbezügliche Argumentation des Beschwerdeführers geht somit ins Leere.

Zu den von der belangten Behörde als wesentlich erachteten Widersprüchen in den Aussagen des Beschwerdeführers und der L. bei den nur wenige Monate nach der Eheschließung durchgeführten Vernehmungen beschränkt sich die Beschwerde aber auf eine bloß pauschale Kritik. Mit der nur ganz allgemein gehaltenen Behauptung, die von der Erstbehörde aufgezeigten Widersprüche seien nicht geeignet, eine Scheinehe anzunehmen, wird keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufgezeigt (siehe zu teilweise ähnlichen Widersprüchen zuletzt das Erkenntnis vom 27. Mai 2010, Zl. 2009/21/0137). Schließlich sind auch der Rüge, die Unterlassung der ausdrücklich beantragten neuerlichen Einvernahme des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau begründe eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, keine ausreichend konkreten Ausführungen zur Relevanz zu entnehmen.

Demnach bestehen gegen die behördliche Beweiswürdigung und die darauf gegründete zusammenfassende Einschätzung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe mit L. ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt, sondern diese Ehe offensichtlich zu dem Zweck geschlossen, um fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen, keine Bedenken.

Auf Basis der Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe durfte die belangte Behörde - wie erwähnt - davon ausgehen, dass die Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt ist. Das wird von der Beschwerde auch nicht in Abrede gestellt. In der Beschwerde wird auch die nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und die Ermessensübung zum Nachteil des Beschwerdeführers nicht bekämpft und insbesondere nicht behauptet, durch das Aufenthaltsverbot werde ein unzulässiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers vorgenommen. Eine solche Annahme ist im vorliegenden Fall auch nicht indiziert.

Somit lässt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Juni 2010

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