Spruch:
1.) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 10. November 2008 wurde die Zwangsversteigerung näher bezeichneter, dem Beschwerdeführer gehöriger Liegenschaften aufgrund von Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Tulln (BH) zur Hereinbringung vollstreckbarer Geldforderungen und der Kosten des Vollstreckungsverfahrens bewilligt.
Mit Bescheid der BH vom 17. Mai 2010 wurden die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Bewilligung der Zwangsversteigerung des Bezirksgerichtes Tulln vom 10. November 2008 nach § 35 Abs. 1 und Abs. 2 EO abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.
Die belangte Behörde wies diese Berufung mit Bescheid vom 21. Juli 2010 ab.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen zunächst Beschwerde, welche am 14. September 2010 zur Post gegeben wurde und zur hg. Zl. 2010/07/0164 protokolliert wurde.
Mit dem nun vorliegenden am 23. September 2010 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2010.
Er begründet dies damit, dass der angefochtene Bescheid "irrtümlich" zweimal zugestellt worden sei, zunächst am 23. Juli 2010 und dann nochmals am 3. August 2010.
Da mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen worden sei, sei der Akt dem Beschwerdeführervertreter zwecks Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof auf den "Fristenstoß" gelegt worden. Als dieser in den Akt Einsicht genommen habe, habe sich oben aufliegend der angefochtene Bescheid mit dem Zustelldatum 3. August 2010 und dem "Fristvormerk" 14. September 2010 befunden. Der Beschwerdeführervertreter habe daraufhin Einsicht in das "von einer Kanzleimitarbeiterin geführte Fristenbuch" genommen und einen "Fristvormerk für den 3. September 2010" gesehen. Er sei davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine "Vorfrist" handle, da es üblich sei, dass bei komplizierteren Fällen eine solche Vorfrist im Kalender vermerkt werde. Die Beschwerde sei daher entsprechend konzipiert, am 13. September 2010 noch einmal in der Kanzlei mit dem Beschwerdeführer besprochen und am 14. September 2010 eingebracht worden. Einige Tage später, nämlich am 17. September 2010, habe der Beschwerdeführervertreter den zweiten, identen Bescheid mit Zustelldatum 23. Juli 2010 entdeckt.
Er habe daraufhin bei den Behörden urgiert und es sei zutage getreten, dass der angefochtene Bescheid zunächst direkt vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung an den Beschwerdeführervertreter zugestellt worden sei, nämlich am 23. Juli 2010. In weiterer Folge sei dieser "Irrtum" bei der belangten Behörde auffällig geworden und diese habe den angefochtenen Bescheid an die BH weitergeleitet. Die BH habe den angefochtenen Bescheid dann nochmals an den Beschwerdeführervertreter zugestellt, nämlich am 3. August 2010.
Der Beschwerdeführervertreter sei daher irrtümlich von einer Zustellung des angefochtenen Bescheides am 3. August 2008 und einem Ende der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof am 14. September 2010 ausgegangen.
Aus einem heute nicht mehr nachvollziehbaren Grund sei der Beschwerdeführervertreter auf den Umstand der "doppelten" Zustellung seitens der ansonsten sehr geflissentlichen und ordentlichen Kanzleimitarbeiterin, der die Wahrung der Fristen obliege, nicht hingewiesen worden und sie habe auch beim Beschwerdeführervertreter nicht nachgefragt, welche Frist die "richtige" sei. Der Kanzleikraft sei so eine Unachtsamkeit noch nie passiert. Da auch der angefochtene Bescheid mit dem Zustelldatum 3. August 2010 oben auf dem Akt gelegen sei, habe auch der Beschwerdeführervertreter nicht erkannt, dass der Bescheid doppelt zugestellt worden sei.
Unter einem führt der Beschwerdeführer die Beschwerde aus und macht gegen den angefochtenen Bescheid aus näher dargestellten Gründen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend.
Der Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2010 wurde dem Beschwerdeführer im Wege der Kanzlei seines Rechtsvertreters erstmals am 23. Juli 2010 zugestellt.
Am 3. August 2010 erfolgte eine neuerliche Zustellung des gleichen Bescheides im Wege der Kanzlei seines Rechtsvertreters.
Die wirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides am 23. Juli 2010 wird nicht bestritten. So meint der Beschwerdeführer zwar, dass dieser Bescheid "irrtümlich" am 23. Juli 2010 zugestellt worden sei. Unter einem gesteht er jedoch zu, dass sein Rechtsvertreter "irrtümlich" angenommen habe, dass dieser Bescheid erst am 3. August 2010 zugestellt worden sei.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Bescheid der belangte Behörde zweimal wirksam zugestellt wurde. Wird das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt, so ist gemäß § 6 ZustG die erste Zustellung maßgebend; der zugestellte Akt gilt als "erlassen". Einer neuerlichen Zustellung kommt keine rechtliche Bedeutung mehr zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2007/18/0112, mwN). Die Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 21. Juli 2010 am 3. August 2010 erweist sich somit als rechtlich irrelevant.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist auf Antrag der Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Verschulden von Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes für diesen und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss den Kanzleibetrieb so organisieren, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt sind. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Die Überwachungspflicht in Bezug auf die richtige Vormerkung von Fristen ist auch dann gegeben, wenn die mit der Führung des Fristvormerks betraute Kanzleibedienstete überdurchschnittlich qualifiziert und verlässlich ist und es auch nach langjähriger einschlägiger Tätigkeit bisher nicht zu Fehlleistungen bzw. Beanstandungen gekommen sein soll. Art und Intensität der vom Rechtsanwalt insoweit ausgeübten Kontrolle sind im Wiedereinsetzungsantrag darzutun (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2009, Zlen. 2009/07/0172, 0173, mwN).
Die Angaben des Vertreters des Beschwerdeführers lassen in seiner Kanzlei ein solches Kontrollsystem nicht erkennen. Folgt man seiner Darstellung, dann wird das Fristenbuch von einer Kanzleimitarbeiterin "geführt". Dieser obliegt auch "die Wahrung der Fristen". Sie hat den Beschwerdeführervertreter "auf den Umstand der doppelten Zustellung" nicht hingewiesen und ihn auch nicht gefragt, welche Frist die "richtige" ist.
In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Rechtsanwalt lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen kann. Hingegen ist für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist stets der Anwalt selbst verantwortlich. Er selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm hierbei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden an der Versäumung. In diesem Zusammenhang darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig einer Kanzleikraft überlassen und sich nur auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Kommt der Rechtsanwalt somit seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nach, so handelt es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens (vgl. dazu nochmals den bereits zitierten hg. Beschluss vom 17. Dezember 2009).
Der dargestellte Bearbeitungsablauf in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers hat die Erstattung des Beschwerdeschriftsatzes vor Ablauf der Frist nicht gewährleistet. Von einem minderen Grad des Versehens kann daher nicht gesprochen werden, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben war.
Bei diesem Ergebnis ist auch die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 21. Oktober 2010
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