VwGH 2008/11/0203

VwGH2008/11/020320.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der S T in P, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- u. Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz vom 12. August 2008, Zl. 41.550/1371-9/07, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:

Normen

BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §14 Abs3;
BEinstG §2 Abs1;
BEinstG §27 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §14 Abs3;
BEinstG §2 Abs1;
BEinstG §27 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erlitt im Jahr 1995 einen Unfall mit einer Tischkreissäge, bei dem sie - insbesondere an der linken Hand - schwer verletzt wurde. Beginnend mit 22. Juli 1996 stellte sie Anträge auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, die jeweils erfolglos blieben.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes, Landesstelle Niederösterreich, vom 3. Dezember 2007 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 9. März 2007 auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. S vom 3./7. Mai 2007, und - nachdem der Beschwerdeführerin Parteiengehör eingeräumt worden war - des Ergänzungsgutachtens dieses Arztes vom 22. November 2007, gemäß § 14 Abs. 2 iVm. § 2 Abs. 1 und 3 BEinstG abgewiesen, weil der Grad ihrer Behinderung lediglich 40 v.H. betrage.

Im Gutachten vom 3./7. Mai 2007 heißt es unter anderem:

"...

Beurteilung und Begründung:

Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden:

Lfd. Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

Grad der Behinderung

1

Teilverlust Zeigefinger, Bewegungsbehinderung 3. und 4. Finger und Verlust Kleinfinger links Gegenarm

Unverändert zu Vorgutachten

g.Z. 69

30%

2

degenerative Veränderung rechtes Handgelenk Gebrauchsarm

eine Stufe über unterem Rahmensatz, da Ellenverkürzungs-OP vorgesehen,

418

30%

Die in Zusammenwirken der oben angeführten Gesundheitsschädigungen verursachte Funktionsbeeinträchtigung beträgt vierzig vom Hundert (40 v.H.).

Der führende Grad der Behinderung unter laufender Nr. 1 wird ( um 1 Stufe(n) erhöht, da

( eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht."

Im ergänzenden Gutachten vom 22. November 2007 wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

"...

Es wurde Einspruch erhoben und neue Befunde vorgelegt.

Neu:

MRT-befund zeigt Cysten, sonst unauffälligen Befund. Ambulanter Besuch Ortho Speising: mildes Impingement! Klin. Untersuchung vom Mai ergab keine Bewegungseinschränkung

Dieser Befund erreicht meines Erachtens unter 28 0 % Röntgenbefund HWS und LWS ergibt eine Streckfehlhaltung HWS

und Chondrosen im LWS-bereich, sonst unauffällige Befunde. Befund Dr. Fertschak 09/2007: zusätzlich Lumbalgie. Die klinische Untersuchung vom Mai zugrundegelegt erreichen diese Befunde ebenso keinen GdB, die Lumbalgie wäre unter Gesundheitsschädigungen, die nicht länger als 6 Monate dauern, unter 486 einzureihen.

Die von mir eingeschätzten Leiden 1 und 2 erscheinen mir korrekt, die bei Begutachtung geplante Operation habe ich berücksichtigt.

Die Gesamteinschätzung ist meines Erachtens korrekt.

Sollte der operative Eingriff eine wesentliche Verschlechterung gebracht haben, ist eine neuerliche Untersuchung vorzunehmen."

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung und legte erneut Befunde, insbesondere des Orthopädischen Spitals Speising (vom 29. Jänner 2008 und in der Folge vom 11. März 2008) vor. Im Berufungsverfahren wurde das orthopädische Fachgutachten Dris. K-D vom 12. März 2008, ergänzt am 2. April 2008, eingeholt. Darin heißt es u.a. wie folgt:

"...

Beurteilung:

1. Teilverlust des Zeigefingers, Bewegungsbehinderung des Mittel- und Ringfingers und Verlust des linken Kleinfingers (Gegenarm)

g.Z. 69 30%

2. Degenerative Veränderungen im rechten Handgelenk (Gebrauchsarm)

58 30%

Oberer Rahmensatz, dieser Pos., da nach Korrekturoperation zwar keine funktionelle Einschränkung, aber glaubhafte Beschwerden mit Einklemmungssymptomatik.

Gesamt-GdB 40%, da das führende Leiden 1 durch das Leiden 2 um 1 Stufe erhöht wird, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Dauerzustand

GdB gilt ab 12.3.2007

Die BW ist zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem

geschützten Arbeitsplatz geeignet.

Die Befunde 1. und 2. Instanz (Behandlungsbriefe und Befunde bildgebender Verfahren) fließen in o.a. Einschätzung ein.

Im Vergleich zum Gutachten 1. Instanz keine Änderung. Stellungnahme zum Schreiben der BW (Abl. 131/1-2):

Die Abnützung des rechten Handgelenkes und der Zustand nach Operation werden entsprechend der funktionellen Einschränkung berücksichtigt.

In bezug auf die rechte Schulter werden keine Schmerzangaben gemacht, es liegt keinerlei funktionelle Einschränkung vor.

Eine Verschlechterung der Leiden kann bei der heutigen Untersuchung nicht glaubhaft gemacht werden.

Somit aus orthopädischer Sicht keine Änderung zum Gutachten

1. Instanz."

"...

Stellungnahme zum nachgereichten Befund (Ambulanzbrief KH Speising vom 11.3.2008):

Die in o.a. Ambulanzbrief beschriebene 'Arthralgie' des rechten Handgelenkes ist unter Leiden 2 'degenerative Veränderungen im rechten Handgelenk' erfasst.

Der nachgereichte Befund bestätigt die im Gutachten erfasste Einschätzung und führt zu keiner Änderung des diesbezüglichen GdB."

Mit Schreiben vom 22. April 2008 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme mit und forderte sie zur Stellungnahme auf. Hierauf legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26. Juni 2008 weitere Befunde vor, insbesondere den Entlassungsbericht der Sonderkrankenanstalt für medizinische Rehabilitation Thermenhof vom 2. Juni 2008 und die Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie Dr. F vom 9. Juni 2008, in welcher u.a. auf Veränderungen an der Halswirbelsäule der Beschwerdeführerin, die zu Beschwerden im Nacken/Schulterbereich führen, verwiesen wird.

Im Anschluss daran, von der belangten Behörde aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen, hielt der Amtsarzt und Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L in seinem Schreiben vom 2. Juli 2008 schließlich Folgendes fest:

"...

Die nachgereichten Befunde bewirken keine Änderung, weil:

alle einschätzungsrelevanten GS ausreichend hoch beurteilt wurden. Die Wirbelsäule ist funktionell gesehen frei beweglich. Analgetika werden nicht eingenommen.

Vorschlag: keine Änderung der Beurteilung"

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. August 2008 gab die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 3. Dezember 2007 erhobenen Berufung - unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1, § 3, § 14 Abs. 1 und 2 sowie § 27 Abs. 1 BEinstG - nicht Folge. Die belangte Behörde folgte - zusammengefasst - in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Ausführungen der von ihr beigezogenen Sachverständigen und führte, nach Darstellung der maßgebenden Rechtsvorschriften und nach einem Hinweis auf die gemäß § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Richtsatzverordnung vom 9. Juni 1965 über die Einschätzung des Grades der Behinderung sowie nach Bezugnahme auf die hg. Rechtsprechung aus, dass auf Grundlage der ihr vorliegenden schlüssigen Sachverständigengutachten von einem Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin von 40 v.H. auszugehen sei. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin seien nicht geeignet, die eingeholten schlüssigen medizinischen Gutachten zu entkräften.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG in der Fassung BGBl. I Nr. 82/2005 lauten (auszugsweise):

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. Österreichischen Staatsbürgern sind Flüchtlinge mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H., denen Asyl gewährt worden ist, gleichgestellt, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. ...

Behinderung

§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

...

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H.

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z. 2 Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. ...

(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.

(4) ...

Übergangsbestimmungen

§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

(2) ..."

Da eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG noch nicht erlassen wurde, hatte die belangte Behörde zu Recht (§ 27 Abs. 1 BEinstG) die auf Grund des § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und die in der Anlage zu dieser Verordnung genannten Richtsätze heranzuziehen. Die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände hat nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach § 3 der oben genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2009, Zl. 2007/11/0017, mit weiteren Nachweisen).

Die Beschwerdeführerin bekämpft die Einschätzung ihres Leidens und des Grades der Behinderung mit (lediglich) 40 vH. Sie bringt im Wesentlichen (zusammengefasst) vor, sie habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht und hiefür Befunde vorgelegt, dass sie - abgesehen von den Einschränkungen der Funktionsfähigkeit beider Hände - auch an Bewegungseinschränkungen im Halswirbelsäulen- und Schulterbereich, verbunden mit Schmerzen, leide. Demgegenüber sei in den von der belangten Behörde herangezogenen Gutachten von voller Beweglichkeit und keinerlei Einschränkungen hinsichtlich Kraft und Faustschluss der Hände die Rede. Dies widerspreche den von der Beschwerdeführerin beigebrachten Stellungnahmen des Facharztes für Orthopädie Dr. F und des Orthopädischen Krankenhauses Speising. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, ein ergänzendes Sachverständigengutachten einzuholen und die Widersprüche aufzuklären. Der von der belangten Behörde abschließend zur Stellungnahme aufgeforderte Arzt für Allgemeinmedizin - und ihm folgend die belangte Behörde - seien auf die vorgelegten Befunde nicht hinreichend eingegangen und hätten die Leiden der Beschwerdeführerin nicht richtig eingeschätzt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides sei mangelhaft. Wären die Leiden der Beschwerdeführerin an sich und in ihrer Zusammenschau hinreichend berücksichtigt worden, hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 50 v. H. erreiche und hätte ihrem Antrag stattgeben müssen.

Die Beschwerde ist begründet:

Die Beschwerdeführerin hatte bereits im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen - und dafür Befunde vorgelegt (vgl. die Stellungnahmen der Fachärztin für Radiodiagnostik vom 27. August 2007 und des Facharztes für Orthopädie vom 24. September 2007) -, dass sie Beschwerden in Ansehung der Wirbelsäule bzw. der rechten Schulter aufweise. Sie hat in weiterer Folge im Berufungsverfahren das Schreiben des Orthopädischen Spitals Wien Speising vom 29. Jänner 2008 vorgelegt, in welchem beschrieben wird, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich aus Belastungsproblemen Beschwerden im Bereich der gesamten oberen Extremität aufweist, und ebenso wird im Schreiben dieser Krankenanstalt vom 11. März 2008 unter anderem auch ein Leiden in Ansehung der Halswirbelsäule der Beschwerdeführerin erwähnt. In der Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie Dr. F vom 9. Juni 2008 wird darauf hingewiesen, dass in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten (Dris. K-D) vor allem Veränderungen an der Halswirbelsäule der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt worden seien, aber auch die Beurteilung, dass Kraft und Faustschluss hinsichtlich der linken Hand uneingeschränkt seien, nicht nachvollzogen werden könne.

Demgegenüber hatte die Sachverständige Dr. K-D in ihrem bereits erwähnten Gutachten ausgeführt, dass "keinerlei funktionelle Einschränkung" der rechten Schulter vorliege und ein Leiden hinsichtlich der Wirbelsäule nicht als relevant angesehen

("... erreichen keinen GdB..."), und dass "Kraft und Faustschluß

bds. frei" seien. Die belangte Behörde holte nach Einlangen der oben erwähnten Befunde lediglich eine ergänzende Stellungnahme des Amtsarztes und Arztes für Allgemeinmedizin ein, der - ohne nähere Begründung - bloß ausführte, dass die "Wirbelsäule funktionell gesehen frei beweglich" sei und keine Änderung der Beurteilung vorzunehmen sei, und auf den Widerspruch zwischen dem von der Behörde eingeholten Gutachten und den von der Beschwerdeführerin beigebrachten Befunden nicht einging.

Nun ist der Beschwerdeführerin zwar zu entgegnen, dass die von ihr in der Beschwerde dargestellte Kritik an der Einschätzung ihrer Leiden nach den angeführten Richtsatzpositionen durch die Sachverständigen und ihnen folgend durch die belangte Behörde insofern nicht durchschlägt, als sich aus den von ihr vorgelegten Befunden kein Anhaltspunkt dafür ergibt, es sei die Anwendung anderer Richtsatzpositionen in Ansehung der von der Sachverständigen erkannten Leiden der Beschwerdeführerin geboten gewesen. Auch ist in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten keine Unschlüssigkeit in der Beurteilung der Funktionsfähigkeit der rechten Hand erkennbar; dass auch in Ansehung dieser Hand Einschränkungen bestehen, wurde von der Sachverständigen zutreffend erkannt.

Zielführend verweist die Beschwerdeführerin jedoch darauf, dass durch die Aufklärung des oben aufgezeigten Widerspruchs in Ansehung der Kraft und des Faustschlusses der linken Hand - auch wenn sie von der Sachverständigen nur als Hand des "Gegenarms" bezeichnet wird - und insbesondere hinsichtlich eines Leidens an der Halswirbelsäule bzw. an der Schulter ein für den Standpunkt der Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis erzielt werden könnte. Dass die "nachgereichten Befunde" und insbesondere die Stellungnahme vom 9. Juni 2008 nicht im Widerspruch zu den Ausführungen Dris. K-D stünden, wie offensichtlich der Amtsarzt Dr. L und mit ihm im Einklang die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vermeinen, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Die belangte Behörde hätte die abweichende Beurteilung des Facharztes für Orthopädie Dr. F berücksichtigen und ein ergänzendes Gutachten einholen müssen, weil erst dann beurteilt werden kann, welchen Grad der Behinderung die Beschwerdeführerin aufweist und ob sie, bei Erreichen eines Grades von 50 v. H., dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. April 2010

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