Normen
AsylG 2005 §28 Abs1;
AsylG 2005 §41 Abs3;
AVG §66 Abs2;
VwRallg;
AsylG 2005 §28 Abs1;
AsylG 2005 §41 Abs3;
AVG §66 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird hinsichtlich des erstangefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen (hinsichtlich der zweit- bis sechstangefochtenen Bescheide) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Zu I.:
Mit Bescheid vom 27. September 2007 wies das Bundesasylamt den Antrag der Erstmitbeteiligten auf internationalen Schutz vom 26. Juli 2007 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zurück und erklärte gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung Polen zur Prüfung des Antrages für zuständig. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde die Erstmitbeteiligte aus dem österreichischem Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Erstmitbeteiligten nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt.
Der dagegen erhobenen Berufung der Erstmitbeteiligten gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 statt, ließ den Antrag der Erstmitbeteiligten zu und behob den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, dass angesichts der im Zulassungsverfahren festgestellten belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung ("Anpassungsstörung" und eine "längere depressive Reaktion") derzeit davon auszugehen sei, dass eine Überstellung der Erstmitbeteiligten nach Polen eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK im Sinne einer unmenschlichen Behandlung bedeuten würde.
Im Folgenden holte das Bundesasylamt ein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vom 28. Jänner 2008 ein, das hinsichtlich der Erstmitbeteiligten (wiederum) eine "Anpassungsstörung" diagnostizierte. Die Frage, ob einer Überstellung nach Polen schwere psychische Störungen entgegen stünden, die aus ärztlicher Sicht eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würden, wurde vom Gutachter verneint.
Mit Bescheid vom 31. Jänner 2008 wies das Bundesasylamt den Antrag der Erstmitbeteiligten auf internationalen Schutz neuerlich gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurück und erklärte Polen zur Prüfung des Antrages für zuständig; die Erstmitbeteiligte wurde nach Polen ausgewiesen und u.a. die Abschiebung dorthin für zulässig erklärt. Begründend führte die erste Instanz aus, dass die neuerlich durchgeführte ärztliche Untersuchung keine gesundheitlichen Gründe ergeben habe, die einer Überstellung nach Polen entgegenstünden. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass die Erstmitbeteiligte bei einer Überstellung nach Polen einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.
Dagegen erhob die Erstmitbeteiligte Berufung, in der sie unter anderem geltend machte, dass die Überstellung nach Polen aus medizinischen Gründen unzulässig sei. Sie schloss ihrem Rechtsmittel einen psychiatrischen Befund vom 7. Februar 2008 an, dem zufolge bei der Erstmitbeteiligten eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Erstmitbeteiligten gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 statt, ließ den Antrag zu und behob die erstinstanzliche Entscheidung.
Zur Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass angesichts der jüngsten und somit aktuellsten Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung in Form des psychiatrischen Befundes vom 7. Februar 2008 (wobei betont werde, dass auch in den früheren gutachterlichen Stellungnahmen im Zulassungsverfahren jeweils eine Anpassungsstörung festgestellt worden sei) davon auszugehen sei, dass eine Überstellung der Erstmitbeteiligten nach Polen die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK im Sinne einer unmenschlichen Behandlung bedeuten würde.
Dagegen wendet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde und die Erstmitbeteiligte beantragten, die Amtsbeschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Amtsbeschwerde rügt, die belangte Behörde habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides pauschal auf die posttraumatische Belastungsstörung der Erstmitbeteiligten verwiesen, ohne näher darauf einzugehen, warum diese einer Überstellung nach Polen unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK entgegenstehen solle.
2. Dem ist Folgendes zu erwidern:
§ 41 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 ordnet an, dass das Verfahren für den Fall, dass der Berufung gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben sei, zugelassen ist.
Diese Entscheidung schließt zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 ("Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen") eine spätere Zurückweisung nicht aus. Dies gilt auch für Fälle, in denen das Bundesasylamt nach Vornahme einer aufgrund des Berufungsbescheides erforderlichen Verfahrensergänzung wieder zu einer Zurückweisung des Antrages als unzulässig kommt bzw. der Zurückweisungsgrund bereits zum Zeitpunkt der Zulassung bekannt war und dieser in der Folge nicht weggefallen ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 2007, Zl. 2007/20/0466, und vom 25. November 2008, Zl. 2006/20/0624).
Der rechtskräftige Bescheid nach § 41 Abs. 3 AsylG 2005 entfaltet aber - wie die Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 26ff) - in seinen tragenden Gründen Bindungswirkung für die Erstinstanz und die Parteien des Verfahrens. Innerhalb der Grenzen der Rechtskraft ist die dem Behebungsbescheid zugrunde liegende Rechtsansicht - ohne Rücksicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit - allgemein "verbindlich", das heißt im Falle eines weiteren Rechtsganges auch für die bescheiderlassende Behörde selbst und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts.
Dass der Asylgesetzgeber mit § 41 AsylG 2005 insoweit keine Sonderregelung schaffen wollte, die eine Ausnahme von der von einem rechtskräftigen Zurückverweisungsbescheid allgemein ausgehenden Bindungswirkung darstellt, erhellt schon aus den Gesetzesmaterialien (952 BlgNR XXII. GP 66), in denen es wörtlich
heißt: "... Jedenfalls ist das Bundesasylamt an die Entscheidung
des unabhängigen Bundesasylsenates gebunden. Daher wird es wohl - soweit sich die Umstände nicht entscheidend ändern - nicht abermals eine gleichlautende und begründete Entscheidung erlassen können." In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 31. Mai 2007, Zl. 2007/20/0466, auch klar gestellt, dass eine neuerliche Zurückweisung des Asylantrages durch das Bundesasylamt (nach Zulassung des Verfahrens durch die Berufungsbehörde) nur "unter Berücksichtigung seiner Bindung an die Berufungsentscheidung" in Betracht kommt.
3. Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 das Verfahren der Erstmitbeteiligten zugelassen und der ersten Instanz ihre Rechtsansicht überbunden, dass die im Zulassungsverfahren festgestellte krankheitswertige psychische Störung (Anpassungsstörung) einer Überstellung der Erstmitbeteiligten nach Polen entgegensteht, weil deshalb eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe. Dieser Bescheid wurde nicht mit Amtsbeschwerde bekämpft und erwuchs in Rechtskraft.
Damit war und ist für das weitere Verfahren nicht mehr zu prüfen, ob die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 16. Oktober 2007 tatsächlich zutraf (vgl. zu den Voraussetzungen, unter denen im Lichte des Art. 3 EMRK eine gesundheitliche Beeinträchtigung zur Unzulässigkeit einer Überstellung des Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union führen kann, etwa die zusammenfassende Darstellung der Rechtsprechung im hg. Erkenntnis vom 28. April 2010, Zlen. 2008/19/0139 bis 0143). Das Bundesasylamt war auch nicht berechtigt, bei unverändertem Sachverhalt diese ihr überbundene Rechtsansicht zu missachten und eine beharrende Zurückweisungsentscheidung zu treffen.
Zu klären bleibt daher nur, ob sich der maßgebliche Sachverhalt nach dem aufhebenden Bescheid der belangten Behörde vom 16. Oktober 2007 so geändert hatte, dass von einer Bindung an die tragenden Gründe dieser Entscheidung nicht mehr ausgegangen werden musste.
Diese Frage ist zu verneinen. Das Bundesasylamt holte im fortgesetzten Verfahren ein fachärztliches Gutachten ein, das - wie schon die untersuchende Ärztin im ersten Rechtsgang - bei der Erstmitbeteiligten eine Anpassungsstörung diagnostizierte. Eine Sachverhaltsänderung, die eine geänderte rechtliche Beurteilung zugelassen hätte, lag somit nicht vor. Dass der Gutachter in dieser Erkrankung kein Hindernis für die Überstellung nach Polen erblickte, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Ob eine Überstellung unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK zumutbar ist, ist nämlich eine von der belangten Behörde zu beurteilende Rechtsfrage (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, Zlen. 2008/19/0809 bis 0812), die fallbezogen bereits mit (rechtskräftigem) Aufhebungsbescheid vom 16. Oktober 2007 entschieden worden ist.
Ausgehend davon kommt der Amtsbeschwerde keine Berechtigung zu und sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - abgesehen von dem unter Punkt I. der Erwägungen angesprochenen Themenkomplex - keine für die Entscheidung der Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden hinsichtlich der zweit- bis fünftangefochtenen Bescheide abzulehnen.
Wien, am 21. Juni 2010
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