VwGH 2008/08/0244

VwGH2008/08/024420.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des V B in Wien, vertreten durch MMag. Dr. Markus Fellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien ausgefertigten Bescheid vom 4. August 2008, Zl. 2008-0566-9-001354, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des AMS H vom 5. Mai 2008 wurde dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 16. April bis 10. Juni 2008 entzogen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer das Zustandekommen einer vom AMS zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei der Firma S. vereitelt habe, weil er sich nicht beworben habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht würden nicht vorliegen.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. August 2008 den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass von den Rechtsfolgen des Anspruchsverlustes gemäß § 10 Abs. 1 AlVG für den 16. April 2008 im Nachsichtsweg abgesehen werde.

In der Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges sowie neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, dass der Beschwerdeführer seit 3. September 2003 mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe. Bei allen für die Beantragung dieser Leistungsansprüche von ihm unterschriebenen bundeseinheitlichen Anträgen sei auf Seite 4 angeführt gewesen, dass bei Nichtannahme einer vermittelten zumutbaren Beschäftigung das Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) entzogen werde. Der Beschwerdeführer habe mit dem AMS H am 5. Jänner, 29. Mai, 22. Juni, 29. Oktober und 17. Dezember 2007 sowie am 28. Jänner 2008 Betreuungspläne vereinbart und eigenhändig unterschrieben, mit dem Inhalt, dass er eine Stelle mit Vollzeit in Wien suche und das AMS ihn bei der Suche nach einer Stelle als Verkaufshelfer und in jedem anderen Bereich gemäß den Notstandshilfebestimmungen unterstütze. Am 14. April 2008 sei ihm die - auf Grund der geforderten Voraussetzungen zumutbare - Beschäftigung als Schaustellergehilfe beim Dienstgeber S. zugewiesen worden, wobei der mögliche Arbeitsbeginn der 16. April 2008 gewesen sei. Das Dienstverhältnis sei nicht zustande gekommen. Laut einer von ihm unterfertigten Niederschrift am 25. April 2008 sei er zur Vorauswahl für die angebotene Stelle nicht erschienen, da er für Juni 2008 für sieben Tage eine Beschäftigung bei der Firma X. gehabt habe; weiters habe er in dieser Niederschrift angeführt, dass er zu spät gelesen habe, an welchem Termin er sich bewerben hätte sollen. Laut Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger sei er am 8., 12., 16., 20., 22., 26. und 29. Juni 2008 in einem vollversicherten Dienstverhältnis bei der Firma X. gestanden.

Dem Berufungseinwand, dass der Beschwerdeführer beim gegenständlichen Stellenangebot nicht erscheinen habe können, da er das Angebot erst am Dienstag (Anm.: dem 15. April 2008) gelesen habe, hielt die belangte Behörde entgegen, dass im Stellenangebot dezidiert angeführt gewesen sei, dass die Bewerbungen jeden Dienstag stattfinden und er sich daher am folgenden Dienstag bewerben hätte können. Dem weiteren Einwand, dass sich der Beschwerdeführer auf Grund der Zusage der Firma X. nicht bei der gegenständlichen Stelle beworben habe, erwiderte sie, dass aus dem (vom Beschwerdeführer wahrgenommenen) Vermittlungsvorschlag der Firma X. ersichtlich gewesen sei, dass es sich dabei nur um eine befristete tageweise Beschäftigung für sieben Tage im Juni 2008 gehandelt habe, und er daher vom 14. April 2008 bis zum befristeten Beginn dieser tageweisen Beschäftigung jedenfalls die Möglichkeit gehabt habe, sich bei der Firma S. rechtzeitig zu bewerben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, worin sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder der die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Die genannten Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0017).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2004/08/0237, mwN).

Soweit in der Beschwerde die Erfüllung des Tatbestandes einer Vereitelung im Sinne des § 10 AlVG mit dem Argument bestritten wird, dass der Beschwerdeführer am 14. April 2008 auch ein Stellenangebot der Firma X. erhalten und sich bei dieser (nach Erkennen am 15. April 2008, dass eine Bewerbung bei der Firma S. an diesem Tag nicht mehr möglich sei) erfolgreich beworben habe, ist ihm Folgendes zu entgegnen:

Nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers hat er sich mit den am 14. April 2008 erhaltenen Stellenangeboten erst am Nachmittag des Folgetages beschäftigt und dadurch den Termin bei der Firma S. am Vormittag jenes Tages versäumt. Da er keinerlei Vorbringen dazu erstattet hat, weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, die Stellenangebote unmittelbar nach Erhalt entsprechend einzusehen und sein Verhalten demgemäß auszurichten, stellt bereits die Nichtwahrnehmung des (Vormittags)Termins bei der Firma S. am 15. April 2008 eine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 AlVG dar. Weiters handelte es sich nach den - unbestritten gebliebenen - Feststellungen der belangten Behörde beim Stellenangebot der Firma X. lediglich um eine befristete tageweise Beschäftigung für sieben Tage im Juni 2008, wodurch das in den Betreuungsplänen vereinbarte Ziel der Erlangung einer Vollzeitbeschäftigung - im Gegensatz zum Stellenangebot der Firma S. - offenkundig nicht zu erreichen war. Der Beschwerdeführer musste daher schon aus jenem Stellenangebot erkennen, dass die Tätigkeit bei der Firma X. kein gleichwertiger Ersatz sein konnte. Dennoch hat er auch nicht an dem oder den (dem 15. April 2008) darauffolgenden Dienstag(en) bei der Firma S. Vorsprache gesucht, obwohl dies - nach den ebenso unbestrittenen Feststellungen - auch an "jedem (nachfolgenden) Dienstag stattfinden" hätte können, woraus auch erhellt, dass die angebotene Stelle noch frei gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hat aber in Kenntnis dessen, dass er beim Dienstgeber X. keine Vollzeitbeschäftigung erlangen könnte, auch diese möglichen Termine nicht wahrgenommen und dadurch offenkundig bewusst in Kauf genommen, dass ein Beschäftigungsverhältnis bei S. durch sein Verhalten nicht zustande kommen würde. Eine zusätzliche Information des Beschwerdeführers, der seit Jahren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, dass er sich zur Hintanhaltung der nunmehr bekämpften Rechtsfolgen jedenfalls auch bei der Firma S. bewerben müsste, war angesichts dessen nicht notwendig, sodass sich die dazu in der Beschwerde erhobene Rüge der Unterlassung der Einvernahme der Betreuerin des Beschwerdeführers beim AMS ins Leere geht.

Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde als Ergebnis ihrer nachvollziehbaren Begründung zu Recht die Erfüllung des Tatbestandes des § 10 AlVG sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht bejahen, ohne dass es - entgegen der weiteren Beschwerdebehauptungen - zusätzlicher Feststellungen zur Kausalität des Verhaltens des Beschwerdeführers bzw. zur Verfügbarkeit der Stelle bei der Firma S. mehr bedurfte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Oktober 2010

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