VwGH 2010/16/0099

VwGH2010/16/00998.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, in der Beschwerdesache des Dipl.-Ing. G Z in G, vertreten durch die Deloitte Styria Wirtschaftsprüfungs GmbH in 8010 Graz, Villefortgasse 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 26. März 2010, Zl. RV/0940- G/09, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird abgewiesen;

2. die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer unstrittig am Donnerstag, dem 1. April 2010, zugestellt. Die mit 14. Mai datierte Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wurde am 17. Mai 2010 dem Zustelldienst "Österreichische Post AG" übergeben und langte am 19. Mai 2010 beim Verwaltungsgerichtshof ein.

Mit Verfügung vom 28. Mai 2010 forderte der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer auf, der Beschwerde anhaftende näher bezeichnete Mängel zu beheben. Gleichzeitig hielt der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer den Sachverhalt hinsichtlich des Tages der Zustellung des angefochtenen Bescheides und der Übergabe der Beschwerde an den Zustelldienst vor und räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein.

Im Mängelbehebungsschriftsatz vom 16. Juni 2010 führte der Beschwerdeführer aus, der angefochtene Bescheid sei am 1. April 2010 zugestellt worden. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof habe daher mit 14. Mai 2010 geendet. Vom zuständigen Steuerberater Mag. P. seien "sohin ein Beschwerdeschreiben verfasst und die Kanzleimitarbeiterin Frau G. beauftragt" worden, "dieses rechtzeitig zum 14.05.2010 per Postweg beim VwGH einzubringen."

Die Mitarbeiterin gelte als besonders sorgfältig und sei daher mit der "Einbringung" beauftragt worden. Vom zuständigen Steuerberater sei auch "auf den Einbringungszeitpunkt (Frist) hingewiesen" worden. Offensichtlich habe aber die Mitarbeiterin "das Schriftstück (Beschwerde) den Schriftstücken für die darauffolgende Woche zugeordnet und ist somit das Schriftstück erst mit Poststempel 17.05.2010 eingebracht worden." Die "rein manipulative Tätigkeit des Zuordnens von Poststücken" sei vom zuständigen Steuerberater nicht überwacht worden und sei "nicht erforderlich". Da Frau G. als sonst sehr verlässliche Kanzleikraft gelte, sei das "falsche Zuordnen" des Schriftstückes als minderer Grad des Versehens zu werten. Daher stelle der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 28. Mai 2009, 2009/16/0045 und 0046, mwN), stellt ein dem Vertreter wiederfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind.

Für die Beachtung von Fristen ist in einer Steuerberaterkanzlei stets der Steuerberater selbst verantwortlich. Er muss seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist. Dabei wird auch durch entsprechende Kontrolle dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. den eine Rechtsanwaltskanzlei betreffenden hg. Beschluss vom 19. März 2008, 2008/15/0131 und 2007/15/0295).

Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. die erwähnten hg. Beschlüsse vom 19. März 2008 und vom 28. Mai 2009).

Ein Vertreter muss sohin seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Februar 2009, 2008/13/0250, mwN).

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist.

Mit dem - auch nicht weiter bescheinigten - Antragsvorbringen des Beschwerdeführers wird noch kein rechtlich als Wiedereinsetzungsgrund qualifizierbarer Sachverhalt zur Darstellung gebracht. So ist nur unbestimmt davon die Rede, der Steuerberater habe die Kanzleimitarbeiterin beauftragt, das Beschwerdeschreiben "per Postweg beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen". Aus dem Wiedereinsetzungsantrag ist nicht ersichtlich, ob die genannte Kanzleimitarbeiterin lediglich manipulative Tätigkeiten bei der Übergabe des Schriftstückes an den Zustelldienst oder auch darüber hinausgehende Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entfalten hatte.

Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag enthält keinerlei konkrete Ausführungen darüber, ob und in welcher Weise durch den Beschwerdevertreter durch entsprechende Weisungs- und Kontrollmaßnahmen organisatorisch dafür vorgesorgt worden wäre, dass zur Abfertigung an einem bestimmten Tag vorgesehene Schriftstücke von Kanzleibediensteten an demselben Tag zur Post gebracht werden. Auch Angaben über einen etwa beigeschlossenen Postaufgabeschein für eingeschriebene Sendungen oder die Behandlung (Austragung) des Schriftstückes in der Fristenvormerkführung der Kanzlei fehlen (vgl. auch den hg. Beschluss vom 19. April 2006, 2006/13/0050, und den erwähnten hg. Beschluss vom 19. März 2008).

Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag ist daher schon wegen des Fehlens von Angaben im Bezug auf das vom Beschwerdevertreter eingerichtete Kontrollsystem und wegen des Fehlens einer Schilderung der in der Kanzlei des Beschwerdevertreters vorgesehenen Vorgangsweise im Zusammenhang mit der Einbringung von Schriftstücken bei Gericht abzuweisen.

Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG sechs Wochen. Die Frist beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG mit dem Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides an die beschwerdeführende Partei.

Für die Fristberechnung gelten infolge § 62 Abs. 1 VwGG die Bestimmungen der §§ 32 ff AVG. Nach § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahre bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzte Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag, so ist gemäß § 33 Abs. 2 leg. cit. der nächste Werktag letzter Tag der Frist.

Nach § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an den Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) Frist nicht eingerechnet.

Im Beschwerdefall begann die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG mit der Zustellung des angefochtenen Bescheides am Donnerstag, dem 1. April 2010. Diese Frist endete - da der Donnerstag, der 13. Mai 2010, ein gesetzlicher Feiertag ist - sohin mit Ablauf des Freitags, des 14. Mai 2010. Die am Montag, dem 17. Mai 2010, dem Zustelldienst übergebene Beschwerde erweist sich somit als verspätet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Wien, am 8. September 2010

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