VwGH 2008/16/0110

VwGH2008/16/011021.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und Hofrat Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern, 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 4. Juli 2008, GZ. RV/0250-W/03, betreffend Gesellschaftsteuer der mitbeteiligten Partei R Aktiengesellschaft in Abwicklung in W, zu Recht erkannt:

Normen

BewG 1955 §4;
KVG 1934;
BewG 1955 §4;
KVG 1934;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Gesellschafter der mitbeteiligten Aktiengesellschaft gaben im Laufe der Jahre 1995 und 1996 betreffend der mitbeteiligten Partei gewährte Gesellschafterdarlehen im Wesentlichen gleichlautende, an die Mitbeteiligte adressierte "Nachrang- und Rückstehungserklärungen" folgenden Inhaltes ab:

"... Ich erkläre mich befristet bis ... unwiderruflich damit

einverstanden, mit der Befriedigung meiner Forderung aus dem

gewährten Gesellschafterdarlehen in der Höhe von ... solange zu

warten, bis sämtliche Ansprüche und Forderungen anderer forderungsberechtigter Gläubiger in dem ihnen gebührenden Ausmaß befriedigt wurden.

Diese Erklärung gilt auch für den Fall jedes Insolvenz- oder Liquidationsverfahrens."

Nachdem die Mitbeteiligte dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern (im Folgenden kurz Finanzamt) im Wege einer Anfragebeantwortung erklärt hatte, die Gesellschafter hätten auf die nachrangig gestellten Darlehen endgültig verzichtet, setzte das Finanzamt dafür gem. § 2 Z. 2 bis 4 iVm § 8 KVG Gesellschaftsteuer in der Höhe von 1 % des Wertes der Leistung (ATS 63,000.000,--) mit ATS 630.000,-- fest.

Dagegen berief die Mitbeteiligte mit der Begründung, ein formaler Verzicht sei nie ausgesprochen worden.

Die belangte Behörde stellte den Inhalt der Nachrang- und Rückstehungserklärungen (wie oben wiedergegeben) fest und traf darüber hinaus auf Grund des Aktes des Handelsgerichtes Wien folgende Feststellungen:

Am 27. November 1996 wurde von der Mitbeteiligten die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens beantragt. Das Ausgleichsverfahren wurde am 28. November 1996 eröffnet. Das Unternehmen der Mitbeteiligten wurde am 23. Dezember 1996 stillgelegt und diese Schließung wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 9. Jänner 1997 bewilligt.

Aus dem zum 31. Dezember 1996 erstellten Lagebericht ist ersichtlich, dass das Ausgleichsverfahren mit dem Ziel der Liquidation des Unternehmens betrieben wurde. Für den Ausgleich wurde letzten Endes von einer Bank die zur Erreichung einer Quote von 40 % erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Die Mitbeteiligte wurde schließlich wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Die belangte Behörde gab der Berufung Folge und behob den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos. In der Begründung dazu vertrat die belangte Behörde im Ergebnis die Auffassung, durch den "Entfall der Forderungen infolge Insolvenz" sei keine gesellschaftsteuerbare Leistung bewirkt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Finanzamtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß §§ 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 2 Z. 4 lit. b KVG lautet auszugsweise:

"Der Gesellschaftsteuer unterliegen:

...

4. folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen:

  1. a) ...
  2. b) Verzicht auf Forderungen,

    ..."

    Die von der belangten Behörde festgestellten "Nachrang- und Rückstehungserklärungen" sind rechtlich zunächst als zeitliches Zuwarten der Gesellschafter mit der Geltendmachung ihrer Forderungen und damit als Stundung zu verstehen, und zwar bis zu dem (ungewissen) Zeitpunkt, in dem alle Ansprüche der übrigen Gläubiger voll befriedigt werden. Unter Berücksichtigung des Falles, dass die anderen Gläubiger aber keine volle Befriedigung finden, stellen sich die in Rede stehenden Erklärungen aber auch als aufschiebend bedingte Verzichtserklärungen dar.

    Da im Anwendungsbereich der Gesellschaftsteuer (Teil I des Kapitalverkehrsteuergesetzes) gem. § 4 BewG ein aufschiebend bedingter Umstand erst dann zu berücksichtigen ist, wenn die Bedingung eintritt (siehe dazu Steiner, Die Bedingung im Recht der Gebühren und Verkehrsteuern, JBl 1999, 137 ff insb. 138, 139 und 145), wurde im vorliegenden Fall der in den "Nachrang- und Rückstehungserklärungen" gelegene Verzicht gesellschaftsteuerrechtlich erst bedeutsam, als sich im Zuge des Ausgleichsverfahrens herausstellte, dass das Unternehmen liquidiert wird und die Gläubiger unter Berücksichtigung der Quote von 40 % einen Ausfall von 60 % erlitten.

    Somit stellt sich allein die Frage, ob der mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirksam gewordene Verzicht der Gesellschafter bezogen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Verzichtes überhaupt geeignet war, iS der Z. 4 des § 2 KVG den Wert der Gesellschafterrechte zu erhöhen.

    Anders als dies das beschwerdeführende Finanzamt sieht, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem zu dieser Frage bereits am 6. Oktober 1994 gefällten Erkenntnis Zl. 93/16/0103 grundlegend klargestellt, dass im Falle einer liquidierenden Gesellschaft ein Forderungsverzicht nicht zur Kapitalverkehrsteuerpflicht führt. Zur Vermeidung von weitwendigen Wiederholungen darf dazu gem. § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses verwiesen werden.

    Da keiner der dort angeführten Ausnahmsfälle (z.B. Erhöhung des Wertes der Liquidationsmasse oder Rückverwandlung der aufgelösten Gesellschaft in eine werbende etc.) vorliegt, ist damit aber das Schicksal der Beschwerde bereits im Sinne einer Abweisung gemäß § 42 Abs. 1 VwGG entschieden.

    Wien, am 21. Oktober 2010

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