VwGH 2008/18/0456

VwGH2008/18/045630.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des D J in Wien, geboren am 9. Dezember 1978, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. April 2008, Zl. SD 1261/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. April 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem bis zum 9. April 2005 gültigen Visum der österreichischen Botschaft in Belgrad, das ihm als Busfahrer eines serbischen Busreiseunternehmens ausgestellt worden sei, nach Österreich eingereist. Noch vor Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Visums, am 17. März 2005, habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und - darauf gestützt - die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Er sei von seiner früheren Ehegattin am 30. Jänner 2004 und die österreichische Staatsbürgerin von ihrem früheren Ehegatten am 3. Dezember 2004 geschieden worden.

Im Zuge von durchgeführten polizeilichen Erhebungen an der angeblich ehelichen Wohnanschrift sei eine Nachbarin befragt worden, die angegeben habe, dass seit fast einem Jahr eine jugoslawische Familie mit zwei Kindern in der genannten Wohnung wohnhaft wäre. Sie habe die Ehegattin des Beschwerdeführers auf einem Foto erkannt, nicht jedoch den Beschwerdeführer, und angegeben, dass der Mann auf dem Foto sicher nicht derjenige Mann wäre, mit dem die Ehegattin zusammenlebte. Sie (die Nachbarin) hätte diesen Mann noch nie gesehen.

Da der dringende Verdacht bestanden habe, die Ehegattin lebte mit ihrem geschiedenen Ehemann weiter zusammen, sei ein Foto des früheren Ehegatten angefordert und der Nachbarin gezeigt worden. Diese hätte den früheren Ehegatten sofort erkannt und gemeint, er hätte "nur noch" weniger Haare. Sie wäre sich jedoch sicher, dass dieser Mann seit dem Einzug ständig in der Wohnung wohnhaft wäre. Es sei auch eine weitere Nachbarin befragt worden, und auch diese habe sowohl die Ehegattin (des Beschwerdeführers) als auch deren früheren Ehegatten auf Grund der vorgelegten Lichtbilder wiedererkannt. Auch diese Nachbarin hätte den Beschwerdeführer noch nie gesehen. Diese habe weiters angegeben, seit dem Einzug der Familie ständig Probleme wegen herunterfallender Zigarettenasche des Mannes zu haben, welchen sie bereits deswegen zur Rede gestellt hätte.

Im Zuge dieser Erhebungen habe die Ehegattin des Beschwerdeführers das Vorliegen einer Scheinehe bestritten und angegeben, ständig mit dem Beschwerdeführer zusammenzuwohnen.

Am 24. November 2005 sei der Beschwerdeführer niederschriftlich vernommen worden. Über Vorhalt des Erhebungsergebnisses habe er das Eingehen einer Scheinehe bestritten. Der frühere Ehegatte seiner Frau käme nur ab und zu auf Besuch zu ihnen. Er sei nach den Kindern seiner Ehegattin befragt worden, die er als zehn bzw. neun Jahre alt beschrieben habe, wobei er deren Geburtsdatum nicht habe angeben können. Diese Angaben seien insofern falsch gewesen, als die Kinder zum damaligen Zeitpunkt fünfzehn und zehn Jahre alt gewesen seien. Während er angegeben habe, seine Ehegattin auf einer Busfahrt im August 2003 kennengelernt zu haben, habe diese angegeben, sie hätte den Beschwerdeführer das erste Mal im Dezember 2003 im Bus gesehen. Das Geburtsdatum seiner Ehegattin habe er zunächst mit 27. Dezember 1986 bezeichnet und mit Hilfe des Dolmetschers sodann auf 27. Dezember 1968 korrigiert. Auch im Zuge der weiteren Vernehmung hätten sich erhebliche Widersprüche zu den Angaben seiner Ehegattin, die unmittelbar darauf niederschriftlich vernommen worden sei, ergeben.

Nach Darstellung von sich bei den Vernehmungen ergebenden weiteren Widersprüchen zwischen den Angaben der Ehegatten führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei, um solcherart einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken. So sei bemerkenswert, dass die befragten Hausparteien den Beschwerdeführer mit Sicherheit nicht gekannt hätten, sehr wohl hingegen den früheren Ehegatten seiner Gattin, der noch in der angeblich ehelichen Wohnung gewohnt habe, obwohl die Ehegattin zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als ein halbes Jahr von ihm geschieden gewesen sei. Ihr früherer Ehegatte sei zunächst bis 4. Februar 2005 an dieser Wohnanschrift gemeldet gewesen und am 18. Februar 2005 bis 24. März 2005 erneut dort zur Anmeldung gelangt, bevor sich tags darauf der Beschwerdeführer dort angemeldet habe. Nach den Meldedaten sei der frühere Ehegatte noch im Zeitpunkt der Eheschließung bei der Ehegattin gemeldet gewesen. Erst am Tag nach seiner Abmeldung habe sich der Beschwerdeführer dort angemeldet. Die Versuche der Ehegattin, die Aussage einer Nachbarin als Racheakt darzustellen, weil diese Probleme mit deren Kindern hätte, könnten nicht überzeugen, zumal dies noch nicht erkläre, warum auch eine weitere Nachbarin gleichlautende Aussagen gemacht habe. Des Weiteren sei das große Unwissen des Beschwerdeführers über das unmittelbare familiäre Umfeld ebenso auffällig wie die dargelegten Widersprüche in den Aussagen der Ehegatten gewesen. Wenn der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, das Alter derjenigen Kinder, mit denen er angeblich im gemeinsamen Haushalt ein Familienleben führen wolle, auch nur annähernd richtig wiederzugeben, und auch nicht wisse, in welcher Schulstufe sich die Kinder befänden, könne er, auch unter Berücksichtigung der übrigen, teils erheblichen Widersprüche und der angeführten Erhebungen, nicht glaubhaft darlegen, dass er tatsächlich einen gemeinsamen Haushalt bzw. ein gemeinsames Ehe- und Familienleben pflege. Die belangte Behörde gelange daher zur Überzeugung, dass ein solches nur vorgetäuscht worden sei, um die Ehe als "echte Ehe" darzustellen.

Die Vernehmung der vier geltend gemachten Zeugen sei unterblieben, weil nicht erkennbar gewesen sei, zu welchem Beweisthema diese hätten vernommen werden sollen bzw. über welche von ihnen gemachten Wahrnehmungen sie hätten Zeugnis ablegen können. Bei der Wertung, ob eine Ehe eine Scheinehe darstelle, handle es sich um eine rechtliche Wertung, die einem Zeugen nicht zustehe.

Die belangte Behörde habe es daher als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken, sodass der im § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Ein solches Fehlverhalten gefährde tatsächlich, gegenwärtig und erheblich maßgebliche öffentliche Interessen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührten, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - auch im Grunde des § 87 leg. cit. erfüllt gewesen seien.

Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - verheiratet und aus einer Vorehe für ein Kind sorgepflichtig, das sich offenbar in seiner Heimat befinde. Sonstige familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht geltend gemacht worden. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße gravierend, wer zwecks Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Scheinehe schließe. Die solcherart vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken gewesen, dass sich dieser Aufenthalt nach Ablauf des ihm erteilten Sichtvermerkes ausschließlich auf das genannte Fehlverhalten gestützt habe. Der Beschwerdeführer sei jedenfalls seit 1. Juli 2007 unselbstständig beschäftigt. Da er jedoch über keinen Aufenthaltstitel verfüge, sei dieses Beschäftigungsverhältnis gemäß § 1 Abs. 2 lit. m Ausländerbeschäftigungsgesetz unrechtmäßig. Angesichts des Mangels sonstiger familiärer Bindungen in Österreich sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gering. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Scheinehen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe (Scheinehe) bringt die Beschwerde vor, dass die belangte Behörde die in der Berufung angeführten vier Zeugen "konkret zum Beweisthema des Inhaltes einer abgeschlossenen Ehe/der Motive, die zum Eingehen der Ehe geführt haben", hätte vernehmen müssen. Auch sei von der belangten Behörde nicht ausreichend gewürdigt worden, dass die im März 2005 geschlossene Ehe nach wie vor aufrecht sei. Wenn es im

21. Jahrhundert berechtigte Bedenken hinsichtlich des Inhaltes einer Ehe geben sollte, so sei der einzige und richtige Weg die Erstattung einer Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zur allfälligen Einbringung einer Ehenichtigkeitsklage, weil nur im Fall der Einbringung einer Ehenichtigkeitsklage gewährleistet sei, dass durch einen unabhängigen, unabsetzbaren und weisungsungebundenen Richter dem Grundsatz eines fairen Verfahrens im Sinne des Art. 6 EMRK entsprochen werde.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nicht nur auf die Angaben der Nachbarn der Ehegattin des Beschwerdeführers, sondern auch auf die im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Widersprüche zwischen den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin und beispielsweise auf den Umstand gestützt, dass er das Alter eines Kindes seiner Ehegattin falsch beschrieben hatte. Auf Grund dieser mehrfachen Ungereimtheiten, auf die die Beschwerde nicht weiter eingeht, begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Wenn die Beschwerde rügt, dass vier vom Beschwerdeführer in seiner Berufung angeführte Zeugen nicht vernommen worden seien, so ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht darlegt, zu welchen konkreten Tatsachenbehauptungen diese Zeugen geführt wurden und welche Feststellungen auf Grund deren Vernehmung im Einzelnen zu treffen gewesen wären.

Auch irrt die Beschwerde, wenn sie meint, dass zur Klärung des Verdachtes auf eine Aufenthaltsehe der einzige und richtige Weg die Erstattung einer Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zur allfälligen Einbringung einer Ehenichtigkeitsklage gewesen wäre und ein Verwaltungsbeamter die Frage des Vorliegens einer solchen Ehe nicht selbst beurteilen dürfe. Diesbezüglich wird zur näheren Begründung auf das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2006/18/0154, (vgl. in diesem Erkenntnis Punkt II. 1.) verwiesen.

Auf dem Boden der auf Grund unbedenklicher Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen ist daher die Auffassung der belangten Behörde, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt seien, nicht zu beanstanden.

2. Im Hinblick darauf, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2007/18/0838, mwN), begegnet auch die Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, keinem Einwand.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. April 2010

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