VwGH 2009/16/0206

VwGH2009/16/020624.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch die N & N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 8010 Graz, Herdergasse 11, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 12. Dezember 2007, GZ. A8/2-U-St.Nr. 12/06/0519-2007, betreffend Haftung für Lustbarkeitsabgabe samt Nebenansprüchen, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Stmk 1963 §57 Abs1;
LAO Stmk 1963 §7 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
LAO Stmk 1963 §57 Abs1;
LAO Stmk 1963 §7 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Obmann eines mit 28. Februar 2007 aufgelösten Vereines. Der Verein hatte an verschiedenen Standorten Geldspielapparate betrieben und dabei eine für Zeiträume zwischen 1. März 2006 und 28. Februar 2007 entstandene Lustbarkeitsabgabe nicht entrichtet.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2007 zog der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz den Beschwerdeführer zur Haftung für diese Lustbarkeitsabgabe in Höhe von 71.400 EUR zuzüglich Nebenansprüchen in Höhe von 1.470,05 EUR zur Haftung heran.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, dass der Verein im Kalenderjahr 2006 einen Verlust in Höhe von rund 130.000 EUR erwirtschaftet habe, was aus der gleichzeitig überreichten Saldenliste zum 31. Dezember 2006 ersichtlich sei. "Die Gesellschaft" habe demzufolge über keine liquiden Mittel verfügt, um die Lustbarkeitsabgabe für den angesprochenen Zeitraum zu entrichten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 7. September 2007 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz die Berufung ab. Der Verein habe am 30. Mai 2006 den Betrag von 3.749,45 EUR, am 20. Juni 2006 den Betrag von 2.337,37 EUR, am 25. Juli 2006 den Betrag von 2.925,73 EUR, am 27. November 2006 den Betrag von 1.271,82 EUR und am 6. Dezember 2006 den Betrag von 2.005,51 EUR dem Finanzamt Graz Stadt entrichtet. In diesem Zeitraum sei der Stadt Graz überhaupt keine Zahlung geleistet worden. Daraus ergebe sich, dass der Beschwerdeführer als verantwortlicher Vertreter des Vereines seine Pflichten schuldhaft verletzt habe, weil es durch die Zahlungen an das Finanzamt und das gänzliche Unterlassen von Zahlungen an den Magistrat Graz zu einer Gläubigerbevorzugung gekommen sei.

Im dagegen erhobenen Vorlageantrag wandte der Beschwerdeführer ein, der Verein habe im Zeitraum März 2006 bis Februar 2007 in Summe 12.289,88 EUR dem Finanzamt Graz Stadt für Umsatzsteuer 2006 bezahlt. Ausschließlich dieser Betrag sei an liquiden Mittel zur Verfügung gestanden. Die "Situation" habe sich wie folgt dargestellt:

12.289,88 EUR

Umsatzsteuer 2006

39.231,85 EUR

Landeslustbarkeitsabgabe März 2006 bis Februar 2007

72.870,05 EUR

Lustbarkeitsabgabe März 2006 bis Februar 2007

124.391,78 EUR

Gesamt

Demzufolge entfalle auf die Lustbarkeitsabgabe ein Anteil von 58,60 %. Hätte der Beschwerdeführer Zahlungen im Umfang dieses Prozentsatzes der liquiden Mittel von 12.289,88 EUR geleistet, ergebe sich ein Betrag von 7.201,87 EUR. Deshalb treffe ihn ein Verschulden lediglich für diesen Betrag.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und rechtlichen Ausführungen zur Vertreterhaftung führte die belangte Behörde aus, eine Haftung des Beschwerdeführers für die offenen Abgabenschulden des Vereins wäre allenfalls dann nicht zum Tragen gekommen, wenn dem Verein überhaupt keine liquiden Mittel zur Tilgung der offenen Schulden zur Verfügung gestanden wären oder bei der Verteilung der zur Verfügung gestandenen Mittel alle Gläubiger gleich behandelt worden wären. Von einer Gleichbehandlung der Abgabenschuld mit anderen Verbindlichkeiten könne bei gänzlicher oder teilweiser Bezahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt und gleichzeitiger gänzlicher Nichtbezahlung der Abgabenschulden an den Magistrat Graz keine Rede sein. Daher hafte der Beschwerdeführer für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer gerade noch ersichtlich im Recht verletzt erachtet, nicht zur Haftung für die gesamte für den Verein aushaftende Lustbarkeitsabgabe samt Nebenansprüchen herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und brachte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Steiermärkischen Landesabgabenordnung (St-LAO) haften die in den §§ 57 ff St-LAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 57 Abs. 1 St-LAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Reche wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 7 Abs. 1 St-LAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln des Vertretenen zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (vgl. etwa das zu vergleichbaren Bestimmungen der Wiener Abgabenordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2009, 2007/13/0014).

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welchen Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 27. August 2008, 2006/15/0010, und vom 23. März 2010, 2007/13/0137).

Hat der Vertreter in dieser Hinsicht nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkretene, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr, nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens, ermöglichen zu beurteilen, ob der Vertreter ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zu der Annahme berechtigt, dass er seiner Verpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Konsequenterweise haftet der Vertreter dann für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2009).

Es mag zwar zutreffen, dass durch die mit der Berufung übermittelte Saldenliste noch keine auf bestimmte Fälligkeitszeitpunkte abgestellte Liquiditätsrechnung zur Darstellung gebracht wurde und dass die Aussage, dem Verein seien für den gesamten Zeitraum der genannte Betrag von rund 12.000 EUR zur Verfügung gestanden, welcher zur Gänze zur Entrichtung der Umsatzsteuer an das Finanzamt verwendet worden sei, noch nicht dargelegt wird, welcher Betrag zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestanden wäre. Doch die Unvollständigkeit dieses Vorbringens enthob die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den Beschwerdeführer zur Konkretisierung und zur Präzisierung seines Vorbringens aufzufordern. Weiters hat die belangte Behörde keinerlei Feststellungen getroffen, dass die Behauptung des Beschwerdeführers nicht zuträfe, die liquiden Mittel hätten den genannten Betrag von rund 12.000 EUR ausgemacht. Träfe diese Behauptung des Beschwerdeführers jedoch zu, so kann sich die Haftung aber nicht auf einen höheren als diesen Betrag erstrecken.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Juni 2010

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