VwGH 2009/21/0166

VwGH2009/21/016625.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des P, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Keesgasse 7/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 29. April 2009, Zl. E1/2290/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Moldau, im zweiten Rechtsgang (vgl. zur Aufhebung des im ersten Rechtsgang - mit Bescheid vom 22. August 2005 - erlassenen Aufenthaltsverbotes das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, Zl. 2008/22/0553) gemäß § 62 Abs. 1 und 2 sowie § 60 Abs. 2 Z. 1 und § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, ein auf 10 Jahre befristetes Rückkehrverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde auf folgende rechtskräftige Verurteilungen und das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers:

1. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2. Mai 2003 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen, teils durch Einbruch begangenen Diebstahls nach den §§ 127, 129 Z. 1 und 130 StGB zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe (davon sechs Monate bedingt nachgesehen). Er habe am 9. März 2003 bei einem Einbruch in einen Pkw ein Autoradio und Bekleidung im Gesamtwert von ATS (richtig: EUR) 179,90 sowie im August 2002 und im Februar 2003 im Zuge von Ladendiebstählen Kleidungsstücke im Wert von EUR 359,91 und EUR 234,35 erbeutet. Er habe die (einfachen) Diebstähle in der Absicht begangen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

2. Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. Oktober 2004 wegen des Vergehens der mittelbar unrichtigen Beurkundung nach § 228 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen sechswöchigen Freiheitsstrafe. Der Beschwerdeführer habe eine Aufenthaltsberechtigungskarte, deren Unrichtigkeit er durch Angabe eines falschen Namens vor dem Bundesasylamt herbeigeführt habe, am 17. Mai 2004 bei der Zulassung seines Pkws zum Beweis seiner Identität und der Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet verwendet. Am 30. Mai 2004 habe er den erschlichenen (auf den Aliasnamen lautenden) Zulassungsschein anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle zum Beweis des Rechts auf Zulassung des genannten Fahrzeuges zum Straßenverkehr vorgewiesen.

3. Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 27. Februar 2006 wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB sowie Vergehens der versuchten Körperverletzung nach den §§ 15 und 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen fünfmonatigen Freiheitsstrafe. Er habe am 28. Jänner 2006 in Graz seine damalige Lebensgefährtin (und nunmehrige Ehegattin) T. durch die Äußerung, er werde sie umbringen, ihr Säure ins Gesicht schütten, wenn sie zur Polizei gehe und eine Anzeige erstatte, also durch gefährliche Drohung mit dem Tod und mit einer auffallenden Verunstaltung, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen einer zuvor stattgefundenen Auseinandersetzung zu nötigen versucht. Weiters habe er sie mit den Händen am Kinn und am Hinterkopf erfasst sowie ihren Kopf um 90 Grad zur Seite gedreht und dadurch vorsätzlich versucht, sie am Körper zu verletzen.

Der Beschwerdeführer sei laut eigenen Angaben am 22. August 2000 - von Deutschland kommend - illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe unter Angabe der (bereits erwähnten) falschen Identität einen Asylantrag gestellt. "Gegen den zweitinstanzlich negativ entschiedenen Asylbescheid" habe er eine (hg. zu Zl. 2008/19/0623 protokollierte) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluss vom 8. Mai 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Dieses Verfahren sei nach wie vor offen.

Art und Weise der begangenen gerichtlichen Straftaten ließen ein Charakterbild des Beschwerdeführers erkennen, das zweifelsohne den Schluss rechtfertige, er sei gegenüber den zum Schutz der körperlichen Integrität anderer Personen und zum Schutz fremden Eigentums erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt negativ eingestellt und bilde somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Erlassung eines Rückkehrverbotes sei demnach geboten, zumal der Beschwerdeführer wiederholt - trotz Gewährung bedingter Strafnachsichten - rückfällig geworden sei und andere Mittel demnach nicht ausreichten, um ihn dazu zu bewegen, die Rechtsordnung seines Gastlandes einzuhalten.

Der Beschwerdeführer lebe seit 2003 mit T., einer ukrainischen Staatsbürgerin, die sich seit 2001 als anerkannter Flüchtling in Österreich aufhalte, in einer Beziehung. Am 6. September 2008 habe der Beschwerdeführer T., die Mutter eines am 15. Dezember 2001 geborenen Sohnes (dessen Vater nicht der Beschwerdeführer sei) geworden sei und die nunmehr vom Beschwerdeführer ein Kind erwarte, geheiratet. Dies sei somit jedoch zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Beschwerdeführer auf Grund des im Jänner 2005 erstinstanzlich erlassenen Aufenthaltsverbotes (nunmehr Rückkehrverbotes) nicht damit habe rechnen können, seine weitere Zukunft in Österreich verbringen zu dürfen.

Der genannte Sohn der T. sei im Glauben aufgewachsen, dass der Beschwerdeführer sein Vater sei. T. arbeite als Kinderbetreuerin "sowie als Hausmeisterin", während sich der Beschwerdeführer im Haushalt nützlich mache und "für die Kinderbetreuung zuständig" sei. Durch den jahrelangen Aufenthalt in Österreich, den Kontakt zu den erwähnten Angehörigen, den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse sowie - wenn er derzeit auch ohne Beschäftigung sei - durch wiederholt ausgeübte Berufstätigkeiten habe der Beschwerdeführer ein gewisses Maß an Integration erworben. Diese werde in ihrer sozialen Komponente jedoch durch das beschriebene, wiederholte Gesamtfehlverhalten in entscheidendem Ausmaß gemindert. Weder die genannten Kontakte zu seiner Familie noch unter Ausspruch bedingter Strafnachsichten erfolgte Verurteilungen hätten ihn nämlich davon abgehalten, abermals in erheblichem - zum Teil noch gesteigerten - Ausmaß straffällig zu werden.

Das Rückkehrverbot sei somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Erreichung im Art. 8 EMRK genannter Ziele, insbesondere der Verhinderung weiterer Straftaten und zum Schutz der Gesundheit dritter Personen, dringend geboten. Unter Abwägung der genannten Umstände sei dem Beschwerdeführer eine negative Zukunftsprognose auszustellen und davon auszugehen, dass die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Das Rückkehrverbot sei daher auch nach § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Zwar werde dadurch die Kontaktnahme zwischen dem Beschwerdeführer und dem erwähnten Personenkreis erschwert, was jedoch als unvermeidliche Konsequenz der genannten Maßnahme anzusehen sei. Eingeschränkt könnten Kontakte durch Besuche aufrecht erhalten werden, auch seien Unterhaltszahlungen aus dem Ausland möglich.

Gründe für eine Übung des der Behörde eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers seien nicht ersichtlich. Der Befristung liege die Erwägung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes wieder "zur österreichischen Rechtsordnung zurückfinden werde".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 dieser Bestimmung u.a. jene des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG. Nach dessen zweitem Fall liegen solche Tatsachen dann vor, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

Wie im Fall eines Aufenthaltsverbotes ist auch bei der Erstellung der für jedes Rückkehrverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Rückkehrverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Rückkehrverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die festgestellten gerichtlichen Verurteilungen und das diesen Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten. Es bestehen somit auch keine Bedenken gegen die von der Behörde daraus gezogene Schlussfolgerung, dass der Tatbestand des § 62 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG erfüllt sei (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 2008, Zl. 2007/21/0414, und vom 6. August 2009, Zl. 2009/22/0188).

Angesichts der trotz Gewährung bedingter Strafnachsichten wiederholten Straffälligkeit, des Vorliegens von insgesamt drei gerichtlichen Verurteilungen, darunter wegen der Begehung von zwei Verbrechen, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Der Hinweis der Beschwerde auf die teilbedingte Verurteilung und die bedingten Strafnachsichten schlägt deshalb nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers durch, weil die Beurteilung der Gefährdung von der Fremdenbehörde eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung vorzunehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0441 m.w.N.).

Bei ihrer - inhaltlich im Ergebnis auch den Kriterien des § 66 Abs. 2 FPG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 genügenden - Abwägung nach § 62 Abs. 3 i.V.m. § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde ohnedies die eingangs dargestellten - zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden - Gesichtspunkte berücksichtigt und daher einen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat aber auch zu Recht diesen Eingriff als dringend geboten und nach Durchführung einer Interessenabwägung als im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Unterbindung der dargestellten Kriminalität zulässig gewertet. Vor allem hat sie zutreffend darauf verwiesen, dass das Familienleben mit der von ihm schwangeren T. und die Beziehungen zu ihrem Sohn erst zu einem Zeitpunkt entstanden sind, als sich der Beschwerdeführer nach Erlassung eines erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotes und Abweisung des von ihm gestellten Asylantrages der Unsicherheit seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet bewusst sein musste (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/22/0317).

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde hätte ihre Sachverhaltsfeststellungen auf Grund unzureichender Ermittlungen zu seiner sozialen Integration angestellt. Insoweit legt die Beschwerde jedoch nicht dar, zu welchen Feststellungen ergänzende Erhebungen konkret geführt hätten, sodass eine Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird.

Weiters erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, dass ihn die belangte Behörde nicht mündlich einvernommen habe. Auch mit diesem Vorbringen wird jedoch kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt, weil im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der belangten Behörde weder ein Recht auf eine mündliche Berufungsverhandlung noch ein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0068).

Die Einräumung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Beschwerdeführer (etwa in seiner Stellungnahme vom 14. April 2009) wird auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.

Schließlich bestand - entgegen der Beschwerde - auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, im Rahmen des ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbotes Abstand zu nehmen, sind doch keine besonderen Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. März 2010

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