VwGH 2008/10/0291

VwGH2008/10/029128.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, in der Beschwerdesache der H. in Kopenhagen-Valby, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Am Getreidemarkt 1, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen je vom 27. Februar 2008, Zlen. 950.650-01-08-LCM, 950.651-01-08-LCM, 950.652-01-08-LCM und 950.653-01-08-LCM, betreffend Arzneimittelzulassung (mitbeteiligte Partei: R Vertriebs-GmbH in Wien, vertreten durch Mag. Werner Maierhofer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8), den Beschluss gefasst:

Normen

AMG 1983 §10 Abs1 idF 2005/I/153;
AMG 1983 §10 Abs14 idF 2005/I/153;
AMG 1983 §10 Abs2 idF 2005/I/153;
AMG 1983 §15a idF 2005/I/153;
AMG 1983 §15a;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AMG 1983 §10 Abs1 idF 2005/I/153;
AMG 1983 §10 Abs14 idF 2005/I/153;
AMG 1983 §10 Abs2 idF 2005/I/153;
AMG 1983 §15a idF 2005/I/153;
AMG 1983 §15a;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden je vom 27. Februar 2008 hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen der Mitbeteiligten die Zulassung für die Arzneispezialität "Escitalopram-ratiopharm" Filmtabletten in den Stärken 5 mg, 10 mg, 15 mg und 20 mg erteilt. Zur Kennzeichnung, Fachinformation, Gebrauchsinformation und Zusammensetzung hat die belangte Behörde dazu jeweils auf Anlagen verwiesen, die Bestandteile der angefochtenen Bescheide sind.

Die Bewilligung erfolgte nach den angefochtenen Bescheiden gemäß § 10 Abs. 1 iVm § 20 Arzneimittelgesetz -AMG, BGBl. Nr. 185/1983 idF BGBl. I Nr. 153/2005. Nach dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift handelt es sich bei der Anführung von § 10 Abs. 1 AMG um einen offenbaren Schreibfehler; tatsächlich sei ein Verfahren gemäß § 10 Abs. 9 leg. cit. durchgeführt worden.

Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen ist in der Veröffentlichung dieser Bescheide auf der Website der belangten Behörde festgehalten, dass die Zulassung jeweils als Generikum unter Bezugnahme auf das Referenzprodukt "Seropram" erfolgte. Unstrittig enthält Seropram den Wirkstoff "Citalopram"; die mit den gegenständlichen Bescheiden zugelassene Arzneispezialität "Escitalopram-ratiopharm" mit dem Anwendungsgebiet "Behandlung von Episoden einer Major Depression" enthält den Wirkstoff "Escitalopram".

Die gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 27. Februar 2008 zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Bescheid vom 23. September 2008, B 566-571/08 u. a. dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Ebenso beantragte die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift. Die Parteien erstatteten weitere Schriftsätze.

Die Beschwerde ist aus folgenden Erwägungen unzulässig:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AMG idF der Novelle BGBl. I Nr. 153/2005 haben folgenden Wortlaut:

"§ 1. ...

(19) 'Generikum' ist ein Arzneimittel, das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. Die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffs gelten als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Sicherheit oder Wirksamkeit. In diesem Fall müssen vom Antragsteller ergänzende Daten vorgelegt werden, die die Sicherheit oder Wirksamkeit der verschiedenen Salze, Ester oder Derivate eines zugelassenen Wirkstoffs belegen. Die verschiedenen oralen Darreichungsformen mit sofortiger Wirkstofffreigabe gelten als ein und dieselbe Darreichungsform.

(20) 'Referenzarzneimittel' ist eine in Österreich oder in einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassene Arzneispezialität.

...

§ 10. (1) Abweichend von § 9a Abs. 1 Z 19, 20 und 28 ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der nichtklinischen Versuche und klinischen Prüfungen bzw. Versuche und die Ergebnisse der Unbedenklichkeits- und Rückstandsversuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt und

1. die erstmalige Zulassung in einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mindestens acht Jahre zurückliegt, oder

2. der Zulassungsinhaber des Referenzarzneimittels einer Bezugnahme auf die der Zulassung zugrundeliegenden Unterlagen schriftlich und unwiderruflich zugestimmt hat.

(2) Ein Generikum, das gemäß Abs. 1 zugelassen wurde, darf erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der erstmaligen Zulassung für das Referenzarzneimittel in Verkehr gebracht werden.

..

(14) Die in dieser Bestimmung enthaltenen Schutzfristen gemäß Abs. 1, 2, 3, 4 und 12 gelten für Anträge auf Zulassung eines Referenzarzneimittels, für die der Antrag auf Zulassung nach dem Ablauf des 30. Oktober 2005 gestellt wurde."

§ 15a AMG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 153/2005 lautet (auszugsweise):

"§ 15a. (1) Weist eine Arzneispezialität, für die die Zulassung beantragt wird, die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung der wirksamen Bestandteile, die gleiche Art der Anwendung, die gleichen Anwendungsgebiete und die gleiche, bei fester oraler Darreichungsform mit nicht verzögerter Wirkstofffreisetzung auch eine unterschiedliche Arzneiform wie eine im Inland bereits zugelassene Arzneispezialität auf, so kann der Antragsteller in seinem Antrag auf Unterlagen eines früheren Antragstellers im Sinne des § 15 Abs. 1 Z 17 und 18 verweisen. Er hat die Bioäquivalenz oder, wenn deren Nachweis nach dem Stand der Wissenschaft nicht möglich oder sinnvoll ist, die therapeutische Äquivalenz beider Präparate zu belegen und nachzuweisen, dass

1. der Zulassungsinhaber dieser Arzneispezialität einer Bezugnahme auf die der Zulassung unterliegenden Unterlagen schriftlich und unwiderruflich zugestimmt hat oder

2. die erstmalige Zulassung der für den früheren Antragsteller zugelassenen Arzneispezialität in einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) mindestens sechs Jahre zurückliegt und diese Arzneispezialität im Inland oder gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 zugelassen und in Verkehr gebracht ist. Handelt es sich jedoch um eine Arzneispezialität

  1. a) im Sinne des TeilesA des Anhanges der Richtlinie87/22/EWG ,
  2. b) im Sinne des TeilesB des Anhanges der Richtlinie87/22/EWG , auf welche das in Art.2 der Richtlinie87/22/EWG vorgesehene Verfahren angewendet wurde,

    c) im Sinne des Teiles A des Anhanges der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 oder

    d) im Sinne des Teiles B des Anhanges der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 , die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 zugelassen wurde, so verlängert sich dieser Zeitraum auf zehn Jahre.

    ..."

    Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem "Recht auf Unterlagenschutz" verletzt und bringt vor, dass ihre Arzneispezialität "Cipralex", die denselben Wirkstoff enthalte wie die gegenständliche Arzneispezialität (Escitalopram), auf Grund einer Antragstellung vor dem 31. Oktober 2005 im EWR-Raum erstmals am 7. Dezember 2001 in Schweden zugelassen worden sei. Die sechsjährige Frist gemäß § 10 Abs. 14 AMG iVm § 15a AMG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 153/2005 sei daher bei Stellung des Antrages auf Zulassung der gegenständlichen Arzneispezialität am 1. Dezember 2006 noch nicht abgelaufen gewesen. Aus dem Inhalt der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Fachinformation ergebe sich, dass die belangte Behörde für die Genehmigung unzulässigerweise auf Unterlagen für "Cipralex" zurückgegriffen habe. Weiters habe es die belangte Behörde unterlassen, die Beschwerdeführerin dem Zulassungsverfahren als Partei beizuziehen.

    Gemäß § 10 Abs. 1 AMG braucht der Antragsteller um Zulassung eines Generikums bestimmte Unterlagen - deren Erstellung einen hohen Aufwand erfordert - nicht vorlegen, wenn die Zustimmung des Zulassungsinhabers des Referenzarzneimittels vorliegt oder die erstmalige Zulassung des Referenzarzneimittels im europäischen Wirtschaftsraum mindestens acht Jahre zurückliegt. Nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung darf ein auf diese Weise zugelassenes Generikum erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der erstmaligen Zulassung in Verkehr gebracht werden.

    Nach der Übergangsbestimmung (siehe die RV zur Novelle BGBl. I Nr. 153/2005, 1092 Blg. NR XXII. GP, 121) des § 10 Abs. 14 AMG gelten diese Schutzfristen nur für den Fall, dass der Antrag um Zulassung des Referenzarzneimittels nach dem 30. Oktober 2005 gestellt wurde. Dies bedeutet, dass - wovon auch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend ausgehen - für die bereits vor diesem Zeitpunkt zugelassene Arzneispezialität "Cipralex" noch § 15a AMG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 153/2005 maßgeblich ist. Nach dieser Bestimmung darf der Antragsteller um Zulassung eines Generikums - abgesehen von hier unstrittig nicht vorliegenden Ausnahmsfällen - bereits ab sechs Jahren nach erstmaliger Zulassung des Referenzarzneimittels im europäischen Wirtschaftsraum auf die dazu vorgelegten Unterlagen verweisen. Eine über diesen Zeitraum hinausgehende Einschränkung des In-Verkehr-Bringens eines Generikums, wie ihn nunmehr § 10 Abs. 2 AMG vorsieht, besteht nach dieser Rechtslage nicht.

    Nach dem Beschwerdevorbringen wurde im vorliegenden Fall die Arzneispezialität "Cipralex" als Referenzarzneimittel herangezogen. Diese wurde unstrittig bereits am 7. Dezember 2001 im europäischen Wirtschaftsraum zugelassen. Im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide lag diese Zulassung bereits mehr als sechs Jahre zurück. In dem geltend gemachten "Recht auf Unterlagenschutz" kann die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid schon deshalb nicht verletzt sein.

    Mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit war die Beschwerde daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung - durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

    Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51, iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

    Wien, am 28. Mai 2010

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