VwGH 2009/07/0142

VwGH2009/07/014216.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des Mag. VH in WN, vertreten durch Dr. Christian Kuhn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. Mai 2009, Zl. UVS-06/48/10122/2008- 5, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §15 Abs3;
AWG 2002 §79 Abs2 Z3;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;
AWG 2002 §15 Abs3;
AWG 2002 §79 Abs2 Z3;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe es als Vorstand und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der B. AG zu verantworten, dass diese Gesellschaft in der Zeit von 14. September 2007 bis 3. März 2008 nicht gefährlichen Abfall, wie z.B. Verpackungsreste auf dem Gehsteig vor der Liegenschaft in 1030 Wien, L.-Gasse 33, und somit außerhalb einer hiefür genehmigten Anlage oder einer für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Örtlichkeit gelagert habe.

Er habe dadurch § 15 Abs. 3 AWG 2002 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 79 Abs. 2 Z. 3 AWG 2002 eine Geldstrafe von EUR 850,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 6 Tage und 1 Stunde) verhängt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung feststehe, dass der Beschwerdeführer die objektive Tatseite der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung verwirklicht habe.

Dem Vorbringen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung, wonach nicht der Beschwerdeführer, sondern der jeweils bestellte verantwortliche Beauftragte für die Filiale - wie sich dies aus den vorgelegten Bestellungsurkunden ergebe - für die gegenständliche Verwaltungsübertretung verantwortlich sei, sei zu entgegnen, dass gemäß § 9 Abs. 4 VStG ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 3 leg. cit. nur eine Person sein könne, der u.a. für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen sei.

Der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt werde, sei klar abzugrenzen. Erfolge eine solche klare Abgrenzung nicht, so liege keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor.

Diesen Anforderungen würden die anlässlich der Berufungsverhandlung vorgelegten Bestellungsurkunden vom "24. Jänner" (richtig: 2. Jänner) 2007, betreffend Frau Sylwia J., und vom "10. Jänner" (richtig: 2. Jänner) 2008, betreffend Frau Hanife E., jedenfalls nicht gerecht, da sich daraus keineswegs unzweifelhaft die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten auch für die Einhaltung der Bestimmungen des AWG 2002 ergebe. Insbesondere würde sich dies - entgegen dem Berufungsvorbringen - auch nicht aus der auf den Bestellungsurkunden anzutreffenden Formulierung, wonach die Einhaltung "der sonstigen den Betrieb der Filiale betreffenden Vorschriften" von der Bestellung umfasst werden sollten, ergeben, zumal dadurch keine eindeutige Abgrenzung zu den "der sonstigen die Filiale betreffenden Vorschriften", welche nach den vorgelegten Urkunden von der Bestellung nicht umfasst sein sollten, vorgenommen werden könnte.

Für die belangte Behörde stehe damit fest, dass mit den vorgelegten Bestellungsurkunden keine wirksame Bestellung von verantwortlichen Beauftragten hinsichtlich der Einhaltung von Bestimmungen des AWG 2002 vorgenommen worden sei, sodass der Beschwerdeführer als Vorstand der B. AG für die gegenständliche Verwaltungsübertretung verantwortlich sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass von der Formulierung "der sonstigen den Betrieb der Filiale betreffenden Vorschriften" auch die Entsorgung von Abfall umfasst sei. Beim Betrieb einer derartigen Betriebsanlage entstehe eine Menge Abfall. Die Entsorgung dieses Abfalls habe unter Einhaltung der Bestimmungen des AWG 2002 zu erfolgen und sei jedenfalls Teil des Filialbetriebes. Die Unterscheidung zwischen den "sonstigen den Betrieb der Filiale betreffenden Vorschriften" und den "sonstigen die Filiale betreffenden Vorschriften" sei sachgerecht und nötig, da Rayonsleiter der B. AG (wie die Damen J. und E.) für den Betrieb der Filiale verantwortlich und anordnungsbefugt seien, nicht aber zum Beispiel für die Einrichtung der Filiale und damit das Baugeschehen vor Eröffnung.

Die Bestellungsurkunden "zum verantwortlichen Beauftragten B.- Rayonsleiter - Filiale mit Fleischabteilung" vom 2. Jänner 2007 bzw. 2. Jänner 2008 betreffend Sylwia J. und Hanife E. umfassen als örtlichen Zuständigkeitsbereich die "Filiale/Nummer: 372". Als Filialadresse ist "1030 Wien, L.-Gasse 33" angeführt. Der sachliche Zuständigkeitsbereich umfasst zuerst eine Aufzählung explizit genannter Gesetze, für deren Einhaltung die Zuständigkeit entweder übertragen wurde oder nicht. Als übertragen gelten etwa Vorschriften des Arbeitsinspektionsgesetzes hinsichtlich bestimmter Mitarbeiter, des Ausländerbeschäftigungsgesetzes hinsichtlich bestimmter Mitarbeiter und arbeitszeitrechtliche Vorschriften hinsichtlich bestimmter Mitarbeiter. Vorschriften des Lebensmittelrechtes und Hygienevorschriften sind nicht übertragen. Auch umfasst ist die Einhaltung "der sonstigen den Betrieb der Filiale betreffenden Vorschriften". Nicht übertragen wurde jedoch die Einhaltung "der sonstigen die Filiale betreffenden Vorschriften".

Weiters enthalten die Bestellungsurkunden folgenden Passus:

"Wir bestellen Sie für den angeführten örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz und übertragen Ihnen für Ihren Verantwortungsbereich ausdrücklich die Befugnis, eigenverantwortlich sämtliche Anordnungen zu treffen, um die Einhaltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen sicherzustellen."

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Gemäß § 9 Abs. 4 leg. cit. kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Die belangte Behörde hat vorliegend die wirksame Bestellung von Sylwia J. und Hanife E. zu verantwortlichen Beauftragten mit der Begründung verneint, dass sich der in den Bestellungsurkunden verwendeten Formulierung die Verantwortung zur Einhaltung abfallrechtlicher Vorschriften nicht entnehmen ließe.

Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 VStG ist klar ersichtlich, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne dieser Bestimmung vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt. Bei der Auslegung einer Bestellungsurkunde ist sohin ein objektiver Maßstab anzulegen. Dabei kommt es im Sinne der allgemeinen Auslegungsregeln auch nicht auf die Absicht des Erklärenden, sondern auf den objektiven Erklärungswert des Empfängers an (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 2003, Zl. 2002/09/0021, vom 21. März 2006, Zl. 2003/11/0028, vom 14. Dezember 2007, Zl. 2007/02/0277, vom 28. März 2008, Zl. 2007/02/0143, und vom 29. Mai 2008, Zl. 2007/07/0063).

Im Sinne dieser ständigen hg. Rechtsprechung kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus den dargestellten Bestellungsurkunden keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten auch für die Einhaltung der Bestimmungen des AWG 2002 ableitet.

Das AWG 2002 ist nicht explizit in der Aufzählung jener Bestimmungen enthalten, für deren Einhaltung die Verantwortung übertragen wurde. Auch lässt sich keine klare Abgrenzung zwischen der Einhaltung "der sonstigen den Betrieb der Filiale betreffenden Vorschriften" und den "der sonstigen die Filiale betreffenden Vorschriften" treffen.

Der Beschwerdeführer vermeint, dass die Einhaltung der Vorschriften des AWG 2002 "den Betrieb der Filiale" betreffe. Die bauliche Ausgestaltung sei demgegenüber Teil "der sonstigen die Filiale betreffenden Vorschriften", für welche keine Verantwortlichkeit übertragen wurde. Warum die Einrichtung der Filiale bzw. deren bauliche Ausgestaltung nicht auch Teil jener Vorschriften sein kann, die "den Betrieb der Filiale" betreffen, ist nicht nachvollziehbar. Jedenfalls ist die Unterscheidung von Vorschriften, die "den Betrieb der Filiale" betreffen und jenen "sonstigen die Filiale betreffenden Vorschriften" viel zu unpräzise, um daraus eine wirksame Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Bestimmungen des AWG 2002 ableiten zu können.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 16. Dezember 2010

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